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Mia Couto: Mein Körper ist jetzt die ganze Welt

Foto von Mia Couto

Zum »Imani-Zyklus« von Mia Couto    von Matthias Voß

»JEDEN MORGEN GINGEN ÜBER DER EBENE VON INHARRIME SIEBEN SONNEN AUF. DAMALS WAR DAS FIRMAMENT WESENTLICH GRÖSSER, ALLE GESTIRNE HATTEN DARIN PLATZ, DIE LEBENDEN UND DIE SCHON GESTORBENEN.«

Mit diesen Sätzen beginnt die Trilogie des mosambikanischen Schriftstellers Mia Couto, mit diesen Sätzen endet sie. Dazwischen liegen 80 Jahre mosambikanischer Geschichte. 

Im ersten Band, Imani, begegnen sich im Jahr 1896 zwei Menschen, wie sie aus unterschiedlicheren Kulturkreisen und Traditionen nicht stammen können: Die 15-jährige VaChopi Imani und der 23-jährige portugiesische Sargento Germano de Melo. Es geht um Liebe, aber es ist kein Liebesroman. Es geht um die koloniale Geschichte Mosambiks, aber es ist kein historischer Roman. Es geht um den legendären König von Gaza Ngungunyane, aber es ist keine Biografie. 

Die portugiesische Sprache führt die beiden Protagonisten zusammen. Da ist Imani Nsambe: »In meiner Muttersprache bedeutet Imani so viel wie ›Wer ist da?‹ «. Sie hat portugiesisch von einem Missionar gelernt und wird dadurch Mittlerin zwischen den Afrikanern und den Portugiesen, wird Dolmetscherin, Vertraute und Spionin zugleich. Ihre Gedanken ­widerspiegeln die ständige Auseinandersetzung zwischen traditionellen Vorstellungen und der Welt der weißen Männer. Germano, der strafversetzte Republikaner, verzweifelt auf einsamem Posten an der kolonialen Wirklichkeit. 

Mia Couto stellt diese beiden Sichtweisen in Briefen und Tagebuchaufzeichnungen teils fiktiver, teils realer Personen gegenüber, so dass der Leser die ­Unterschiede ebenso empfindet wie die behutsame Annäherung, das beginnende gegenseitige Verstehen. Couto erreicht damit eine hohe Authentizität, die sich aus umfangreichem Quellenstudium ebenso speist wie aus seiner Biografie. 

António Emílio Leite Mia Couto wurde 1955 in Beira als Sohn portugiesische Eltern in Mosambik geboren. Als 17-Jähriger fand er den Weg zur FRELIMO und wurde mit der Unabhängigkeit 1976 ­Direktor der Staatlichen Nachrichtenagentur Agência de Informação de Moçambique. Bis 1981 war er außerdem Chefredakteur der Tageszeitung Noticias und leitete bis 1985 das Wochenblatt Tempo. 1985 wandte sich Mia Couto vom Journalismus ab und begann in Maputo ein Biologie-Studium. Heute lehrt er dieses Fach als Universitätsprofessor. 

Cover des Buches »Asche und Sand«

Cover des Buches »Asche und Sand« · © Unionsverlag

Seine seit Mitte der 1980er Jahre erscheinenden Romane und Erzählungen spüren mit oft ungewöhnlichen Bildern der Seele der mosambikanischen Menschen nach. »Wir sind so vieles gleichzeitig. Ich bin ein Afrikaner, der aus Europa kommt. Ich bin ein Schriftsteller in einer Region, in der das Mündliche dominiert.«

Der sprachgewaltige Autor macht es uns nicht leicht. Immer wieder wird man verharren, den Gedanken nachspüren, und empfinden, wie sich hier Jahrhunderte alte Weisheiten vermitteln, wie jeder neue Anfang auch ein Abschied ist.  Erfahrungen, Wissen, Glauben von Generationen. So ist auch Imani keine einzelne Person an einem konkreten Ort. Als 95-Jährige auf ihr Leben zurückblickend, sagt sie: »Mein Körper ist die ganze Welt.« 

Die Herausforderung, die bildhafte afri­kanische Gedankenwelt dem deutschsprachigen Leser nahezubringen, hat Karin von Schweder-Schreiner gemeistert. Wer sich darüber erregt, dass der Sprachgebrauch des kolonialzeitlichen Rassismus auch in der deutschen Übersetzung verwendet wird, sollte verstehen, dass gerade dies die moralischen Positionen der Kolonialherren ungeschönt wiedergibt. Es wird zu einem versteckten Höhepunkt des Romans, als der portugiesische Kapitän António de Sousa die ausgestreckte Hand des afrikanischen ­Königs Ngungunyane annahm, die Hand eines Schwarzen. 

Cover des Buches »Imani« von Mia Couto

Cover des Buches »Imani« von Mia Couto

Im zweiten und dritten Band, vom Unionsverlag Zürich zusammengefasst unter dem Titel Asche und Sand, konzentriert sich die Handlung stärker auf die Geschehnisse um Ngungunyane. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den afrikanischen Stämmen untereinander und mit den Portugiesen nehmen zu. Ihr eigener Vater bietet Imani dem König als Ehefrau an, mit einem besonderen Auftrag. Dadurch gerät sie in sein Gefolge und wird zur engen Vertrauten der Königin Dabondi, die mit den Flüssen sprechen kann. Germano gerät als unmittelbarer Akteur aus dem Blickfeld und wird über die Schwangerschaft von Imani reflektiert. 

Eine ganze Epoche wird aus dem Alltag der Menschen heraus erklärt und dadurch entzerrt: Die vorkoloniale Zeit war keine Idylle, Ngungunyane nicht der übermächtige Gegner, mit dessen Niederlage Portugal in der Auseinandersetzung vor allem bei den Engländern punkten wollte.

Der Autor bezieht weitere reale Persönlichkeiten der Zeit ein, wie Mouzinho de Albuquerque, Ayres de Ornelas und Zixaxa, der es gewagt hatte, Lourenço Marques anzugreifen. Das Geschehen führt über Lissabon und das Exil des gefangenen Ngungunyane und seiner Frauen auf den Azoren, wo der zum übermächtigen Gegner stilisierte König 1906 starb, bis zum Vorabend der Proklamation der Unabhängigkeit Mosambiks, und endet dort, wo alles begonnen hat, in Nkokolani.

Es wird viele Gründe geben, zu dieser Trilogie zu greifen. Als ich 1986 nach Mosambik kam, wusste ich etwas über die afrikanischen Länder aus der Erdkunde, über die Geschichte der kolonialen ­Eroberungen aus dem Geschichtsunterricht, über die Tierwelt von Zoo- und Zirkusbesuchen und über den Befreiungskampf der FRELIMO aus den Zeitungen, den Filmen von Ulrich Makosch und den Radioreportagen von Peter Spacek. Kaum etwas wusste ich von den Menschen. Einiges habe ich in persönlicher Zusammenarbeit und Freundschaft gelernt, vieles mehr und tiefer aus den ­Büchern von Mia Couto verstanden.

Sie sind sprachgewaltige Zeugnisse der Wurzeln und des Werden des mosambikanischen Volkes.

Weitere Informationen

Asche und Sand
544 Seiten, gebunden, Unionsverlag, 26€
ISBN 978-3-293-00569-3 · E-Book 19,99€

Imani
288 Seiten, broschiert, Unionsverlag, 13,95€
ISBN 978-3-293-20831-5 · E-Book 11,99€

Portugiesische Eisenbahn: Auf breiter Spur bergab

Foto vom Bahnhof in Pinhão am Douro

Was wird aus der portugiesischen Eisenbahn?    von Andreas Lausen

Portugal begann erst später als die meisten europäischen Nationen mit dem Bau seines Eisenbahnnetzes. Am 28. Oktober 1856 wurde die erste Verbindung von Lissabon-Santa Apolónia nach Carregado entlang des Tejo ein­geweiht. Mutig befuhr König Luís I. die 37 Kilometer lange Strecke mit dem ersten offiziellen Zug. 

Nach langem Streit um 7 Millimeter Unterschied hatten sich Portugal und Spanien auf eine Spurweite von 1,668 Metern (5 portugiesische Fuß) festgelegt. Die Staaten Mittel- und Westeuropas bestimmten die schmalere Spurweite von 1,435 Metern für ihre Netze. Züge der iberischen Nachbarn hatten damit keinen direkten Anschluss an das europäische Bahnnetz − bis heute ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.

1863 wurde bei Elvas der erste Grenz­über­gang nach Spanien fertiggestellt. 1864 waren Porto und Lissabon mit der Eisenbahn verbunden. 1887 folgte die zweite internationale Verbindung mit der Strecke von Porto nach Salamanca. Auf dieser Bahn wurde bis etwa 1965 auch der Portwein aus dem Douro-Tal transportiert. 1889 wurden Lissabon und Faro verbunden. Viele Stichbahnen im Alentejo und im Norden folgten. 

Außerhalb der Hauptlinien war die Bahn schon damals recht langsam unterwegs. Die Bahn längs des Flusses Tua brauchte vom Douro bis Bragança für 137 Kilometer fast vier Stunden. Immerhin wurden 37 Bahnhöfe bedient. Obwohl noch einige Gleis-Kilometer vorhanden sind und die Politik die Wiedereröffnung zugesagt hat, ist inzwischen ein großer Teil mit Tunneln und Brücken im neuen Tua-Stausee versunken.

1952 erreichte das portugiesische Eisenbahnnetz mit 3.627 Kilometern seine größte Ausdehnung. Dabei blieb es bis 1987, als die erste größere Stilllegung mit der Stecke Èvora-Mora geschah. 1990 wurden sogar acht Strecken stillgelegt und 1988 die erste Verbindung nach Spanien geschlossen (Douro-Strecke von Poçinho nach Salamanca).

Heute sind noch 2.500 Kilometer in Betrieb und drei von einstmals sechs Grenz­übergängen. Der Rückgang scheint nicht dramatisch. Anteilsmäßig schrumpfte das Eisenbahnnetz in Deutschland deutlich stärker. Aber während die Deutsche Bahn auch auf Nebenstrecken einen Stundentakt fährt, werden viele Strecken in Portugal nur noch drei oder viermal pro Tag befahren. Selbst die Strecke von Lissabon in die Alentejo-Metropole Èvora wird nur sieben Mal pro Tag bedient.

Häufig sieht man vom Zug aus Ruinen von Bahnhöfen, Schrottlokomotiven oder zerfledderte Wagen. Der früher wichtige Bahnhof von Barreiro gegenüber von Lissabon zerfällt. Nebenan rosten die Trümmer des alten Schnellzugs Foguete (Rakete), der 1953 bis 1970 die Strecke Lissabon—Porto befuhr und für Geschwindigkeit und Komfort berühmt war. 

Foto vom Bahnhof Oriente in Lissabon

Der modernistische Bahnhof Oriente in Lissabon · Foto: © Andreas Lausen

Bleibt zu hoffen, dass zumindest die verbliebenen Strecken erhalten bleiben. Aber auch das scheint fraglich. So wird ernsthaft überlegt, die wunderschöne Strecke am Douro durch das Weltkultur­erbe Portwein-Gebiet zu kürzen. Dagegen setzen sich die Menschen in den Dörfern und kleinen Städten massiv zur Wehr und fordern sogar die Wiederöffnung der 1988 aufgegebenen Strecke ins spanische Salamanca. 

Das letzte größere Ausbau-Vorhaben war die Schienenverlegung im Unter­geschoss der Ponte 25 de Abril im Jahre 1998, mit dem die Verbindung in den ­Süden Portugals schneller geworden ist. Im April 2021 weihte Premierminister Antó­nio Costa die runderneuerte Strecke nach Valença do Minho ein. Einige Baumaßnahmen laufen zur Zeit an der Westbahn, die vom Rossio-Bahnhof aus über Óbidos und Leiria nach Coimbra führt. Hier sollen auch die besonders sehenswerten Stationen modernisiert werden. Auch aus dem großen Corona-Hilfsprogramm der EU will Portugal Geld für die Bahn abzweigen. Neue Strecken sind aber nicht geplant. Trotz aller Tristesse auf Portugals Schienen gibt es Zeichen für Optimismus! 

Am 4. Mai 2021 wurde die 46 Kilometer lange Strecke von Guarda nach Covilhã wiedereröffnet, die zwölf Jahre lang ­außer Betrieb war. Mit sechs Zügen ­täglich in jeder Richtung wird damit die ganze Region im portugiesischen Outback wieder an das Schienennetz an­geschlossen.

Wer die schönsten Abschnitte befährt, sich an den mit Blumen und Azulejos geschmückten Bahnhöfen erfreut, sollte dies Abenteuer genießen − wer weiß, wie lange die Bahn noch fährt!

 

1972: PER BAHN NACH PORTUGAL

Schon als Schüler faszinierte mich Portugal. So fasste ich den Entschluss, zwischen Abitur und Studium eine Reise in ­dieses damals recht unbekannte Land am Rande Europas zu unternehmen. 

Einfach war mein Vorhaben nicht. Nur von Frankfurt aus gab es eine Flugverbindung. Aber die war außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten. Also per Bahn in 50 Stunden! Passgenau hatten einige Bahnen 1972 den Interrail-Pass eingeführt, dem sich auch die portugiesische CP angeschlossen hatte. Also bestieg ich erwartungsvoll den Zug von Hamburg nach Köln. 

Dort war Umsteigen angesagt in den Nachtzug nach Paris. Am nächsten Morgen langte ich müde am Gare du Nord an. Zum Glück hatte ich im Zug eine Gruppe Portugiesen aus Köln kennengelernt. Die waren auch auf dem Weg nach Portugal und hatten in Paris einen Landsmann aufgetan, der sie mit einem Kleinbus zum Gare de Austerlitz am anderen Ende der Stadt brachte. Mich nahmen sie mit. Sonst hätte ich den Weg quer durch Paris in knapp zwei Stunden bestimmt nicht geschafft!

An der spanischen Grenze musste wegen der breiteren iberischen Spur wieder umgestiegen werden. Mit einem gleichaltrigen Schweden okkupierte ich ein Abteil, in dem wir uns breit machen konnten und einigermaßen bequem die Fahrt durch die nächtliche spanische Meseta überstanden. 

Als der nächste Morgen dämmerte, fuhr der Zug in den spanischen Grenzbahnhof Fuentes de Oñoro ein. Der Bahnsteig war voll von spanischen Grenzpolizisten und Zöllnern, die in Vierergruppen die Waggons enterten. Nach zwei Kontrollen setzte sich der fast ganz von Portugiesen besetzte Zug schließlich in Bewegung. 

Inzwischen gingen überall die Fenster auf. Alle Passagiere waren wach geworden. Im Schritttempo rollte die Bahn durch eine Felsschlucht. Da! In der Felswand tauchte das Schild «PORTUGAL» auf, kurz darauf das portugiesische Wappen. Im Waggon ertönte ein Akkordeon, und durch alle Abteile lief das Lied «Herois do mar», Portugals Nationalhymne. Bei den letzten Takten «contra os canhões, marchar, marchar» dröhnte der ganze Zug. Der portugiesische Grenzbahnhof Vilar Formoso ähnelt einem kleinen Palast, und ich fühlte mich ein wenig wie Jaçinto in J.M. Eça de Queiroz’ Roman «A Cidade e as Serras»: »Das also ist Portugal! Cheira bem!« 

Telegraphie: Von Emden über Horta nach New York

Foto von Horta, Faial (Azoren)

Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft (DAT): Spurensuche auf Faial (Azoren)    von Ingolf Wernicke

> Für etwa 1000 Reichsmark musste man sich einen Smoking, Anzüge, Krawatten und Socken als Arbeitskleidung kaufen, aber die Kosten übernahm die Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft (DAT), eine Tochtergesellschaft der Deutschen Reichspost. »Eingekleidet wie die Lords« repräsentierten die deutschen Telegrafisten in der einstigen Kabelmetropole Horta, der Hauptstadt der Insel Faial, ihr Heimatland. 

Johannes Weerts (1909−2006) gehörte zu einer Gruppe von Privilegierten. Als einer von sieben Absolventen der DAT-­Telegrafenschule im ostfriesischen Emden hatte er die Technik der Fernkommunikation erlernt und im Jahre 1927 als 17-Jähriger die Azoren-Insel mit einem Passagierdampfer aus Lissabon erreicht. Hier arbeitete er mit Engländern und Amerikanern im internationalen Telegrafenamt, dem Trinity House, zusammen. In Horta wurden seit 1900 über ein Seekabel, das teilweise bis zu 4000 Meter unter dem Meeresspiegel von Emden aus hierher verlegt worden war, eingehende Telegramme aus Deutschland aufgenommen und an die amerikanischen Kollegen im Haus weitergeleitet. Über eine sog. Recorder-Taste verschickten dann die Amerikaner die Nachrichten über ihr eigenes, von Horta nach New York führendes Seekabel weiter. Die Dämpfung durch den Widerstand der Seekabel war so groß, dass die zu damaliger Zeit gesendeten Signale noch nicht direkt die Strecke von Deutschland in die USA überwinden konnten. Durch die Automatisierung der Telegraphie wurden die Telegrafisten zu Technikern umgeschult und hatten in den 1930er Jahren die Telegrafenapparate zu überwachen sowie Störungen und Fehler im Seekabel bei der Übertragung zu ermitteln.

Gert Flemming blieb bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges für 13 Jahre in Horta und lebte in der deutschen Kabelkolonie. In dem sog. Jünglingsheim, dem Hauptgebäude der Colónia Alemã, befand sich ein Speisesaal mit einer Veranda für alle deutschen Angestellten, wo auch Feste mit ausländischen Kollegen und den Honoratioren der Stadt gefeiert wurden. Neben der Arbeit konnte man in der Deutschen Kolonie auf einem firmen­eigenen Platz Tennis spielen, es gab ein Ping-Pong-Zimmer, einen Billardraum, Turngeräte sowie eine große Bibliothek.

Nach der Zerschneidung des Trans­atlantikkabels während des Ersten Weltkrieges durch die Engländer im Ärmelkanal kam die Telegraphie zum Erliegen. Erst in der Mitte der 1920er Jahre entwickelte sich Horta zu einem Schnittpunkt der internationalen Fernkommunikation − mit insgesamt 15 Seekabeln, die Europa mit Nord- und Südamerika sowie Großbritannien mit den USA und Südafrika verbanden. 

1939 wurde mit dem Beginn des II. Weltkrieges das deutsche Kabel bei Dover abermals von den Engländern zerschnitten und später von den Amerikanern genutzt, die ihr militärisches Hauptquartier in Heidelberg über Cherbourg (Normandie) und Faial mit New York verbanden. 1960 wurde die Kabelverbindung an Deutschland zurückgegeben, aber nur noch für zwei Jahre betrieben. 1969 zog sich die britische Cable & Wireless als letzte Kabelgesellschaft von ­Horta auf Faial zurück.

Wer heute die Insel Faial auf den Azoren besucht, trifft nicht nur auf sehr gastfreundliche Einheimische, sondern auch auf sehr unterschiedliche Menschen. Es sind zum einen die Gruppe der Urlauber und Touristen, die die Sehenswürdigkeiten der 21 km langen und 14 km breiten, sehr grünen mit vielen Blumen bestückten Insel aufsuchen. Viele unternehmen Wandertouren quer über die Insel oder um die große Caldeira im Innern der Insel, einem Einsturzkrater eines großen Vulkans mit einem Steilhang von 400 Metern und einem Durchmesser von circa zwei Kilometern. Man findet im Nordosten der Insel noch Spuren des schweren Erdbebens von 1998 wie z. B. die Ruine des Leuchtturms Farol da Ribeirinha u. a.. Eine der Hauptattraktionen ist die einer Mondlandschaft gleichende Staub- und Steinwüste des 1957/58 ausgebrochenen Vulkans Capelinhos im Westen der Insel. Man kann aber auch an einigen wenigen Stränden baden, wie in der Hauptstadt Horta an der Baia do Porto Pim oder an der Praia do Almoxarife. Viele nutzen auch die Angebote von kleinen Bootstouren zum sog. Whale Watching oder der Beobachtung von Delphinen. 

Der zweiten Gruppe von BesucherInnen der Azoren-Insel begegnet man hauptsächlich im Sommer: Es sind insbesondere SeglerInnen oder Segelcrews, die den Atlantik überqueren und im Hafen von Horta einen Zwischenstopp einlegen, um Proviant einzukaufen oder Reparaturarbeiten an ihren Schiffen durchzuführen. Im gesamten Hafenbereich haben sich die Besatzungen der Boote an den Kaimauern, auf Treppen und auf dem Fußboden mit bunten Graffiti verewigt − oft in den Nationalfarben ihrer Herkunftsländer. Ein Seglertreff, wo auch Briefe und Päckchen gelagert werden und Geld getauscht werden kann, ist das Peter Café Sport an der Uferstraße von Horta. Diese seit 1918 existierende Seefahrerkneipe, in der einst auch die Walfänger verkehrten, ist mit Holz vertäfelt und mit zahlreichen Schiffsutensilien, Fahnen und Wimpeln von Segelbooten aus aller Welt dekoriert. Hier kann man gut essen oder auch abends bei einem Gin Live-Musik hören.

Wenn man Faial im August während der Semana do Mar besucht, dann trifft man in Horta auf die dritte große Be­sucherInnengruppe, die AzorerInnen und ihre Nachfahren, die in die USA, nach Kanada und anderswo ausgewandert sind. Sie besuchen ihre alte Heimat und noch hier lebende Verwandte und Bekannte. 

Während der Semana do Mar, zu der auch eine Regatta veranstaltet wird, verwandelt sich die Uferstraße von Horta in eine Zeltstadt mit Küchen, Bars, Büffets, Tischen und Bänken, wo sich größere Restaurants aus verschiedenen Regionen Portugals, den Azoren und Madeira mit ihren typischen Speisen und Getränken präsentieren. Auf verschiedenen Bühnen wird Folklore, aber auch Musik von bekannten portugiesischen Bands dargeboten. An zahlreichen kleinen Ständen, kann man auch hausgemachte Spezialitäten wie Polvo guisado, Linguiça oder Molha de carne probieren. Hier kann man als Fremde/r auch oft zu einem kleinen Imbiss mit einem Becher Wein einge­laden werden. 

Bis heute haben sich in Horta noch Spuren der Deutsch-Atlantischen-Telegrafengesellschaft erhalten. So befindet sich oberhalb der Altstadt die Colónia Alemã, die einstige deutsche Siedlung mit typischen Landhäusern mit Veranden, wo sich die Wohn- und Verwaltungsgebäude der DAT befanden. In der Nähe des Stadtstrandes von Porto Pim an der ­Atlantikseite gibt es noch zwei kleinere Gebäude, wo einst das deutsche Kabel mit dem amerikanischen Kabel verbunden worden war. Es existiert noch das ehemalige Gebäude des Trinitiy House, und man findet auf dem Cemitério do Carmo, dem Hauptfriedhof von Horta, sogar eine Grabstelle eines deutschen Angestellten der DAT, der in Horta verstorben ist.

Von Faial lohnt ein Ausflug mit der Kanalfähre nach Madalena auf die Insel Pico mit dem höchsten, die gesamte Insel dominierenden, gleichnamigen Berg Portugals. Einen Auf- und Abstieg von fünf bis acht Stunden zum 2351 Meter hohen Gipfel des Vulkans kann man auf einem sehr steilen Wanderweg von der Ausgangsstation, der Casa da Montanha, in 1.200 Meter Höhe machen. Die Insel selbst bietet viel Natur an den Berghängen, Rinderweiden, im Innern viele mit Wasser gefüllte, kreisförmige Kraterseen sowie eine Region mit Weinanbau, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Neben Madalena mit ca. 2.600 Einwohnern gibt es als vergleichbare Siedlungen noch Lajes do Pico und São Roque do Pico an den Küsten der Insel. In beiden Orten dominierte bis 1983 der Walfang und es existierten dort Fabriken, die heute sehenswerte Museen geworden sind. In Rekordjahren wurden einst auf den Azoren bis zu 20.000 Pottwale pro Jahr erlegt. 

Als ein nicht zu unterschätzendes Highlight der Insel wäre noch zu erwähnen, dass man bei schönem wolkenfreien Himmel vom Berg Pico eine traumhafte Aussicht auf die Insel Faial mit ihren weißen Häusern von Horta, aber auch auf weitere Inseln der Zentralgruppe der Azoren hat. Ebenso erhält man von einigen Punkten der nördlichen Küstenstraße einen unvergesslichen Ausblick auf die 20 Kilometer entfernte Nachbarinsel São Jorge, die mit einer Länge von ­56 Kilometern mit ihren senkrechten Abbruchkanten als riesiger Gebirgskamm aus dem Meer ragt.

Schmugglerroute in der Serra de São Mamede

Foto der Serra de São Mamede in Portugal

Zeitgeschichtliche Spurensuche mitten in der Wildnis    von Catrin George Ponciano

> In den abgelegenen Bergdörfern der Serra de São Mamede war das Leben von jeher beschwerlich. In dem Kalksteingebirgszug, der sich an drei Stellen bis auf eintausend Meter hoch auffaltet, zerklüftet von engen tiefen Taleinschnitten, durch die Gebirgsbäche plätschern, rangen die Bergbauern dem kargen Boden ab, was sie zum Leben brauchten. 

Begünstigt durch das ganzjährig relativ milde Klima, ähnelt die Flora in den Bergen der in Mittelmeer-Regionen, was zu dicht gewachsenen Eichenwäldern geführt hat. Ausladende Kork­eichen, Kermeseichen und Steineichen sorgen in der Grenzregion zum benachbarten Spanien für Schatten, für Nahrung für Rotwild und Wildschweinrotten, aber noch mehr für Arbeit und Einkommen der ansässigen Bevölkerung in der Holz- und Korkwirtschaft. Auch die Kastanie und die Esskastanie fühlen sich in den Gefilden des Grenzgebirges wohl und bescheren der endogenen Wirtschaftsstruktur mit ihrem Holz und ihren Früchten eine solide Basis für Handwerk und Kunst. 

Von Portalegre losfahrend erreicht man über kurvige Landstraßen Marvão. Ein mittelalterliches Burgdorf auf einem Gipfel gelegen, dessen Feste scheinbar direkt aus dem Felsmassiv gewachsen ist. Dort lässt sich gut durch die steilen Gassen flanieren, kulinarisch genüsslich speisen und lokales Kunsthandwerk wie das der Kastanienstickerinnen und der Kastanienholz-Flechter bewundern.

Ende Juli verwandelt sich der einem Greifvogel-Horst ähnelnde mittelalterlich charmante Ort in eine Konzertbühne, sobald international bekannte KlassikmusikerInnen und Orchester sich in der Gegend rund um Portalegre zum Festival Internacional de Música de Marvão versammeln und Open Air Klassikkonzerte geben. Ein absoluter Geheimtipp für MusikliebhaberInnen! Möge es so bleiben, damit man das unvergleichliche Flair unter abendlichen Alentejo-Himmel zusammen mit der Musik alter und neuer Meister entspannt verinnerlichen kann.

Neben Marvão laden aber noch etliche weitere Orte der Umgebung im Landkreis von Portalegre zum Erkunden ein. Besonders empfehlenswert ist Castelo de Vide mit seinem jüdischen Viertel und der gut erhaltenen Synagoge sowie dem bald eröffnenden Interpretationszentrum über das lokale und nationale jüdische Kulturerbe.

Bisher weniger bekannt hingegen ist das Naturschutzgebiet Parque Natural da Serra de São Mamede als El Dorado für Wanderfreunde. In Portalegre, Castelo de Vide und Marvão existieren siebzehn Rundwanderwege, die Natur und Kultur miteinander vereinen sowie mehrere Anschlüsse an große Hauptrouten.

Eine Rundwanderroute daraus führt die WanderIn sechs Kilometer lang zurück in ein dunkles Kapitel der jüngsten Geschichte Portugals in Nachbarschaft zu Spanien, in die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges. Auf beiden Seiten der Grenze herrschten Diktaturen, das Überqueren der Grenze konnte das Leben kosten. Die Lebensumstände der ansässigen Bauern — sowieso schon beschwerlich genug − wurden zusätzlich vom Terror der Grenzpolizei überschattet, von Hunger und Arbeitslosigkeit. Wer nicht in die Städte abwanderte, musste sich irgendwie anders behelfen, um zu überleben. Das Schmugglergewerbe half deswegen etlichen Familien, ihr Überleben zu sichern, obwohl es in der weit verzweigten Berglandschaft zwischen den Dörfern Galegos, Monte de Baixo und Pitaranha an der portugiesisch-spanischen Grenze jederzeit möglich war, auf eine Patrouille zu stoßen. Dennoch nahmen Schmugg­lerinnen das Risiko in Kauf und schmuggelten ein damals hoch begehrtes Gut: Kaffeebohnen.  

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede (Illustration)

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede · © Illustration: Andreas Lahn

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede · © Illustration: Andreas Lahn

Auf dem PR4 MRV folgt man den Spuren dieser tollkühnen Frauen und Männer, die mitten in der Nacht aufbrachen und mit einem Sack Kaffeebohnen auf dem Rücken den Weg durch die Dunkelheit zum Treffpunkt im Gebirge antraten.  Während der Militärdiktatur Francos in Spanien war nämlich die Ausfuhr von Kaffeebohnen aus Portugal verboten. Schwarzhandel mit Kaffee wurde mit Gefängnisstrafen geahndet. Trotzdem wollten die Spanier nicht auf ihren café-solo, das Pendant zur portugiesischen bica, verzichten. Und genau das machten sich die portugiesischen Contrabandistas zunutze. Sie wussten ganz genau, wie sie die Grenzpolizei austricksen konnten und wie man den Patrouillen entwischte. So entstand im Schutz dicht gewachsener Wälder in der Serra de São Mamede, deren Täler und Schluchten niemand besser kannte als die Einheimischen, zwischen den Dorfflecken Aldeia de Galegos in Portugal und La Fontañera in Spanien ein Schmugglerpfad, den bloß ganz wenige Eingeweihte kannten: Der KaffeeSchmugglerpfad Contrabando do Café. 

Mit sechzig Kilogramm Kaffeebohnen, zwanzig Kilogramm geschultert, brachen die SchmugglerInnen auf zum Treffpunkt mitten in der Wildnis. An dem mit der Ziffer Eins markierten Ort auf der Wanderkarte tauschten SchmugglerInnen am Ponto da Espera mit ihren spa­nischen KollegInnen dann die Kaffeebohnen gegen Stoffbahnen Bombazin-­Wollseide, die die portugiesischen SchmugglerInnen wiederum auf dem portugiesischen Schwarzmarkt mit sattem Gewinn verkaufen konnten und mit dem Erlös ihre Familien ernähren. 

Auf der Schmugglerroute von einst, markiert als PR4MRV mit Start und Ziel an der Sebastião-Kirche in Galegos, folgt man der einstigen Fährte der Contrabandistas quer durch die Serra de São Mamede durch die drei genannten Dörfer, wandelt über ein Stück mittelalterliches Pflaster, und eine antike Brücke bei ­Pomar Velho, erlebt die üppig diverse mediterrane Flora der Serra und genießt unterwegs den einmaligen Ausblick auf das Burgdorf Marvão. 

Nach der Rückkehr sollten Sie unbedingt in der Olivenmühle Lagar Museu Azeite Castelo de Marvão Halt machen und das köstliche Olivenöl probieren.

START UND ZIEL: Igreja de São Sebastião dos Galegos, Aldeia de Galegos, 7330-065 Marvão Wanderkarte zum Herunterladen: 
https://www.ccdr-a.gov.pt/alentejoape/upload/143_folheto_folheto-pr4-mrv-web.pdf

INFO: Mehr ausgefallen lohnenswerte Orte im Alentejo, die man besuchen sollte, finden Sie in meinem am 26. August im Emons Verlag erscheinenden Reisebuch: »111 Orte im Alentejo die man gesehen haben muss« – mit 111 Farbfotografien, Landkarte mit Referenzpunkten, Wegbeschreibung sowie jede Menge Tipps für zusätzlichen Erlebniswert in der unmittelbaren Umgebung jedes einzelnen Ortes.

Migration: Dem portugiesischen Geschmack auf der Spur

Foto der Ponte Vasco da Gama, Lissabon

von Ana Carla Gomes Fedtke und Eberhard Fedtke

> Die Themen »Emigration«, »Rückkehr nach Hause« und »Leben draußen in der Diaspora« hatten für ein »Volk der Auswanderung«“stets herausgehobene Aktualität. Sämtliche periodischen Versuche des portugiesischen Staates, eine elastische und ausgewogene Lösung in dieser politischen und sozialen Spannweite zu finden, ergaben in der Vergangenheit keine  genügenden Resultate. Die amtliche Rhapsodie von Sonne, friedfertigem sozialen Ambiente, ultra-Fussball, Wein und Fado-Gesang reichen für eine ernsthafte und wirksame Reimmigration nicht aus. Es gibt zahlreiche Gründe und Tatsachen, wenig episch, für ein Volk, dessen mehr als die Hälfte mit gutem Grund in mehr als 80 Länder der Welt emigriert, und nur wenige zurückkommen, um hier zu leben, allenfalls im Ruhestand, nicht in aktiver Lebenszeit. Die portugiesische Gesellschaft verliert permanent alle Jahre beträchtliche Mengen an menschlichen Kapazitäten und Werten, allem voran Frauen-Power. Industrie und Wirtschaft des Landes wären glücklich, mehr Rückkehrer zu bekommen, welche zugleich nützliche soziale und sozialpolitische  Erfahrungen von draußen mitbrächten. Untersuchungen belegen, dass eine beste Voraussetzung für eine gehobene Position in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung eine akademische Ausbildung in Portugal und einige Zeit authentischer Lernzeit in einem Land mit hohem sozialen Standard ist.

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Es genügt kein vom Staat ausgearbeitetes Konzept, ohne Vorteile von bedeutender Höhe auf dem finanziellen Sektor anzubieten. Mit dem Artikel «Programa Regressar – zurück nach Portugal?» haben wir im PORTUGAL REPORT Nr. 77 die Vorstellungen und Regelungen des portugiesischen Staates dargestellt, um dem Grund nach das permanente demografische Ungleichgewicht auszugleichen, welches den Verlustes an intelligentem und effizientem Volksgut betrifft und seinen Ausfluss in einer bedrückenden und besorgniserregende Auswanderung hat. Auch in dieser Pandemie wurde das Fehlen von Ankern an hinreichender sozialer Absicherung aufgezeigt. Keine Beschäftigung zu finden, ist aktueller Fatalismus der Gesellschaft, ein wachsendes Problem, insbesondere der Jugendlichen. Der Staat arbeitete mit einer ministeriellen Resolution vom 14. März 2019 mit Blick auf Personen, welche bis Dezember 2015 das Land verlassen hatten, ihnen für die kurzfristige Rückkehr finanzielle Unterstützung anzubieten. Jedoch der Höchstbetrag von 6.536 Euros für eine ganze Familie, welche in irgendeinem Land draußen in fester Arbeit und sozialer Absicherung installiert ist, war wie ein Almosen ohne jeglichen Anreiz oder Attraktion, nach Portugal zurückzukehren. Dort lebt eine archaische aristokratische Gesellschaftsform, die noch nicht den Mut besitzt, ihre politische Struktur zu verringern oder aufzugeben, »Teile des Gesellschaft von der Gleichbehandlung auszuschließen, Gleichstellung anzubieten oder zu praktizierten sowie allen Klassen hinreichende Zugangsbedingungen mit dem Ziel zu tolerieren,  das fundamentale Hindernis zu bereinigen, wonach kein modernes, gerechtes, soziales Gefüge für die mittleren oder unteren Klassen vorhanden ist. Bevorzugung besteht lediglich für  eine Elite sowie ihre Familien in jeglicher Hinsicht. Kinder oder Jugendliche, die nicht Teil dieser kleinen geschlossenen Elite sind, haben keine gleichen Chancen einer adäquaten Erziehung und eines würdigen Berufs, sodass diese intellektuelle Reserve auszuwandern disponiert ist – ein Circulus vitiosus. Im Ergebnis waren diese zweifelhaften Rückkehr-Überlegungen des Staates politisch stets schlecht durchdacht, ökonomisch mangelhaft proportioniert und in der Summe aller sozialen Aspekte völlig unrealistisch, wie das Alltagserleben zeigt. Schließlich kann für künftige Erneuerungen des Landes eine ungesunde Situation aufgezeigt werden. In der Diaspora draußen weiß man: ein gutes haltbares, wirtschaftliches Lebensprojekt »nach Rückkehr nach Hause« ist ein fundamentales Risiko. Die neue Anforderung und besondere Philosophie erhielten, vorgestellt mit viel Akklamation im Ersten Kongress der Diaspora am 13. Juli 2019 in Porto, den poetischen Titel: »Wenn Du, Emigrant, nicht zurückkommst, werde ich draußen bei Dir sein«. Über diese neue politische und soziale Inspiration haben wir im PORTUGAL REPORT Nr. 78 geschrieben. Es mangelt, an Erfahrungen nachzusuchen, ob diese neue Sensibilisierung mit der Welt der Emigranten positive Resultate in dem Sinn zeitig, auch mit der zweiten und dritten Generation, geboren in der Diaspora, in Kontakt zu kommen. Einige von ihnen haben niemals Portugal, wenigstens in den Ferien, besucht, Wir schätzen, dass, sofern sich die derzeitige hygienische Situation in der Welt fortsetzt, dies künftig immer weniger möglich wird, nicht zu reden von den Fällen, dass die jungen Generationen nicht ein Wort Portugiesisch sprechen, völlig in die Kultur ihres Geburtslandes integriert sowie von einer fremden Kultur geprägt sind. Das neue Vorhaben, die Bindungen zur Diaspora zu stärken, muss ernsthaft belegen, ob es nicht mehr ein lyrischer Gesang ist. Übrigens: Wer zahlt am Ende die beträchtlichen Zusatzkosten?

Indes nicht verzagen: zusätzlich zu der Dreifach-Strategie, Emigration  menschlichen Kapitals zu verhindern, bestimmte Emigrantengruppen zu ermuntern, nicht nur zur Rentenzeit zurückzukehren, schliesslich die grundsätzliche Verbindung zur Diaspora zu stärken, um latenterweise den Aspekt eventueller Rückkehr wachzuhalten, besteht ein weiterer wichtiger, wenngleich seltener, aber existierender Aspekt: dass Emigrantenkinder, draußen geboren und im günstigen Fall mit doppelter Staatsangehörigkeit  versehen, nach Portugal heimkehren, also aus ihrem Herkunftsgebiet ins Land der Eltern auswandern. 

Im Archiv dieser Zeitschrift findet sich die Reportage über eine Wanderung dieser vierten Kategorie, mit vollem Erfolg in jeder Hinsicht. Die Geschichte erzählt von zwei jungen Portugiesen, in Deutschland geboren und mit kompletter deutscher Schul- und Berufsausbildung sowie »mit dynamischen nordischen Sedimenten«, deren Eltern eine Generation zuvor nach Deutschland auswanderten, und die von ihrem Traum nicht lassen konnten, in Portugal zu leben. Diese beiden jungen couragierten Unternehmer feiern die ersten zehn Jahre Berufstätigkeit in Portugal. Elegant gekleidet mit ihren Frauen in einem Restaurant der Costa Comporta sitzend, der Sonne zugewandt und mit reichhaltiger alentejanischer Speise auf den Tellern, offenkundig ohne Dissonanzen rundherum in friedlichem Ambiente, erzählen sie, mitunter mit Tränen in den Augen, über diese zehn langen Jahre Integration in Portugal, eine Retrospektive angefüllt mit Fortschritten und typischen Antipoden dieser Epoche. Es sind sehr realistische Analysen, zehn Jahre zurück die besagte Emigration, voll von Plänen und Aktivitäten, danach eine manifeste autobiografische Gliederung in Selbstbeschau von Hoffnungen, schlaflosen Nächten, 16 Stunden Arbeit pro Tag. Ein ernsthaftes Unterfangen voller persönliche Triumphe im Aufbau  der eigenen Textilfabrik. Es sind ebenfalls die frohen Resultate systematischer Eingliederung der Kinder in beide portugiesischen und deutschen Kulturen, nicht zu vergessen die Perspektiven erfolgreicher Fortführung dieses Familienunternehmens auf der Grundlage professioneller und ehrlicher Solidarität. In der Summe ist es eine brillante Zusammenfassung mit der Qualität von Fado-Inhalten, dieses perfekte Porträt der beiden Ehepaare anzuhören. Ihr ernster Klang und die festliche Sprache schliessen, ohne arrogante Kritik und falsche Kommentare, aber mit Respekt, einen breiten, objektiven Vergleich zwischen dem Leben in Deutschland und Portugal ein, mit ihren tiefen Unterschieden in Umwelt und Sozialem, den Individualitäten in Denken sowie Handeln, indes auch massgeblichen Ähnlichkeiten für Pläne und Träume zum auswandern.

Diese Geschichte der beiden Ehepaare hat den illustren Titel »Auf der Suche nach dem portugiesischen Geschmack«.

Die Lyrikerin Florbela Espanca

Foto des Monuments für Florbela Espanca in Vila Viçosa · © Wikimedia Commons, GC.KER CACHE TEAM

Das Leben der portugiesischen Lyrikerin (1894–1930) noch mal neu entdeckt    von Catrin George Ponciano

> Die portugiesische Dichterin Florbela Espanca war zart wie ein Schmetterling und schön wie eine Nymphe. Sie war eine aufregende Exotin, ein lasziver Vamp, ein schutzbedürftiges Mädchen, die Ordensschwester Sehnsucht, eine blühende Blume, eine verwelkte Blüte, eine aufrichtig Trauernde, aber vor allem Liebende, Verliebte, Geliebte, Ungeliebte. All dies war Florbela, und mehr noch: Sie war die Athene der Moderne für die beginnende Emanzipation der weiblichen Literaturwelt ihrer Epoche, Leitfigur für die aufstrebende Emanzipationsbewegung Portugals. Sie war Minerva, die erste Frau Portugals, die Jura studiert hat, sie war aber ebenso Nyx und sank hinab in die innere Finsternis ihrer eigenen Melancholie. Niemand schaffte es, sich ihrer Aura zu entziehen. Und dafür wurde sie entweder geliebt oder beneidet. Eine sentimentale Balance existierte im Leben der Dichterin nie. Ihren eigenen Gefühlen ausgesetzt, strömten die ihrer Verehrer, ihres Bruders, ihrer wenigen Freunde auf sie ein und sorgten für eine unentwegte emotionale Eruption, die sie in ihrer poetisch zarten und gleichzeitig konsequent wirklichkeitsorientierten Dichtung aufblättert. 

Für jeden Lebensabschnitt schlägt Florbela ein eigenes Buch auf, das sie durchgehend Ich-bezogenen mit Sonetten füllt. Um ihrer inneren Aufruhr Herrin zu werden, führt Florbela rege Korrespondenzen und beschreibt darin im Rollenspiel ihre Auseinandersetzung mit dem Leben an sich, und gewährt über diesen literarischen Umweg intime Einblicke in ihre komplexe Persönlichkeit. »Die Welt will mich nicht, weil niemand solche Flügel hat wie ich …«, beschreibt sie die Schwierigkeit anderer, sich mit ihr und ihrer komplexen Persönlichkeit zurechtzufinden.

Als uneheliches Kind 1894 in Vila Visçosa im Alto Alentejo geboren, wächst Florbela gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Apeles bei ihrem leiblichen Vater und dessen Ehefrau auf, ohne dass der Vater die Tochter und den Sohn als seine Kinder legitimiert hat. Das Mädchen wächst abgelehnt vom eigenen Vater auf, und ungeliebt von der Stiefmutter. Florbelas natürliche Sehnsucht nach Innigkeit und Geborgenheit bleibt unerfüllt, und so schenkt sie ihre gesamte kindliche Zuneigung dem einzigen Menschen, der ihr wahrhaftig nahesteht: Apeles. Er ist ihr Bruder, ihr Freund, ersetzt den ­Vater und stellt später − bewusst oder unbewusst − ihren Wunschprinzen dar. Unzertrennlich, sind die Geschwister ihrem Schicksal vollkommen ergeben.  

Foto von Florbela Espanca

Florbela Espanca · © Wikimedia Commons

Florbela notiert ihre Gedanken über sich und ihre Familie in ein Tagebuch. Wortmalerisch wünscht sie sich eine ­andere Welt, für sich, für die kleinsten Lebewesen, die Kinder, die Bienen, die Vögel, die Fliegen. Pflanzen, Tiere. Der Himmel schenkt Florbela in ihrer Vorstellung die Geborgenheit, die ihr im echten Leben fehlt. Somit enden all ihre Gedichte traurig − sobald sie aus ihrem Ideenhimmelreich in den familiären Alltag zurückfällt. Außer Apeles ist Papier ihr einziger Freund. Bald verdichten sich die Verse, finden präzisiert in Metaphern formuliert Ausdruck für ihre Sehnsucht nach Akzeptanz ihrer selbst und nach einem liebevollen Heim. Letzteres versucht Florbela selbst aufzubauen, heiratet dreimal − und scheitert dreimal. Lieben will sie, nichts als lieben, der Liebe willen, schreibt sie, versucht Mutter zu werden und verliert zweimal die Frucht ihres Leibes.

Was ihre Stiefmutter und ihre echte Mutter versäumt haben, wollte Florbela besser machen, eigene Kinder, gezeugt in Liebe bekommen, sie bedingungslos lieben und hätscheln, kosen und beschützen. Ihr Scheitern war endgültig. Florbela flieht, zieht nach Lissabon, taucht ein in den literarischen Reigen um die aufstrebende Avantgarde, lernt Almeida Negreiros, Carlos Queiroz, Fernando Pessoa und andere Dichter der modernistischen Bewegung kennen. Sie lässt sich fallen in den Strom der Zeit, den gesellschaftlichen Rausch in der Welt der Intellektuellen, wählt Liebhaber, wechselt sie, kostet das Leben aus in allen Zügen bis an die Grenzen des Erträglichen − und darüber hinaus. Völlig verausgabt kehrt Florbela von ihren Eskapaden an den Schreibtisch zurück und lässt ihre Seele auf Papier lyrisch reflektiert neu auferstehen, und zwar in solch aufrichtig egozentrischer und gleichzeitig sinnlich poetischer Weise, dass man selbst heute, neunzig Jahre später, ihre Unruhe, ihre Schluchzer und ihr Getriebensein beim Lesen spürt.

Die nichts weiter vom Leben wollte, als sie selbst zu sein und als Florbela geliebt, anerkannt und verstanden, strauchelt, weil ihr all dies verwehrt bleibt. Niemand liebt sie als diejenige, die sie ist. »Niemand kenne sie wirklich«*, sagt sie in der Rolle eines Liebhabers, der über Florbela schreibt, obwohl natürlich in Wahrheit Florbela einzig, immer und ausschließlich über sich selbst schreibt. »Selbst ich kenne mich nicht.«, setzt sie hinzu.

Seelischen Beistand empfängt sie von Apeles, der ihr Bett mit Sternschnuppen bestreute, aber dann in einem Flugzeugabsturz den Tod findet. Hinter vorgehaltener Hand sagt man den Geschwistern eine mehr als platonische Beziehung nach und behauptet gar, Apeles hätte sich das Leben genommen. Florbelas Verlust kann nicht größer sein. Das Gewicht ihrer Seelenpein drückt sie nieder, bis sie sich mehr und mehr in den Rollen verliert, die sie sich von Salomé zur Maria-Theresa selbst andichtet, und keine mögliche Frauenfigur der Literatur auslässt, bis sie wirklich nicht mehr weiß, wer sie ist.

Nach dem Tod ihres Bruders 1927 fällt Florbela in sich zusammen, physisch und psychisch. In den nächsten drei Jahren bringt sie ihre Geschichtensammlung «As Máscaras do Destino»  zu Papier und zieht metaphysisch Bilanz über »das ersehnte Leben und sei es auch bloß ein stinkender Sumpf«*. Ihr Fazit lautet: »Du lebst, aber du kennst das Leben nicht.«* 

Zu ihrem 36. Geburtstag am 8.12.1930 lädt Florbela Gäste ein, eine Party sollte es keine sein − sondern ihr Abschied vom Leben.

*Zitate aus: »Der Rest ist Parfum«, Gesa ­Hasebrink, 1994, Verlag Beck & Glückler

HINWEIS

Die Schriftstellerin Catrin George Ponciano, Landesvertreterin der DPG am Algarve, und ihre Bühnenpartnerin, die Geschichtsforscherin Paula Villares Pires, haben die Initiative Buchstabenbühne – Letras no Palco ins Leben gerufen. Portugiesische Dichterinnen wie Florbela Espanca bringen sie in einem eigens erarbeiteten Programm, zweisprachig auf die Bühne, simultan portugiesisch/deutsch interpretiert, mit musikalischen Interludien begleitet von Portugiesischer Gitarre und zu Fado vertonten Florbela–Weisen. Die Premiere fand am 12.12.2020 statt im Kloster Convento de São José in Lagoa im Algarve, live und virtuell, hybrid zur gleichen Zeit. Bis auf weiteres geht die Buchstabenbühne virtuell tingeln unter dem Motto: Petiscar Poesia – Poesie in Häppchen, im Live Stream. Sobald wieder möglich, treten wir im Algarve, im Alentejo und in Lissabon auf. Buchungsanfragen für unser Programm mit Live–Musik-Begleitung bitte per E-Mail an: catringeorge@yahoo.de  

Weitere Infos auf: https://www.facebook.com/LetrasnoPalcoBuchstabenbuhne

Porto wartet auf uns

Foto eines Schiffes mit Portweinfässern an der Ribeira in Porto

DPG-Reise JETZT buchen! •  von Gabriele Baumgarten-Heinke

> Liebe Mitglieder, am 27. Oktober ist es soweit, wir gehen auf die Reise nach Porto. Freuen Sie sich gemeinsam mit mir auf Portugal, auf die Stadt Porto und auf ein Wiedersehen mit unseren Mitgliedern und Freunden! Lange genug mussten wir darauf warten und uns gedulden. OLIMAR Reisen bietet in Zusammenarbeit mit der Hanse Merkur eine Corona-Absicherung und damit die Möglichkeit, optimistisch zu bleiben und die Reise jetzt zu buchen. Darüber habe ich ausführlich mit Pascal Zahn von OLIMAR Reisen gesprochen. Lesen Sie weiter!

Selbstverständlich negiere ich nicht den Lockdown, der uns von Tag zu Tag mehr bedrückt. Viele Gespräche mit ­Mitgliedern haben mir die Ängste, die Verärgerungen, auch unterschiedliche Betrachtungsweisen, gezeigt. Etliche Mitglieder von uns sind finanziell sehr stark von den Folgen betroffen, den Tourismus hat die Corona-Krise tief erschüttert. Das alles macht sehr traurig und wütend zugleich. 

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb, liebe Mitglieder, wollen wir nach vorne schauen und mit Ihnen unsere DPG-­Pläne machen. 

Der Einsatz von Impfstoffen verbreitet im Tourismus einen vorsichtigen Optimismus auf das Reisejahr 2021. Die digitale ITB NOW 2021 hat einen starken Branchenzuspruch. 2.000 Aussteller aus allen Teilen der Welt haben sich für diese digitale Reisemesse angemeldet. 

Unsere Reise nach Porto in Zusammenarbeit mit OLIMAR Reisen ist geplant, alle Leistungen sind reserviert, man wartet auf uns. Wie können wir uns bei einer Buchung dennoch gut absichern? 

Ab dem 1.2.2021 bietet OLIMAR Reisen mit der OLIMAR-Flex-FEE  verlässlichen Service und Sicherheit mit flexiblen Stornierungs- und Umbuchungsmöglichkeiten. Für den Betrag von einmalig 30 € können Sie Ihre Reise bis 30 Tage vor Abreise kostenfrei umbuchen und/oder stornieren. 

Darüber hinaus ist bei Buchung einer Reiserücktrittskostenversicherung, die bei nachweislicher Erkrankung vor Reiseantritt in Kraft tritt, der erweiterte Corona-Schutz bei OLIMAR kostenfrei mitversichert! Der Corona-Schutz greift, wenn der Gast an Covid-19 erkrankt und daher seine Reise nicht antreten kann. Des Weiteren greift diese Versicherung auch bei einer Quarantäne im Heimat- oder im Urlaubsland und übernimmt die Kosten für vorzeitige Rückreise oder verlängerten Aufenthalt bei Quarantäne.

Ich denke, mit der Reiserücktrittskostenversicherung und der OLIMAR Flex Fee sind wir gut abgesichert und können uns zuversichtlich auf die Reise vorbereiten. Die Flüge können auch individuell oder später dazu gebucht werden. Das Programm und das Anmeldeformular zur »DPG Reise nach Porto 27.10.−31.10.2021« finden Sie hier: https://dpg.berlin/dpg-mitgliederversammlung-2021-in-porto/ NEUER ANMELDESCHLUSS ist am 21.5.2021! 

Wir stehen Ihnen für Fragen gern zur Verfügung und wünschen Ihnen Gesundheit: Bleiben Sie zuversichtlich! 

Die Legende vom Bolo Rei

Foto eines Bolo Rei

Portugiesische Volkstradition nach Infos von Lápis Mágico    von Ana Paula Goyke

> Der Bolo Rei, übersetzt Königskuchen, bekam seinen königlichen Namen auf Grund der Vielfalt an besonderen Zutaten. Einer portugiesischen Legende zufolge wird der Bolo Rei mit den drei heiligen Königen in Verbindung gebracht. 

Die Legende besagt, dass in einem fernen Land drei weise Männer lebten, die die Sterne und den Himmel betrachteten und studierten. Diese Weisen hießen Caspar, Melchior und Balthasar, denen die Tradition den Namen »die drei Heilige Könige« gab.

Eines Nachts, als sie den Himmel betrachteten, sahen sie einen neuen Stern, der sich über den Himmel bewegte und viel heller leuchtete als die anderen. Sie deuteten dies als eine Ankündigung, dass der Sohn Gottes geboren worden war. Entschlossen, ihm zu folgen, nahmen sie drei Geschenke mit: Weihrauch, Gold und Myrrhe, um den neugeborenen Messias damit zu beschenken. Als sie in der Stadt Bethlehem ankamen und bereits in der Nähe der Krippe waren, in der sich das Jesuskind befand, standen die Heiligen Drei Könige vor einem Dilemma: Wer von ihnen sollte zuerst seine Gabe überreichen dürfen? Diese Frage löste eine Diskussion unter den dreien aus.

Ein vorbeikommender Handwerker hörte sich das Gespräch an und schlug eine Lösung für das Problem vor, die alle zufrieden stellen würde. Er bat seine Frau, einen Kuchen zu backen und eine dicke Bohne in dem Teig zu verstecken. Derjenige, der diese fand, durfte seine Gabe als Erster überreichen.

Aber die Frau hat nicht nur einen einfachen Kuchen gebacken sondern einen Weg gefunden, die Geschenke, die die drei Männer dabei hatten, auf ihm darzustellen. Auf diese Weise backte sie einen Kuchen, dessen goldene Kruste das Gold, die kristallisierten Früchte die Myrrhe und der Streuzucker den Weihrauch symbolisierten.

Nachdem der Kuchen gebacken war, wurde er in drei Teile geteilt und derjenige der die Bohne erwischte, war tatsächlich der erste, der dem Jesuskind die Gaben darbrachte.

Der Königskuchen ist der Kuchen, den man traditionell zu Weihnachten in Portugal verspeist, sein Ursprung hat allerdings verschiedene Einflüsse. Die Idee eines Kuchens mit kristallisierten Früchten soll am Hof von König Ludwig XIV. in Frankreich entstanden sein, und sich mit der Zeit auch im restlichen Europa verbreitet haben. Nach der Ankunft in Portugal wurde das Rezept angepasst, erhielt die Form einer Krone, so wie sie heute zu kaufen ist, und wurde mit der Weihnachtszeit in Verbindung gebracht. Die Einführung der Fava (Bohne) stammt aus der Zeit der Römer, bei denen es bei den Festlichkeiten üblich war, den »König des Festes« zu küren, indem man eine Bohne in einen Kuchen steckte.

Königin Maria I. – Gefangene von Queluz und Rio

Foto eines Retratos da Rainha D. Maria I

Andreas Lausen über die erste wirkliche Herrscherin auf dem portugiesischen Thron (1734–1816)

> Sie war die erste Frau, die in Portugal herrschte. Zwar gab es immer schon mächtige Königinnen auf Portugals Thron, aber sie waren ihrem königlichen Gemahl nominell untergeordnet. Um das traumatische Erlebnis eines fehlenden Thronfolgers zu bannen, hatten sich König José I. und die Cortes als die Vertretung von Adel, Klerus und Bürgertum verständigt, dass mangels männlichem Erben Josés Tochter Maria Francisca die erste Königin werden ­sollte. 

 José hatte weder Lust noch Begabung zum Regieren und daher die Geschäfte weitgehend seinem tüchtigen Premierminister Marques de Pombal überlassen. Vorsorglich hatte er seinen Bruder Pedro mit seiner Tochter Maria Francisca verheiratet (1760), der ihr bei der Regierung als Rei Consorte behilflich sein sollte. 

1777 starb der ängstliche, von der Erdbebenkatastrophe (1755) tief traumatisierte José. Seine Tochter trat als Maria I. die Herrschaft an. Schon wenige Tage später setzte sie den allmächtigen, erfolgreichen Diktator Pombal ab und verbannte ihn auf sein Landgut bei Leiria. Sie konnte ihm nicht vergeben, dass er 1759 ihre Freunde, die Adelsfamilie Távora, nach einem nie geklärten Attentat auf ihren Vater, König José I., auf den Scheiterhaufen geschickt hatte.  

Marias Regierung war anfangs von Reformen geprägt. Sie befreite die politischen Gefangenen, die Pombal eingekerkert hatte. Sie verfolgte eine Neutralitäts- und Friedenspolitik, schloss Frieden mit Spanien und schob die Industrialisierung Portugals an. 30 Jahre lang hatte Portugal mehr Exporte als Einfuhren zu verbuchen und die Staatskasse füllte sich. Maria machte den kirchenfeindlichen Kurs Pombals rückgängig. Auch auf sozialem Gebiet wurde sie aktiv. Sie gründete die ersten staatlichen Waisenhäuser in Portugal (Casa Pia) und bewilligte ihnen die nötigen Gelder.

Mächtigster Mann im Königreich war jedoch nicht ihr Ehemann, der auf Marias Weisung als Pedro III. in der Reihe der portugiesischen Könige mitzählte, sondern der Polizeichef Diogo Pina Manique, der mit seinem Geheimdienst über alle kritischen Geister im Land Bescheid wusste. Er hatte auch auf die Anhänger der Französischen Revolution (ab 1789) aufzupassen, die auf Reformen oder gar Umsturz in Portugal aus waren. Maria gewährte Flüchtlingen aus Frankreichs Adel und Klerus großzügig Asyl. Gern hätte sie auch die französische Königin Marie-Antoinette aufgenommen, die aber nicht aus dem revolutionären Frankreich flüchten konnte. So starb Marias Verwandte auf dem Schafott.

Ihr privates Leben war von Unglück überschattet. Drei ihrer sechs Kinder starben als Kleinkind, zwei weitere in jungen Jahren. Ihr königlicher Gemahl und Onkel Pedro III. starb 1786. Unterdessen steigerte sich Marias tiefe Religiosität immer mehr in wahnhafte Zustände. Der Hof holte 1788 den englischen Psychiater Dr. Francis Willis zur Begutachtung ihres Zustands. Mentalmente instável lautete sein striktes Urteil. Ihr Sohn João VI. wurde 1792 zum Regenten ernannt, aber Maria behielt die Königswürde und zeremonielle Aufgaben.

Im heiteren Rokoko-Schloss von Que­luz wurde sie praktisch eingesperrt. Der verspielte pastellfarbene Palast passte so gar nicht zu der düsteren, verzweifelten Königin, die sich überall von Teufeln und Heiligen bedrängt fühlte. Ihr Vater, der Pombal die Verfolgung der Jesuiten erlaubte, müsse dafür in der Hölle ewige Qualen erleiden, war Maria überzeugt. Ihre gellenden Schreie gingen den seltenen Besuchern durch Mark und Bein. 

1807 folgte der letzte Akt in diesem Trauerspiel. Napoleons Truppen waren im Vormarsch auf das mit den Briten verbündete Portugal. Der Hof beschloss, mit tausenden Hofbeamten, Dienern, Soldaten, einem kompletten Symphonieorchester, Schauspielern und Künstlern nach Brasilien zu flüchten. In einem lichten Moment fuhr die Königin ihren Kutscher auf dem Weg zum Hafen an: »Nicht so schnell, die Leute könnten sonst denken, wir fliehen!«

In der neuen Hauptstadt Rio ließen ihre Höflinge sie nicht allein aus dem Palast. Sie war immer in Begleitung von zahlreichen Hofdamen und Betreuerinnen. «Maria-vai-com-as-outras» wurde zum redensartlichen Synonym für eine schwache, unselbständige Person. 

Dieser Abschnitt der portugiesischen Geschichte hätte etwas Einmaliges sein können: ein weltumspannendes Reich, das von einer Kolonie aus gleichberechtigt regiert wurde. Aber dafür wäre eine gesunde, zielstrebige und aufgeklärte Monarchin nötig gewesen. So blieb es nur bei dem schönen Namen Reino Unido de Portugal, Brasil e Algarves, aus dem Brasilien schon 1822 ausschied. Die anderen Kolonien mussten auf die Unabhängigkeit bis 1974/75 warten.   

1816 starb Portugals erste Königin mit 81 Jahren im Convento do Carmo in Rio. Sie wurde 1821 in der von ihr beauftragten Basílica de Estrêla in Lissabon beigesetzt.

Mit Beginn der Invasionen Napoleons hatten die Briten das Zepter in Portugal übernommen. Sie bestimmten im Militär, in der Wirtschaft und in der Politik. Portugals mächtige Marine war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ganz schleichend war die Macht von den Braganças an Marschall William Beresford über­gegangen. 

Madeira und Corona

Foto vom Neujahrsfeuerwerk in Funchal (Madeira) 2020/2021

Reisen in ungewöhnlichen Zeiten (13.12.2020–17.1.2021)    von Gunthard Lichtenberg

> Dieser stark gekürzte Reisebericht basiert auf Tagebuch-­Ein­tragun­gen während unserer Reise nach Madeira vom 15.12.2020 bis zum 17.1.2021 − mit aktuellen Ergänzungen.

Sindelfingen, den 6. Februar 2021     

Bereits um Neujahr 2020 haben wir die Flüge für das Jahresende nach Funchal gebucht und die Zusage von unserem Vermieter »Tony« erhalten, dass wir das Apartment im Annex des «Fórum Madeira» auch ein weiteres Mal haben können − für fünf Wochen. Und es klappt dank der Regionalregierung, die bereits Anfang August (!) das Notwendige in Gang setzt, wodurch die Inzidenz-Zahlen bei ­unserer Ankunft am 13.12. deutlich unter den ominösen 50 liegen.   

Sonntag, 13. Dezember 2020

DER FLUG: Was wir schon im Warte­bereich des Stuttgarter Flughafens befürchten, tritt ein: Das TUIfly-Flugzeug ist bis auf den letzten Platz gebucht! Bei den deutschen Reisebüros hat es sich offensichtlich herumgesprochen, dass Madeira eine »sichere« Destination ist. 

FLUGHAFEN FUNCHAL: Auf Madeira herrscht seit Anfang August strikte Maskenpflicht., der Mindestabstand beträgt zwei Meter, was am Gepäckband durch deutliche Markierungen sichtbar ist − anders als in deutschen Flughäfen. Nach kurzer Zeit kommen unsere Koffer, und am Gepäckband geht es dank der Abstandsmarkierung zivilisiert zu. Wir holen Unterlagen und Schlüssel für unseren Mietwagen, was relativ lange dauert (30 Minuten). Inzwischen ist die Warteschlange zum Corona-Test geschrumpft, und wir kommen zu einer junge Dame, die versucht, die Daten abzurufen, die wir vor unserem Abflug unter https://madeirasafe.com/#/login eingegeben haben. Da das nicht klappt, geben wir ganz konventionell unsere Namen und Mobil-­Telefonnummern an. Wir bekommen ­einen Abschnitt mit Barcode und weitere drei, die wir bei der Fachkraft abgeben, die dann den Abstrich vornimmt. Das ist schnell erledigt, zweimal in der Nase und einmal im Rachen: Es tut nicht weh, ist allerdings unangenehm − weil ungewohnt.

Wir halten uns streng an die Quarantäne-Vorschrift: Nicht aus dem Haus gehen, bis der negative Testbescheid eintrifft, was sieben Stunden später per E-Mail der Fall ist. Nun können wir uns auch draußen frei bewegen − immer mit Maske.

    

Montag, 14. Dezember 2020

Vormittags: Einkauf im Supermarkt «Continente» des «Madeira Shopping»-­Zentrums. Wir kaufen für den ersten größeren Bedarf ein und stellen fest, wie preiswert viele Artikel in Portugal sind, selbst auf Madeira. Ein Einkauf von ­etwas über 70 Euro, der bei uns zu Hause deutlich über 100 Euro gekostet hätte.

Mittagessen im Buffet-Restaurant des Supermarkts «Pingo Doce», direkt nebenan im Fórum Madeira. Leider erst um circa 13 Uhr mit etwas Gedränge.

Foto vom Weihnachts-Leuchtbaum in Funchal 2020/2021

Weihnachts-Leuchtbaum in Funchal 2020/2021 · © Gunthard Lichtenberg

Später am Nachmittag fahren wir ins Zentrum von Funchal, parken im «La Vie» und laufen die uns bekannten Straßen entlang. Es gibt nur wenige TouristInnen, und alles ist deutlich ruhiger als in vergangenen Jahren um diese Zeit. Immerhin, die kleine Show des «Bolo do Caco» läuft. Es gibt einige wenige Stände des «Mercadinho de Natal» an der Avenida Arriaga, aber der Poncha-Stand gegenüber dem «Golden Gate»-Restaurant ist leider nicht da. Schade, denn dort konnte man immer erleben, wie der Saft ­direkt aus den Zuckerstauden gepresst und anschließend serviert wird.

Immerhin, eine Weihnachtskrippe mit lebensgroßen Figuren ist wieder aufgebaut. Allerdings ist die Landschaft ringsherum nicht so üppig ausgestattet wie in vergangenen Jahren. Dafür ist wieder eine wahre Hügel-Landschaft in dem kleinen Musterdorf an der Avenida Arriaga aufgebaut. Wir laufen an der Sé vorbei bis zum «Mercado dos Lavradores». Im Markt herrscht gähnende Leere. Nun, es ist später Nachmittag und nicht die Zeit, um  Einkäufe zu tätigen. Außerdem fehlen die TouristInnen.

Dienstag, 15. Dezember 2020

Nachmittags geht’s zum Flughafen, um unseren Enkel Christoph und seine Partnerin Nadine abzuholen. Wir verhandeln erfolgreich mit dem Wachmann, dass er uns in den Ankunftsbereich bei den Mietwagenschaltern reinlässt, damit wir die beiden gleich am Ausgang nach der Gepäckabholung empfangen können − in Deutschland undenkbar. 

Abends fahren wir zu einem unserer Lieblingsrestaurants, dem «Madeira Flavours» gegenüber dem «Hotel Reid’s» an der Estrada Monumental. 

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Funchal: Wir fahren also wieder zum «La Vie» und laufen die üblichen Wege in die Stadtmitte, schauen im Bazar do Povo vorbei und kaufen einen Schraubendreher, um die derangierte Tür des Kühlschranks im Apartment nachzujustieren.  

Dann kaufen wir im «Mercado dos Lavradores» Bananen und Kaki und nehmen die Fischhalle in Augenschein. 

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Foto: Über den Wolken am Pico do Areeiro

Über den Wolken am Pico do Areeiro · © Gunthard Lichtenberg

AUSFLUG ZUM PICO DO AREEIRO: Ganz oben hängen am Morgen zwar einzelne Wolken, aber wir fahren nach dem Frühstück mutig los. Immer bergauf, bis wir uns plötzlich im Hochnebel wiederfinden. Umkehren wollen wir nicht, denn vielleicht scheint ja ganz oben bereits die Sonne … Wir durchstoßen tatsächlich die Wolkenbank und genießen schönsten Sonnenschein. Wirklich warm ist es allerdings nicht. Wir steigen vom Parkplatz aus hinauf, genießen die Aussicht, die allerdings durch die Wolkenbänke hier und da nach unten begrenzt ist.  

Zu Mittag essen wir in dem kleinen Restaurant knapp unterhalb des Gipfels. Dann fahren wir durch die Wolken hindurch zurück − die Dicke hat merklich abgenommen − und erreichen das sonnige Funchal. Eine wunderschöne Fahrt, Christoph und Nadine haben begonnen, sich in Madeira zu verlieben.

Freitag, 18. Dezember 2020

Heute gehen Christoph und Nadine die Levadas entlang: «25 Fontes» und «Levada do Risco» bei Rabaçal. Sie sind sehr angetan, aber nach der Rückkehr von ihrer Wanderung auch ziemlich müde.

Wir selbst kaufen im «Pingo Doce» nebenan Lebensmittel ein. Am Eingang  steht ein Wachmann: Mit einem Temperaturfühler wird am Puls der Kunden gemessen und anschließend Desinfektionsmittel auf die Hände gesprüht. Wenn schon »zu viele« Menschen im Supermarkt sind, müssen die neuen Kunden warten. Wir werden noch− vor allem vor den Feiertagen − lange Warteschlangen sehen.   

Samstag, 19. Dezember 2020

Da die Grotten in São Vicente leider geschlossen sind, fahren wir weiter durch Tunnel und offene Strecken und erreichen schließlich Porto Moniz. Es liegt  »verlassen« da. Wir bummeln über die Uferpromenade in Richtung der Meerwasser-Schwimmbecken. Die starke Brandung haben wir so noch nicht  erlebt: der Atlantik in seiner spektakulären Form! Im nahen Souvenir-Laden machen wir ein paar Einkäufe: Postkarten, ein Kleidchen und kleine Schuhe für Fabians und Annikas Tochter, die ja nun bald das Licht der Welt erblicken soll.

Zurück fahren wir die Küste entlang  zum Leuchtturm am «Ponta do Pargo». Wir genießen die schöne Strecke, machen am Farol einen längeren Halt, und vermissen ein Café. In Funchal zurück lesen wir, dass die 7-Tage-Inzidenz mittlerweile auf über 60 gestiegen ist.

Sonntag, 20. Dezember 2020

Heute bleiben wir in Funchal und zeigen Christoph und Nadine die Weihnachtsbeleuchtung. Wir essen alle «Bolo do Caco», die madeirische Spezialität, deren Fans Christoph und Nadine geworden sind. 7-Tages-Inzidenz jetzt auf 65.

Dienstag, 22. Dezember 2020

Bevor Christoph und Nadine abreisen, besuch wir noch einmal den Mercado dos Lavradores, wo sich die beiden mit Madeira-Spezifischem eindecken. Nach dem Abschieds-Essen im «Madeira Flavours» fahren wir zurück zum Apartment, wo die beiden ihre Koffer packen und wir gemeinsam zum Flughafen aufbrechen.

Sie haben einen angenehmen Flug und sind kurz nach Mitternacht wieder zu Hause. Keine Quarantäne, die Behörden in Deutschland haben Madeira − im Unterschied zum Festland − noch nicht als Risikogebiet eingestuft.

Freitag, 25. Dezember 2020

Ein völlig verregneter Weihnachtstag. Nach dem Mittagessen fahren wir mal kurz in das menschenleere Funchal. 

Sonntag, 27. Dezember 2020

Wir machen einen Ausflug nach Jardim do Mar und fahren gleich hinunter nach Portinho, das wir von unserem letzten Aufenthalt her kennen. Da es auf die Mittagszeit zugeht, kehren wir in einem kleinen Restaurant ein, um eine leckere mehrstöckige Torrada mit Spiegel­ei zu essen. Wir laufen bei schönstem, sonnigem Wetter die Promenade entlang und sind vom Wellengang beeindruckt.

Dienstag, 29. Dezember 2020  

Wir gehen heute zu Bruno, dem »deutschen« Bäcker an der nahe gelegenen Ponta da Cruz. Bruno ist in Wirklichkeit Portugiese, hat aber lange in Deutschland gelebt. Wir kaufen ein körniges Brot, ein paar Brötchen dürfen auch noch mit. 

Dann geht’s ins Zentrum von Funchal, wo wir in der Avenida Arriaga den kleinen Weihnachtsmarkt besuchen. Wir kaufen einen Bolo de Caco mit Schinken und Käse, den wir an der Hafenmole verzehren, etwas im Schatten, da die Sonnenstrahlen heute ziemlich heiß sind.

Mittwoch, 30. Dezember 2020

Foto von Ponta do Sol (Madeira)

Uferstraße in Ponta do Sol (Madeira) · © Gunthard Lichtenberg

Unser heutiger Ausflug führt uns in den Küstenort Ponta do Sol. An der kleinen Uferpromenade fällt eine große Krippen-Installation auf. Wir gehen den Hügel im Ort nach oben, entdecken in der Ortsmitte neben der «Casa do Povo» ein Kulturzentrum, das nach dem weltweit bekannten Sohn dieser Stadt, John dos Passos, benannt ist, dem Autor des bekannten Romans «Manhattan Transfer». Wir schauen uns im Erdgeschoss die Ausstellung über die zu verschiedenen Zeiten verwendeten Kopfbedeckungen der Männer und Frauen von Madeira an. Dann steigen wir am Ostende der Uferstraße hinauf an die Kaianlage, trinken in dem Café oben mit Aussicht auf Stadt und Strand unsere Bica cheia, und saugen die Meeresluft ein.

Donnerstag, 31. Dezember 2020

Kurz nach 23 Uhr brechen wir dann auf, wollen zum Miradouro da Nazaré fahren, um uns das Neujahrs-Feuerwerk anzusehen, das die Stadtverwaltung mitnichten abgesagt hat. 

Viele PortugiesInnen (TouristInnen sieht man praktisch nicht) haben es sich bequem gemacht und Decken mitgebracht, ihre «Merenda» verzehrt, freuen sich nun auf das Spektakel und stoßen schon einmal auf das neue Jahr an.  

Dann, Schlag Mitternacht, wird unter dem Jubel der Menge das Feuerwerk gezündet. Unter lautem Donner füllt sich die Luft mit Rauch, der hinaus auf den Ozean zieht. Nach acht Minuten ist alles vorbei: Das Feuerwerk wird mit einem letzten, großen dumpfen Knall beendet. Wir brechen nach kurzer Pause auf, fahren nach Hause und freuen uns auf ein besseres Jahr 2021 …

Freitag, 1. Januar 2021

Am Abend besuchen wir das Neujahrskonzert mit dem Symphonie-Orchester von Madeira. Wir haben im Vorverkauf Sitze  im Parkett ergattert, andere waren nicht zu haben. Beginn ist um 21 Uhr. Auch wenn der Saal zu höchstens 15% belegt ist, legen sich die Orchestermusiker − der Dirigent sowieso – mächtig ins Zeug und wirken hochmotiviert. Dadurch kommt eine gute Stimmung auf. Wir sind froh, dass wir dieses Konzert gebucht haben.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Heute morgen sind wir noch ziemlich »erschlagen« von dem, was wir letzte Nacht auf CNN gesehen haben: die unwürdige Erstürmung und zeitweise Besetzung des Kapitols in Washington DC. Eine Bewertung erspare ich mir an dieser Stelle.

Samstag, 9. Januar 2021

Seit heute nun gilt die Reisewarnung von RKI und AA auch für Madeira. Gestern kam die Nachricht per E-Mail: Wir sind auf dem Verteiler des AA für Portugal. Das war zu erwarten, die Inzidenz liegt seit ziemlich längerem deutlich über 50, eher bei oder etwas über 100. 

Von Tony, unserem Vermieter, wissen wir, dass ab heute an Wochenenden eine Ausgangssperre ab 18 Uhr gilt. Das ist sicher der Versuch, die bisherige weitere Ausbreitung des Virus durch Verhinderung von Partys zurückzufahren. Da die EngländerInnen in diesem Jahr aus bekannten Gründen ausgeblieben sind, ist davon auszugehen, dass der Anstieg der Fallzahlen hausgemacht ist.

Die kurze Zeit guten Wetters ab 11 Uhr nutzen wir zu einem Spaziergang an der Praia Formosa. Das ist sehr schön, und nur sehr wenige Leute sind unterwegs. Auf der Promenade müssen wir natürlich immer mal Entgegenkommenden oder Überholenden ausweichen, insbesondere wenn sie keine Masken tragen. Es hält sich jedoch in Grenzen und ist genauso, wie wir es aus Deutschland kennen.

Montag, 11. Januar 2021

Ein Besuch auf Madeira ohne dem Cabo Girão einen Besuch abzustatten, das geht eigentlich nicht. Also fahren wir hoch, doch dort, wo sich normalerweise die Menschen drängen, sind fast keine BesucherInnen. Das Café ist leer, im Souvenir-Laden gerade mal ein Interessent.Auch ganz vorne auf der spektakulären Aussichtsplattform ist nur eine kleine Gruppe aus Brasilien. Wir genießen den Ausblick.

Für den nächsten Besuch nehmen wir uns vor, mit der wohl etwas halsbrecherischen Seilbahn hinunter zur Fajã dos Padres zu fahren. Diese Fajã ist nur über die Seilbahn oder von der See aus erreichbar.

Dienstag, 12. Januar 2021

Heute steht «Engenhos da Calheta» im gleichnamigen Ort auf dem Programm. Es geht um Maschinen der Zuckerrohr-­Fabrik, in der Zuckerrohr unter anderem zu Rum, Poncha und Melasse verarbeitet wird. Es geht um teilweise mehr als hundert Jahre alte Maschinen − Kompressoren, Pumpen usw., alle solide gebaut, jetzt aber trotzdem ins Museum ausgemustert. Wir erfahren die Einzelheiten der Zuckerrohr-Verarbeitung und decken uns im Fabrikladen mit Mitbringseln ein: Poncha natürlich und Honigkuchen, der hier nicht aus Honig, sondern mit Melasse gemacht wird.

Danach gehen wir noch an den Strand, um die Füße ins Wasser zu halten.

Mittwoch, 13. Januar 2021  

In der Stadtmitte, an der Praça Colombo liegt das «Museu do Açúcar». Es ist klein, aber fein, der Eintritt ist gratis und  die Ausstellungen sehr interessant: über  Ausgrabungen in Funchal, die Geschichte von Funchal, die Bedeutung des Zuckerrohrs mit vielen Schau-/Texttafeln und Exponaten der Ausgrabungen. 

Beim Hinausgehen bekommen wir noch einige Kleinigkeiten mit, darunter ein schönes Büchlein über architektonische Kostbarkeiten in Funchal. 

Den Sonnenuntergang genießen wir wieder an der Praia Formosa.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Wir gehen an der Uferpromenade bei der Ponta da Cruz spazieren, wo uns nur eine Handvoll Einheimische begegnen. Nachmittags an der Marina genehmigen wir uns angesichts des sehr warmen Wetters ein Eis.

Freitag, 15. Januar 2021

Da in Deutschland die Friseur-Salons noch geschlossen haben, lassen wir uns die Haare schneiden. Wer weiß, wann das in Deutschland wieder möglich ist …

Frisch frisiert gehen wir am Nachmittag an der Praia Formosa spazieren. Wir brauchen einfach das Meer und seinen Geruch. Deswegen sind wir ja hier! 

Wir beobachten, dass sich immer weniger PortugiesInnen an die gültigen Vorschrif­ten halten. Inzwischen aber hat die Regional-Regierung eine Ausgangssperre verfügt, die werktags ab 19 Uhr, samstags und sonntags ab 18 Uhr gilt. 

Von unserem Apartment beobachten wir, dass die Polizei die Einhaltung der Ausgangssperre genau kontrolliert.

Samstag, 16. Januar 2021

Pack-Tag. Wir nehmen von Funchal auf dem nahen Pico dos Barcelos Abschied. «Até à próxima»! 

Sonntag, 17. Januar 2021  

Zum Glück ist der Rückflug nicht ausgebucht, auch der Mittelsitz bleibt frei. Bei der Ankunft im winterlichen Stuttgart parkt das Flugzeug draußen. Nach und nach steigen immer mehr Passagiere in den Zubringer-Bus, bis er rappelvoll ist: Keine Rede mehr von Abstandsregeln! Am Gepäckband ist die Disziplin ganz gut. Beim Gang durch den Zoll wird keine Temperatur gemessen. Wir fragen den Zollbeamten, wohin wir uns zum Corona-­Testzentrum wenden müssen: »Da brauchen Sie erst gar nicht hinzugehen, das geht nur mit Voranmeldung.«

Wir machen − beraten durch das örtliche Gesundheitsamt − unseren Corona-­Schnelltest am Tag nach der Ankunft, und erfahren am nächsten Tag von eben diesem Gesundheitsamt, dass wir zum Verkürzen der Quarantäne noch einen zweiten Schnelltest nach fünf Tagen bräuchten. Wir beschließen, die zehn Tage Quarantäne »auszusitzen«.

Nachtrag

Der obige Bericht ist kein Reiseführer für Madeira. Wer sich umfassend auf eine Reise nach Madeira vorbereiten möchte, der sei auf die einschlägigen gedruckten Reiseführer verwiesen.

Für diejenigen, die gerne digital unterwegs sind, sei die «Go VISTA»-App empfohlen, dort kann man einen informativen Madeira-Reiseführer für das Smartphone herunterladen.

Für Dezember/Januar 2022 haben wir wieder eine Reise nach Madeira gebucht.