Bento de Jesus Caraça: Aus Fehlern lernen

Foto des Sockels der Statue von Bento de Jesus Caraça»Wenn ich keine Angst vor Fehlern habe, dann deshalb, weil ich immer bereit bin, sie zu korrigieren.« · Foto: © Gunthard Lichtenberg

Über das Leben des Mathematik-Professors Bento de Jesus Caraça (1901–1948)    von Gunthard Lichtenberg

> VORWORT
Beim Durchsehen meiner Bilder von unserem Aufenthalt in Vila Viçosa fällt mir das Bild mit dem Spruch auf dem Sockel auf: »Wenn ich keine Angst vor Fehlern habe, dann deshalb, weil ich immer bereit bin, sie zu korrigieren.« Eine ähnliche Lebensregel haben mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben. 

Ich werde also neugierig, und in solchen Fällen recherchiert man heutzutage im Internet. Was ich dann auch tue und innerhalb kurzer Zeit auf die Webseite https://www.epbjc-porto.net/bjc/vida.html stoße. Eine Fundgrube! Die Webseite stammt von der Escola Profissional Bento de Jesus Caraça, Porto; sie kann nach Abschluss der 9. Klasse besucht werden und vermittelt berufsbezogene Kenntnisse und weiteren Stoff der oberen Klassen der Höheren Schulen.

Nach dem Lesen der Vita von Professor Caraça möchte ich Ihnen diesen bemerkenswerten Mann vorstellen. Also kontaktiere ich die EPBJC in Porto und hole mir die Genehmigung, die Materialien aus dem Internet zu nutzen. An dieser Stelle gilt mein Dank der Leitung des Instituts. Wer einigermaßen im Portugiesischen firm ist, sollte die oben angegebene Webseite studieren. Alle anderen finden hier meinen Versuch einer Übersetzung der Vita dieses Gelehrten.

VITA VON BENTO DE JESUS CARAÇA
Bento de Jesus Caraça wird am 18. April 1901 in Vila Viçosa geboren. Mit nicht einmal zwei Monaten zieht er mit seinen Eltern, ihres Zeichens LandarbeiterInnen, in ein Dorf bei Redondo (zwischen Vila Viçosa und Évora), wo sein Vater Arbeit als Aufseher im Landgut Herdade da Casa Branca findet.

In Redondo verbringt er seine Kindheit. Schon früh ist er besonders gelehrig, wodurch er die Aufmerksamkeit der Eigentümerin des Landguts, Dona Jerónima,  auf sich zieht. Selbst kinderlos und von diesem Kind fasziniert, schlägt sie vor, die Kosten seiner Erziehung zu übernehmen, dem die Eltern, João Caraça und Domingas Espadinha, gerne zustimmen.

Die Grundschule besucht Bento de Jesus Caraça in Vila Viçosa, die Sekundarschule im Liceu Sá da Bandeira in Santarém. Im Alter von 13 Jahren kommt er nach Lissabon, um im angesehenen Liceu Pedro Nunes weiter zu lernen, wo er seine Zeit 1918 mit Auszeichnung abschließt.

Im gleichen Jahr immatrikuliert er sich im Instituto Superior do Comércio (Höhere Anstalt des Wirtschaftswissenschaften), dem heutigen Instituto Superior de Economia e Gestão (Höhere Anstalt für Wirtschaftswissenschaften und Management). Sein akademischer Werdegang beginnt aufzufallen. Bereits ein Jahr später wird er zweiter Assistent von Professor Mira Fernandes (1884−1958; Professur von 1911 bis 1954). 1924 wird er 1. Assistent und 1927 Außerordentlicher Professor.

Foto der von Statue Bento de Jesus Caraça in Vila Viçosa, Portugal

Statue in Gedenken an Bento de Jesus Caraça in Vila Viçosa, Portugal · Foto: © Gunthard Lichtenberg

1929 wird er schließlich Ordentlicher Professor und erhält den Lehrstuhl für «Matemáticas Superiores» (Höhere Mathematik): Höhere Algebra, Grundlagen der Infinitesimal-Algebra und der Analytischen Geometrie.

Bento de Jesus Caraça hat großen Erfolg als Professor. Rigoros und fordernd gewinnt er Studenten von anderen Instituten, die zu seinen Vorlesungen kommen und für deren Menge die vorhandenen Hörsäle bald zu klein werden.

Die Lehre der Mathematik gewinnt unter ihm an Bedeutung und nähert sich mehr dem Konkreten und Alltäglichen.

Seine Arbeit beschränkt sich nicht auf die Lehre. Er ist Mitglied des Núcleo de Matemática, Física e Química (1936−1939), gründet das Centro de Estudos de Matemática Aplicadas à Economia (Zentrum für Angewandte Wirtschaftsmathematik), und die Gazeta da Matemática (Zeitschrift für Mathematik, erscheint seit 1940 zweimal jährlich). Außerdem wird er Vorsitzender der «Sociedade Portuguesa de Matemática/SPM» (Portugiesische Mathematik-Gesellschaft, gegründet 1940, von der damaligen Regierung Salazar/Caetano nicht anerkannt, offiziell eingetragen erst am 10. Oktober 1977). 

Foto von Bento de Jesus Caraça

Bento de Jesus Caraça · Foto: © Escola Profissional Bento de Jesus Caraça, Porto

Internationale Anerkennung findet er als Delegierter der SPM zu den Kongressen der «Associação Luso-Espanhola para o Progresso das Ciências» (Spanisch-Portugiesischer Verband zum Fortschritt der Naturwissenschaften) in den Jahren 1942, 1944 und 1946. 

Kultur ist eine der großen Leidenschaften von Bento de Jesus Caraça, die Kultur, die sich alle zu eigen machen sollten, um Freiheit zu erringen. In der Universidade Popular (Volkshochschule), der er auch angehört, referiert er auf der berühmten Konferenz A Cultura Integral do Indivíduo − Problema Central do nosso Tempo (Integrale Kultur des Einzelnen − Zentrales Problem unserer Zeit, 1939) zu deren Thema. Der gleichen Zielsetzung dient seine Mitarbeit an Zeitschriften wie Seara Nova, Técnica, Vértice und anderen Veröffentlichungen wie O Diabo, Liberdade oder das Jornal Globo, das von ihm gegründet aber bedauerlicherweise von der Zensur verboten wird.

Ausgehend von seiner Sicht auf die Kultur als ein Erwachen der Seelen, gründet er die Biblioteca Cosmos  (1), die Hunderte von Büchern zu Wissenschaftsthemen herausgab mit dem Ziel der Weitergabe wissenschaftliches Erkenntnisse. Auch arbeitet er aktiv an der Wieder-belebung der Volkshochschule, die durch die ständige Beobachtung der Zensur geschwächt ist, und wird Vorsitzender des Verwaltungsrats dieser Einrichtung (2).

Foto von Bento de Jesus Caraça

Bento de Jesus Caraça · Foto: © Escola Profissional Bento de Jesus Caraça, Porto

Als Verteidiger der Freiheit, die zu -seiner Zeit in Portugal nicht existiert, interessiert er sich auch für die Frauenfrage und fördert die Teilhabe von Frauen in der Gesellschaft. Als sich im Jahr 1943 13 junge Frauen im ISCEF, dem Instituto Superior de Económicas e Financeiras (Hochschul-Institut für Wirtschaft und Finanzen) einschreiben, unterstützt er, nachdem die Koedukation vom Regime verboten wird, den Kultur-Nukleus, der von diesen jungen Frauen gegründet worden war. Er ist bei allen Vorträgen anwesend und verließ diese nicht, ohne vorher mit den Rednerinnen seine Eindrücke ausgetauscht zu haben. Im Bewusstsein der Welt, die ihn umgibt, -engagiert er sich mit anderen portugiesischen Intellektuellen im Kampf für Freiheit und Frieden. In Zeiten der Entbehrungen, internen Krisen und latenter Unzufriedenheit unterstützt er verschiedene Geheim-Organisationen.

Seine Rolle als politischer Vorkämpfer wird sichtbar durch seine Teilnahme an der Gründung des Movimento de Unidade Democrática (MUD), der Bewegung der Demokratischen Einheit, nach Ende des II. Weltkriegs im Oktober 1945. Die Bewegung hat zum Ziel, die opositionellen Kräfte gegen das Regime von Salazar zu bündeln, um sie auf die Wahlen vorzubereiten und das breite Pu-blikum zu einer Debatte über die Fragen der Wahlbedingungen zu ermutigen. Die Bewegung hat einen großen Zulauf, vor allem seitens liberal eingestellter Politiker und Berufstätiger, so dass das Regime sie nach kurzer Zeit als Bedrohung empfindet und dafür sorgt, dass sie, unter dem Vorwand der Nähe zur Kommunistischen Partei Portugals, als ungesetzlich eingestuft und damit verboten wird. In der Folge werden viele Mitglieder verfolgt und verhaftet, so auch Bento de Jesus Caraça.

Bento reist gerne innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen und fühlt sich in der freien Natur verbunden – sowohl alleine oder mit Freunden.

Obwohl er früh nach Lissabon geht unterstützt er stets seine Eltern und kauft ihnen ein Haus, nachdem sie am Ende vieler Jahre aufgehört haben, für die Herdade da Casa Branca zu arbeiten. Auch seinen Neffen João unterstützt er und sorgt dafür, dass er nach Lissabon kommt, um der ansonsten sicheren Zukunft als Landarbeiter zu entgehen.

Im Dezember 1926 heiratet er Maria Octávia, Tochter des Mathematikprofessors des Liceu Pedro Nunes, Adolfo Sena. Seine Frau stirbt allerdings schon neun Monate nach der Hochzeit.

Sechzehn Jahre später heiratet er erneut, dieses Mal eine seiner Studentinnen, Cândida. Aus dieser Ehe geht sein einziger Sohn, João Caraça, hervor.

Um diese Zeit wird Bento de Jesus Caraça für das so intolerante und Neuerungen abgeneigte Salazar-Regime zunehmend unbequem. Man initiiert gegen ihn ein Disziplinarverfahren, das mit seiner Entfernung aus dem Lehramt für immer endet und unendliche finanzielle Schwierigkeiten für seine Familie zur Folge hat. Er gibt zu Hause Nachhilfeunterricht und hört nicht auf, weiter zu studieren und zu schreiben. Seine Gesundheit leidet mehr und mehr, und die  Krisen mit seinem Herzen treten mit zunehmender Häufigkeit auf.

Er stirbt am 25. Juni 1948. Zwei Tage später ist eine beeindruckende, schweigsame Menge auf seiner Trauerfeier. Die  Zeiten erforderen dieses Schweigen, denn in die trauernde Menge haben sich die gefürchteten Agenten der politischen Polizei gemischt. Bento de Jesus Caraça ist immer ein unbequemer Name für das Salazar-Regime gewesen und ist es augenscheinlich auch weiterhin. 

Seinen bemerkenswerten Satz auf dem Sockel der Skulptur in Vila Viçosa würde ich gerne öfter angewandt sehen:

»Wenn ich keine Angst vor Fehlern habe, dann deshalb, weil ich immer bereit bin, sie zu korrigieren.«

(1) Die Biblioteca Cosmos wird 1941 unter der Leitung von Bento de Jesus Caraça gegründet. Bis zu seinem Tod im Jahr 1948 werden 114 Aufsätze und 145 Bände mit einer Gesamtauflage von fast 800.000 Exemplaren veröffentlicht. Das Project Cosmos entsteht zur Vermittlung von
Bildung und Kultur für die Massen und wird viele Jahre weiterverfolgt. Bento de Jesus Caraça nahm sich vor, der größtmöglichen Anzahl von Mitmenschen den höchstmöglichen Grad an Allgemeinwissen zu vermitteln und allen eine generelle Sicht der materiellen und sozialen Welt, des Lebens und seiner Probleme zugänglich zu machen.
(2) An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die Analphabetenrate im Bezirk Évora 1940 immerhin noch bei durchschnittlich 58 % liegt: Männer 54 %, Frauen 65 %

QUELLE: Escola Profissional Bento de Jesus Caraça, Porto · Jahrgang 11 des Technischen Kurses für Management und Programmierung von IT-Sytemen, 2008. Für die Verwendung des Quellmaterials hat der Autor die Erlaubnis von der Leitung der -Escola Profissional Bento de Jesus Caraça, Porto erhalten. Herzlichen Dank! 
WEBSITE: http://www.epbjc-porto.net/bjc/vida.html
AUTORINNEN: João Tiago Fontes, Pedro Miguel Celeste, Ricardo Jorge Ferreira

DOWNLOAD BENTO DE JESUS CARAÇA EM PORTUGUÊS

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