Denkmal für die Opfer des Kolonialismus

Die Schattenseite der Entdeckungen

Für die Opfer des portugiesischen Kolonialismus soll es endlich ein Denkmal geben · von Vasco Esteves

Ich bin als Flüchtling nach Deutschland gekommen, weil ich mich weigerte, an den Kriegen Portugals gegen die Befreiungsbewegungen in »unseren« Kolonien in Afrika teilzunehmen …
In Portugal gibt es viele Denkmäler für Kriegsopfer. Mich hat immer gestört, dass es dort kein Denkmal für die Opfer der eigenen Diktatur gibt und − noch schlimmer − für die afrikanischen Opfer unserer Kolonialkriege: ein unverzeihliches Manko angesichts des unendlichen Leidens der schwarzen Bevölkerung unter portugiesischer Herrschaft!
Portugal hat nicht nur die Afrikaner in ihrer Entwicklung gebremst und ausgebeutet, sondern sie auch in ihrer Würde verletzt und oft mit Gewalt bekämpft − militärisch oder durch Sklaverei. Zwischen 1501 und 1866 sind ungefähr 12,5 Millionen Sklaven von Afrika nach Amerika verschifft worden. Die Hälfte davon wurde von Portugiesen nach Brasilien gebracht! Portugal beschäftigte sogar Sklaven als Handwerker, Fischer oder Bauern auf dem eigenen Festland!
In diesem Jahr wird in Lissabon endlich ein Denkmal für die Opfer der Sklaverei und des Rassismus errichtet. Leider nicht ganz freiwillig und offiziell, sondern auf Initiative des Vereins DJASS, der Afrodeszendenten in Portugal, mit Unterstützung der Lissaboner.
Beatriz Gomes Dias, Vorsitzende des DJASS-Vereins: »Mit diesem Denkmal wollen wir einen Dialog eröffnen und unbekannte Geschichten erzählen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass der Glanz Portugals zum größten Teil dem Sklavenhandel zu verdanken ist.«
Das Denkmal soll nun auf dem Platz »Ribeira das Naus« gleich neben der »Praça do Comércio« in Lissabon errichtet werden, genau dort, wo damals der Hauptsklavenmarkt Lissabons war.
Schwarze Sklaven in Lissabon: Anhand der folgenden drei Beispiele soll gezeigt werden, dass die Afrikaner schon immer gegen die Fremdherrschaft der Portugiesen gekämpft haben und sich dabei oft heldenhaft verhalten haben.

Nzinga Mbandi
Die angolanische Königin Nzinga Mbandi bot schon im 17. Jahrhundert der Kolonialmacht Portugals die Stirn. Sie lebte von 1583 bis 1663 im heutigen Angola. Das war am Anfang der portugiesischen ­Kolonisierung, in einer Zeit, in der das Geschäft mit der Sklaverei aufblühte… Angefangen hat Nzinga Mbandi als Diplomatin. Sie war bekannt für ihren Stolz und verhandelte immer auf Augenhöhe mit den Portugiesen. 1623 bestieg sie für 40 Jahre den Thron des Ndongo-Königreiches und wurde gleichzeitig Führerin und Mitkämpferin der Armee, die Widerstand gegen die Besatzer leistete. Ein Friedensvertrag, den Mbandi 1622 mit den portugiesischen Machthabern ausgehandelt hatte, wurde kurz danach von den Portugiesen gebrochen, weswegen sie sich mit den Holländern gegen die Portugiesen verbündete.
In ihren Methoden war sie manchmal skrupellos und handelte teilweise selbst mit Sklaven. Nzinga Mbandi konnte portugiesisch sprechen, lesen und schreiben und beherrschte auch mehrere native Sprachen.
Die UNESCO hat (allerdings nur auf Portugiesisch und Englisch, nicht auf Deutsch) eine PDF-Datei mit der Geschichte dieser angolanischen Königin in Zeichentrick-Format herausgebracht: Download unter http://unesdoc.unesco.org/images/0023/002309/230931por.pdf

Ngungunhane
Der Bantukönig Ngungunhane führte im 19. Jahrhundert das zweitgrößte afrikanische Imperium. Auf Wikipedia steht über ihn: »Er war von 1885 bis 1895 König von Gaza, dem letzten großen, unabhängigen Bantu-Königreich im heutigen ­Mosambik. Erst ein Vasall des portugiesischen Königs, rebellierte er später ­gegen die portugiesische Obrigkeit«. Ngungunhane war Führer des zweitgrößten afrikanischen Imperiums im 19. Jahrhundert in Afrika, also kein kleiner oder unbekannter Stammesführer!
Er hatte einen Pakt mit den Portugiesen geschlossen, fiel aber in Ungnade, als er anderen afrikanischen Stämmen, die gegen die Portugiesen rebelliert haben, Schutz gewährte. Die portugiesische Kolonialmacht schickte Truppen gegen ihm. Er verlor mehrere Schlachten und suchte schließlich Zuflucht in seiner eigenen heiligen Stadt »Chaimite«, wo er von den Portugiesen festgenommen wurde. Weil er aber in Europa schon sehr bekannt war, wurde er nicht − wie in solchen Fällen üblich − einfach erschossen, sondern zuerst nach Lissabon gebracht, wo man ihn auf demütigende Weise als »Trophäe« präsentierte: Er wurde in einem Käfig durch Lissabon gekarrt und später im botanischen Garten von Belém wie in einem Zoo ausgestellt. Danach brachte man ihn auf die Azoren-Inseln ins Exil, wo er 1906 starb. 1985, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit Mosambiks, wurde Ngungunhanes Leichnam endlich nach Mosambik gebracht, wo er als Held empfangen wurde.
Ich erinnere mich noch, dass in den Geschichtsbüchern zu meiner Kindheit in Portugal Ngungunhane als Beispiel aufgeführt wurde, wie die Portugiesen die »wilden« Afrikaner »domestizierten«, das heißt: mit vielen Toten und »militärischen Erfolgen«, um so die Überlegenheit der »weißen Rasse« zu demonstrieren. Und gleichzeitig predigte uns die Katholische Kirche in Portugal damals, dass alle Menschen, egal von welcher Farbe, vor Gott gleich seien!

Amílcar Cabral
Amílcar Cabral war der wahre Vater der Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und den Kapverden. Er war ein Agrarwissenschaftler aus Guinea-Bissau, der später zum Unabhängigkeitskämpfer und charismatischen Führer der PAICG (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) wurde. Er war auch populär als Dichter und Theoretiker der Entkolonialisierung. Er veröffentlichte mehrere Schriften, die sogar ich damals als oppositioneller Student in Portugal mit Begeisterung gelesen habe: Als »portugiesischer Frantz Fanon«, plädierte er für Blockfreiheit und bekam auf der internationalen Bühne viel Anerkennung. Er war Mitglied in der Sozialistischen Internationale und befreundet mit wichtigen Sozialisten aus Europa wie Olof Palme oder Francois Mitterand).
Ein Zitat von Amílcar Cabral: »Wenn in Portugal ein Regime herrschen würde, das bereit wäre, die Zukunft und den Wohlstand des portugiesischen und auch unseres Volkes gleichberechtigt aufzubauen, also in absoluter Gleichheit, das heißt wo zum Beispiel der Staatspräsident auch aus Guinea oder Kap-Verde stammen könnte, und dasselbe für alle andere staatlichen Stellen gelten würde, dann gäbe es für uns keine Notwendigkeit, für Unabhängigkeit zu kämpfen. Wir wären nämlich alle schon unabhängig, und das sogar in einem aus historischer Perspektive viel größeren und vielleicht effektiveren menschlichen Rahmen.«
Er wurde 1973 in Guinea-Conakry im Rahmen eines misslungenen Putsches innerhalb der PAIGC ermordet. Man vermutet die Auftraggeber hinter diesem Mord aber in der portugiesischen Geheimpolizei PIDE. Trotzdem war der Befreiungskampf in Guinea-Bissau schon damals so weit fortgeschritten, dass das Land noch im gleichen Jahr seine Unabhängigkeit von Portugal erklärte!
Schlusswort: Die Nelkenrevolution am 25. April 1974, welche den Portugiesen wieder Freiheit und Demokratie brachte, ist gewissermaßen auch in den portugiesischen Kolonien entstanden, weil die ­afrikanischen Völker sich erfolgreich gegen den portugiesischen Kolonialismus und Faschismus gewehrt haben. Deswegen bin ich meinen afrikanischen Brüdern für immer dankbar: Sie haben nicht nur für ihre eigene Freiheit, sondern auch für unsere gekämpft!

VASCO ESTEVES kommt 1969 aus politischen Gründen von Portugal nach Deutschland. Als Mathematiker arbeitet er 30 Jahre in der IT-Industrie im Rhein-Main-Gebiet. Ab 2007 fängt er eine zweite Laufbahn als Theaterschauspieler an. Seit 2009 lebt er in Berlin und ist Mitglied der DPG. Seine damalige Flucht nach Deutschland hat sein Leben komplett verändert − und ist Motivation für diesen Artikel.

INFORMATIONEN
https://lisboaafricana.com/tag/djass-associacao-de-afrodescendentes/ https://www.facebook.com/­memorialescravatura/

1 Kommentare

  1. Vasco Esteves

    Zu meinem Artikel »Die Schattenseite der Entdeckungen« möchte ich noch folgendes Zitat aus »https://www.planet-wissen.de/geschichte/menschenrechte/sklaverei/pwiesklavenfueramerika100.html#Ausmasse« (Kommentare überflüssig!) hinzufügen:
    »In den fast 400 Jahren der atlantischen Sklaverei kamen etwa zehn bis zwölf Millionen verschleppte Schwarzafrikaner lebend in Amerika an.
    Vier bis fünf Millionen Sklaven wurden auf die Inseln der Karibik gebracht, 3,5 bis fünf Millionen gelangten nach Brasilien und eine halbe Million Sklaven wurde in die USA verkauft. Doch die Dunkelziffer der systematischen ›Deportation‹ ist erheblich höher.
    Schätzungen gehen von etwa 40 Millionen Afrikanern aus, die verschleppt und versklavt wurden. Doch nur jeder Vierte der versklavten Menschen überlebte die Gefangennahme in Afrika, die Torturen der Verschleppung vom Inneren Afrikas an die Küsten und schließlich die grausamen Strapazen der Überfahrt.
    Die verschleppten und verkauften Menschen wurden während der Überfahrt auf den Schiffen auf engstem Raum buchstäblich wie Fracht gestapelt.«

    Anmerkung der Redaktion: Der Autor ist Gregor Delvaux de Fenffe. Der Artikel heißt »Sklaven für Amerika«

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