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Schmugglerroute in der Serra de São Mamede

Foto der Serra de São Mamede in Portugal

Zeitgeschichtliche Spurensuche mitten in der Wildnis    von Catrin George Ponciano

> In den abgelegenen Bergdörfern der Serra de São Mamede war das Leben von jeher beschwerlich. In dem Kalksteingebirgszug, der sich an drei Stellen bis auf eintausend Meter hoch auffaltet, zerklüftet von engen tiefen Taleinschnitten, durch die Gebirgsbäche plätschern, rangen die Bergbauern dem kargen Boden ab, was sie zum Leben brauchten. 

Begünstigt durch das ganzjährig relativ milde Klima, ähnelt die Flora in den Bergen der in Mittelmeer-Regionen, was zu dicht gewachsenen Eichenwäldern geführt hat. Ausladende Kork­eichen, Kermeseichen und Steineichen sorgen in der Grenzregion zum benachbarten Spanien für Schatten, für Nahrung für Rotwild und Wildschweinrotten, aber noch mehr für Arbeit und Einkommen der ansässigen Bevölkerung in der Holz- und Korkwirtschaft. Auch die Kastanie und die Esskastanie fühlen sich in den Gefilden des Grenzgebirges wohl und bescheren der endogenen Wirtschaftsstruktur mit ihrem Holz und ihren Früchten eine solide Basis für Handwerk und Kunst. 

Von Portalegre losfahrend erreicht man über kurvige Landstraßen Marvão. Ein mittelalterliches Burgdorf auf einem Gipfel gelegen, dessen Feste scheinbar direkt aus dem Felsmassiv gewachsen ist. Dort lässt sich gut durch die steilen Gassen flanieren, kulinarisch genüsslich speisen und lokales Kunsthandwerk wie das der Kastanienstickerinnen und der Kastanienholz-Flechter bewundern.

Ende Juli verwandelt sich der einem Greifvogel-Horst ähnelnde mittelalterlich charmante Ort in eine Konzertbühne, sobald international bekannte KlassikmusikerInnen und Orchester sich in der Gegend rund um Portalegre zum Festival Internacional de Música de Marvão versammeln und Open Air Klassikkonzerte geben. Ein absoluter Geheimtipp für MusikliebhaberInnen! Möge es so bleiben, damit man das unvergleichliche Flair unter abendlichen Alentejo-Himmel zusammen mit der Musik alter und neuer Meister entspannt verinnerlichen kann.

Neben Marvão laden aber noch etliche weitere Orte der Umgebung im Landkreis von Portalegre zum Erkunden ein. Besonders empfehlenswert ist Castelo de Vide mit seinem jüdischen Viertel und der gut erhaltenen Synagoge sowie dem bald eröffnenden Interpretationszentrum über das lokale und nationale jüdische Kulturerbe.

Bisher weniger bekannt hingegen ist das Naturschutzgebiet Parque Natural da Serra de São Mamede als El Dorado für Wanderfreunde. In Portalegre, Castelo de Vide und Marvão existieren siebzehn Rundwanderwege, die Natur und Kultur miteinander vereinen sowie mehrere Anschlüsse an große Hauptrouten.

Eine Rundwanderroute daraus führt die WanderIn sechs Kilometer lang zurück in ein dunkles Kapitel der jüngsten Geschichte Portugals in Nachbarschaft zu Spanien, in die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges. Auf beiden Seiten der Grenze herrschten Diktaturen, das Überqueren der Grenze konnte das Leben kosten. Die Lebensumstände der ansässigen Bauern — sowieso schon beschwerlich genug − wurden zusätzlich vom Terror der Grenzpolizei überschattet, von Hunger und Arbeitslosigkeit. Wer nicht in die Städte abwanderte, musste sich irgendwie anders behelfen, um zu überleben. Das Schmugglergewerbe half deswegen etlichen Familien, ihr Überleben zu sichern, obwohl es in der weit verzweigten Berglandschaft zwischen den Dörfern Galegos, Monte de Baixo und Pitaranha an der portugiesisch-spanischen Grenze jederzeit möglich war, auf eine Patrouille zu stoßen. Dennoch nahmen Schmugg­lerinnen das Risiko in Kauf und schmuggelten ein damals hoch begehrtes Gut: Kaffeebohnen.  

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede (Illustration)

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede · © Illustration: Andreas Lahn

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede

Schmugglerpfad in der Serra de São Mamede · © Illustration: Andreas Lahn

Auf dem PR4 MRV folgt man den Spuren dieser tollkühnen Frauen und Männer, die mitten in der Nacht aufbrachen und mit einem Sack Kaffeebohnen auf dem Rücken den Weg durch die Dunkelheit zum Treffpunkt im Gebirge antraten.  Während der Militärdiktatur Francos in Spanien war nämlich die Ausfuhr von Kaffeebohnen aus Portugal verboten. Schwarzhandel mit Kaffee wurde mit Gefängnisstrafen geahndet. Trotzdem wollten die Spanier nicht auf ihren café-solo, das Pendant zur portugiesischen bica, verzichten. Und genau das machten sich die portugiesischen Contrabandistas zunutze. Sie wussten ganz genau, wie sie die Grenzpolizei austricksen konnten und wie man den Patrouillen entwischte. So entstand im Schutz dicht gewachsener Wälder in der Serra de São Mamede, deren Täler und Schluchten niemand besser kannte als die Einheimischen, zwischen den Dorfflecken Aldeia de Galegos in Portugal und La Fontañera in Spanien ein Schmugglerpfad, den bloß ganz wenige Eingeweihte kannten: Der KaffeeSchmugglerpfad Contrabando do Café. 

Mit sechzig Kilogramm Kaffeebohnen, zwanzig Kilogramm geschultert, brachen die SchmugglerInnen auf zum Treffpunkt mitten in der Wildnis. An dem mit der Ziffer Eins markierten Ort auf der Wanderkarte tauschten SchmugglerInnen am Ponto da Espera mit ihren spa­nischen KollegInnen dann die Kaffeebohnen gegen Stoffbahnen Bombazin-­Wollseide, die die portugiesischen SchmugglerInnen wiederum auf dem portugiesischen Schwarzmarkt mit sattem Gewinn verkaufen konnten und mit dem Erlös ihre Familien ernähren. 

Auf der Schmugglerroute von einst, markiert als PR4MRV mit Start und Ziel an der Sebastião-Kirche in Galegos, folgt man der einstigen Fährte der Contrabandistas quer durch die Serra de São Mamede durch die drei genannten Dörfer, wandelt über ein Stück mittelalterliches Pflaster, und eine antike Brücke bei ­Pomar Velho, erlebt die üppig diverse mediterrane Flora der Serra und genießt unterwegs den einmaligen Ausblick auf das Burgdorf Marvão. 

Nach der Rückkehr sollten Sie unbedingt in der Olivenmühle Lagar Museu Azeite Castelo de Marvão Halt machen und das köstliche Olivenöl probieren.

START UND ZIEL: Igreja de São Sebastião dos Galegos, Aldeia de Galegos, 7330-065 Marvão Wanderkarte zum Herunterladen: 
https://www.ccdr-a.gov.pt/alentejoape/upload/143_folheto_folheto-pr4-mrv-web.pdf

INFO: Mehr ausgefallen lohnenswerte Orte im Alentejo, die man besuchen sollte, finden Sie in meinem am 26. August im Emons Verlag erscheinenden Reisebuch: »111 Orte im Alentejo die man gesehen haben muss« – mit 111 Farbfotografien, Landkarte mit Referenzpunkten, Wegbeschreibung sowie jede Menge Tipps für zusätzlichen Erlebniswert in der unmittelbaren Umgebung jedes einzelnen Ortes.