Schlagwort: Alentejo

111 Orte im Alentejo

Buch Cover »111 Orte im Alentejo«

Anmerkungen zum Reisebuch von Catrin George Ponciano über die größte Provinz Portugals    von Andreas Lahn

> Bevor ein Buch mit Artikeln zu 111 Orten im Alentejo erscheinen kann, muss die Autorin den einen oder anderen Kilometer zurücklegen. Denn der Alentejo ist ein riesiges Gebiet, die Orte, Städte und Objekte der Begierde liegen weit auseinander. Viele der von  Catrin George Ponciano vorgestellten Orte haben eine mehr oder weniger weit zurückliegende Geschichte. Das Buch selbst zum Beispiel ist Catarina Eufémia gewidmet, die am 19.5.1954 in Baleizão von Polizisten erschossen wird, weil sie und andere LandarbeiterInnen mehr Geld fordern, damit Mütter Milch für ihre Kinder kaufen können.

Geschichten über den Alentejo müssen den eigenen Lebensrhythmus zum Thema haben, die Hitze, die alte Kultur, aber auch Ritterburgen, uralte Festungsstädte, alte Wanderwege, schöne Strände, eine spezielle Küche etc. Im Vorwort schreibt Catrin George Ponciano: »Folgen Sie mir in das andere, in das verschwiegene Portugal, wo Schmugglerinnen Kaffee gegen Bombazin tauschten, wo das Traumpferd des Königs wiehert, wo Antoni Gaudí Inspiration für seine Kunst bei der heiligen Santa Maria fand und wo Tümmler im Mondlicht tanzen.« Ja Catrin, wir folgen dir!

Lernen Sie, warum es eine Fisch- und eine Salzgaleere gibt und was das Schwarmfischen damit zu tun hat (S.12). In der Gemeinde Torrão kreuzen sich vier spätantike Handelsrouten (S. 28). Auf S. 20 lesen Sie, wie ein uneheliches Kind die Souveränität Portugals rettet und zu König Dom João I. ernannt wird. Sie erfahren, wie der Chocalheiro seine Signalinstrumente herstellt (S. 22), wie der größte Stausee Europas ein ganzes Dorf verschlingt (S. 24). In Alter do Chão lernen Sie 300 lusitanische Pferde kennen, die traumhaft schön sind und als Höhepunkt des Tages gegen 15 Uhr alle zusammen auf die Nachtweide traben. In Arraiolos im Norden wiederum ist eine Teppichstick-Industrie entstanden, die einen Aufschwung erlebt, als eine Weberin die Idee hat, Leinen mit dem Doppelkreuzstich zu bearbeiten. Warum man dabei gut zählen können muss, steht auf S. 40. Wie ist das Spielmuseum in Arronches entstanden (S. 44), wo steht die kleinste Grenzbrücke der Welt (S. 46), woher kommt der Dialekt Barranquenhos (S.50), wie überleben Flüchtlinge des spanischen Bürgerkriegs in Barrancos (S. 52), wo und warum werden die mittlerweile berühmten Liebesbriefe «As Cartas Portuguesas» geschrieben (S. 56)? Wollen Sie wissen, was Salgueiro Maia am Tag der Nelkenrevolution vom 25.4.1974 gemacht hat (S. 68), was der Friedensstein in Castelo de Vide mit den sephardischen Juden zu tun hat (S.70), was den Laurentius-Brunnen in Elvas so besonders macht (S. 84), was eine Schnarchtrommel ist (S. 86), woher der blinde Engel der Liebe in Estremoz kommt (S. 92), was das Denkmal für Radrennen in Èvora (S.114) und die Hinkelsteinfamilie in Guadelupe (S.  120) bedeuten, was die Gedenkmauer in Grândola ( S. 126) ist, was das Buchdenkmal in Melides bedeutet (S.134) und was die roten Gaudí-Klippen am Strand von Galé so interessant macht (S. 138)?

In Portugal gibt es ein »Flipper-Delta« (S. 140) und eine Schmugglerroute, auf der Sie nicht nur wandern, sondern auch vergangene Zeiten nachempfinden können. Die Olivenmühle in Moura (S. 166) ist genauso faszinierend wie die Idee, Kunstwerke als Teppich nachzubilden (S. 174) Auf S. 178 lernen Sie die Aldeia dos pequeninos, das Miniaturdorf in São Bartolomeu do Outeiro kennen.

Sie lieben Sterne? Dann nichts wie los zum Sternenpark. Das Observatório Oficial Dark Sky Alqueva in Reguengos de Monsaraz wartet auf Sie (S. 182). Um den Hirtengesang Cante Alentejano geht es auf S. 194, um den Uhrenturm von Serpa auf S. 200 und um den Amphorenwein Vila de Frades auf S. 220. Über die Dichterin Florbela Espanca haben wir in Portugal Report 82 berichtet. Lesen Sie über ihre wechselvolle Geschichte, ihren gewollten Tod am Geburtstag 8.12.1930 und über ihr Grab in Vila Viçosa auf S. 226.

Dieses Buch ist ein wundervolles Lesebuch mit tiefgründigen Erzählungen über den Alentejo und die Alentejane­rInnen. Es ist aber gleichzeitig auch ein Reisebuch, das 111 Möglichkeiten bietet, den Alentejo in all seinen Facetten zu entdecken. Und es ist auch ein Geschichtsbuch, denn in vielen Orten liegen die dem Artikel zugrunde liegenden Ereignisse  Jahrhunderte zurück. 

Catrin George Ponciano ist mit diesem Buch eine beeindruckende Hommage an den Alentejo und die AlentejanerInnen gelungen. Allein ihr Fleiß bei der aufwändigen Recherche für die 111 Artikel dieses beeindruckenden Werkes hat als Lohn viele LeserInnen verdient!

Foto von Catrin George Ponciano

Catrin George Ponciano · Foto: © Andreas Lahn

Catrin George Ponciano
111 Orte im Alentejo, die man gesehen ­haben muss
emons Verlag · 26.8.2021 · 13,5 × 20,5cm
Broschur, 240 Seiten
ISBN 978-3-7408-1067-2 · 16,95 €

Weitere Informationen:
catringeorge.com

Auf den Spuren des Marmors

Foto eines Marmorsteinbruchs bei Vila Viçosa

Alentejo: Unterwegs zwischen Estremoz und Vila Viçosa    von Dr. Ingolf Wernicke

> Wem trockene Hitze von 35 bis 40 Grad nichts ausmacht und wer in Portugal in der Hauptreisesaison im Hochsommer einmal abseits der überfüllten Strände in den touristischen Zentren und Städten an der Algarve und der Atlantikküste auf Entdeckung gehen möchte, dem sei eine Reise in den östlichen Alentejo, in die Region von Estremoz, Borba und Vila Viçosa, empfohlen. Dort findet man Orte, die von der Geschichte Portugals erzählen − inmitten einer hügeligen Landschaft, ausgedehnten Wein- und Olivenbaumplantagen, zahlreichen malerischen, kleinen Städten und Dörfern mit historischen Bauten wie Kirchen, ehemaligen Klöstern, Platz- und Brunnenanlagen, vielen Burg- und Befestigungsanlagen.

Die Kleinstadt Estremoz mit etwa 8.000 Einwohnern ist dafür ein Beispiel. Sie liegt knapp 50 Kilometer nordöstlich von Évora in der Region Alto Alentejo und bietet einen guten Ausgangspunkt für das Kennenlernen dieser ­Region, die sich bis zur spanischen Grenze nach Elvas erstreckt.

Estremoz gliedert sich in eine auf einer Anhöhe gelegene Oberstadt mit malerischen Gassen, die noch etwas maurisch wirken, sowie eine seit dem 16. Jahrhundert entstandene, von Stadtmauern umgebene Unterstadt, deren Mittelpunkt ein sehr großer Marktplatz, der Rossio Marquês de Pombal, ist, auf dem Verkaufsstände zu finden sind und auf dem auch am Samstag Markt abgehalten wird. In der Nähe dieses zentralen Platzes befindet sich der «Lago do Gadanha», eine große Brunnenanlage mit einer Saturn-Statue aus dem Jahr 1688, an den sich weitere Quartiere der Altstadt anschließen. Das Rathaus von Estremoz befindet sich in einem 1698 errichteten Kloster, dem ehemaligen Convento de Congredados. Nördlich des Rossio liegt der Convento São Francisco aus der Zeit des Königs Afonso III. aus dem 13. Jahrhundert, in dem König ­Pedro I. 1367 starb. Seit der Säkularisation 1834 wird das Kloster als Kaserne genutzt. Gegenüber liegt der Palácio Tocha aus dem 17. Jahrhundert mit auf Azulejos dargestellten Szenen des Unabhängigkeitskrieges Portugals gegen Spanien.

Die Hauptattraktion von Estremoz ist jedoch das Kastell aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit einem wuchtigen 27m hohem Bergfried. Die Burg war im 14. Jahrhunderts der Königs­palast, in dem sich zeitweise König ­Dinis I. mit seiner Gemahlin aufhielt − der heiligen Isabell, die hier 1336 verstorben ist. In der Nähe der Kirche ­erinnert eine Skulptur an die Königin Isabell, die im Klarissenkloster in Coimbra bestattet worden ist. Heute befindet sich im ehemaligen Königspalast der Burganlage eine luxuriöse Pousada. Schräg gegenüber des Bergfrieds wurde 1559 die dreischiffige Kirche Santa Maria do Castelo errichtet, in der zwei Marienbilder von El Greco erhalten sind. An den Kirchenbau schließt sich ein in späterer Zeit, im manuelistischen Stil, umgebauter Audienzsaal an.

Estremoz hat aber insbesondere aufgrund seiner Marmorsteinbrüche Bekanntheit in aller Welt erlangt. Die alentejanische Stadt wird heute auch als cidade branca, die Weiße Stadt, bezeichnet.

In zahlreichen Steinbrüchen in der Umgegend wird Marmor als Baumaterial für Häuser, Fliesen, Inneneinrichtungen, Fassadenverkleidungen und auch für Grabanlagen abgebaut. Die Firmen, die diese Steinbrüche betreiben, exportieren Marmor in allen gewünschten Formen und Größen. Estremoz-Marmor, der von Natur aus cremefarben bis rosa ist und auch Schattierungen haben kann, spielt eine äußerst wichtige Rolle in der portugiesischen Steinindustrie. Seit vielen Jahren zählt er zu den meist exportierten und auf allen großen und kleinen Märkten der ganzen Welt bekanntesten portugiesischen Gesteinen.

Auch auf den Internetseiten deutscher Importeure, insbesondere für Treppen- und Bodenfliesen sowie Küchen- und Bad-Ausstattungen wird der Marmor aus Estremoz als Baustoff erster Qualität angepriesen.

In Estremoz trifft man schon direkt am Stadtrand und auch weiter außerhalb auf zahlreiche Marmorsteinbrüche, die man oft schon links und rechts der Straßen an den Baggerkränen sowie den weiß leuchtenden Wald- und Wiesenwegen erkennen kann. Es lohnt sich, die Steinbrüche zumindest von oben zu besichtigen. Man muss nur vorsichtig sein, da Marmorbrüche Firmen- bzw. Privatgelände sind und oftmals nicht durch Absperrungen oder Zäune gesichert wurden. Mittlerweile gibt es in der gesamten Region auch zahlreiche touristische Angebote, Museen, Ausstellungen und geführte Touren von zahlreichen örtlichen Agenturen zum Thema Marmor.

Möchte man sich jedoch individuell einen Überblick über die einst über 200 Marmorsteinbrüche verschaffen, sollte man einfach eine Rundfahrt durch das Dreieck Estremoz—Borba—Vila Viçosa machen.

Foto des Fonte das Bicas (Marmorbrunnen in Borba von 1781)

Fonte das Bicas: Marmorbrunnen in Borba von 1781 · © Dr. Ingolf Wernicke

Das kleine Städtchen Borba liegt circa 15 Kilometer von Estremoz entfernt, ist etwas kleiner und besitzt eine sehr hübsche Altstadt, im Zentrum mit einer Burganlage, die von starken Mauern mit Stadttoren umgeben ist. Auch in Borba gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten in der Stadt wie z. B. den Praça do Cinco de Outubro mit einem Rathausbau von 1797 und einer Pfarrkirche. Von dem Marmorabbau hier aus der Gegend zeugt die Fonte das Bicas, eine prächtige Brunnenanlage von 1781, die inmitten einer Grünanlage liegt. Die meisten Portugal-Kenner denken bei Borba aber in erster Linie an den Weinanbau, an Adega de Borba, an Marques de Borba, an Gallitos und viele andere Marken, wenn sie den Namen der Stadt hören. Weitere überregional bekannte Produkte aus Borba sind Olivenöl, Wurstwaren, die Enchidos de Borba und Käsespezialitäten.

Der Weg führt weiter in das benachbarte Vila Viçosa, wo es ebenfalls zahlreiche Marmor-Steinbrüche gibt. Während man in Estremoz eher ältere Steinbrüche im Tagebau findet, die teilweise schon aufgelassen sind, kann man in der Umgegend von Vila Viçosa viele neuere Steinbrüche finden, deren Abraumhalden man schon kilometerweit erblicken kann. Viele Hügel sind durch den Abraum entstanden und mit großen Steinquadern minderer Qualität oder auch anderen Gesteinsarten überdeckt, so dass man den Eindruck hat, durch eine Mondlandschaft zu fahren. Viele Steinbrüche in der Region von Vila Viçosa haben ein gewaltiges Ausmaß und reichen mit einer senkrechten Steilkante bis über 150 Meter in die Tiefe. Sofern es möglich ist, lohnt es sich auf jeden Fall einmal von oben in die riesigen Abbaugruben hineinzuschauen.

Foto des Paco Ducal in Vila Viçosa

Paco Ducal in Vila Viçosa · © Dr. Ingolf Wernicke

Der architektonische Hauptanziehungspunkt des kleinen Städtchens Vila Viçosa ist jedoch der Paço Ducal, der Palast der Herzöge von Bragança. Im Stil der italienischen Renaissance wurde er mit einer hundert Meter langen Fassade aus Marmor ab 1501 erbaut. Er diente dem portugiesischem König João IV. und seinen Nachfolgern als Palast und wurde, obwohl Lissabon die Hauptstadt war, von den Familienangehörigen des Hauses Bragança häufig besucht. Im Innern kann man Deckengemälde, Ahnenbilder, Azulejos aus dem 17. Jahrhundert, Wandteppiche, Porzellan, Rüstkammern und vieles andere besichtigen. Heute gehört der Palast zu einer Stiftung und beherbergt neben den soeben beschriebenen Ausstellungsräumen auch die Bibliothek und das Archiv des Hauses Bragança. Vor dem Palast erstreckt sich der Terreiro do Paço, der Schlossplatz, der ursprünglich einmal eine Stierkampf-­Arena gewesen sein soll. In seiner Mitte befindet sich ein Reiterstandbild mit König João IV. An der Ostseite des Platzes steht die Kirche eines ehemaligen Augustinerklosters, die Igreja dos Agostinhos, wo die sterblichen Überreste der Herzöge von Bragança ruhen.

Als ein weiteres historisches und architektonisches Highlight in der Nähe ist noch das kleine Städtchen Alandroal zu erwähnen, das etwa 10 Kilometer von Vila Viçosa entfernt liegt. Hier kann man eine eindrucksvolle Burganlage besichtigen, die auf Resten einer aus dem 13. Jahrhundert von König Dinis erbauten Befestigung errichtet wurde. Außerdem gibt es ebenfalls eine eindrucksvolle Brunnenanlage auf dem Marktplatz, die mit Marmor aus der Region erbaut wurde.

In einem Gespräch mit einem einheimischen Portugiesen in Estremoz wurde mir auf meine Frage, ob das Geschäft mit dem Marmor denn floriere, erwidert: »Leider nicht, denn es gibt immer weniger Diktaturen auf der Welt! Die Hauptabnehmer unseres Marmors waren einst Nicolai Ceauçescu, der seinen Palast in Bukarest aus alentejanischem Marmor erbauen ließ, und auch Muammar al-Gaddafi in Libyen, der ebenfalls seine zahlreichen Paläste mit Marmor von hier errichten ließ.«  

Obwohl man den Menschen vor Ort den Erhalt ihrer Arbeit, ein florierendes Geschäft mit dem Ausland und damit auch den Erhalt der Basis ihrer Existenzgrundlage wünscht, wäre die Forderung des Portugiesen aus Estremoz nach mehr »diktatorische Regierungen«, die auch etwas scherzhaft gemeint war, ein wohl doch etwas zu hoher Preis.

Adéus, Princesa: Hommage auf Catarina Eufémia

Foto von Catarina Eufémia

Kämpferin gegen die Tyrannei – über die Landarbeiterin Catarina Eufémia • von Catrin George Ponciano

> Ein bisschen Freiheit für eigene Träume, ein klein wenig mehr Lohn. Dafür lebte sie, dafür starb sie. ­Ermordet vor den Augen aller im Dorf, entfachte ihr brutaler Tod einen Flächenbrand der Rebellion, der erst mit der Nelkenrevolution am 25. April 1974 gelöscht wurde. 
Ihre Augen glühten. Ihr Blick war hart. Zu hart für das fragile Mädchen, das nicht mehr vom Leben wollte als eigene Träume und genügend zu essen. Es gab oft kein Mehl, kein Brot, nicht einmal Bohnen. Doch Catarina verspürte längst keinen Hunger mehr. Spielen wollte sie. Mit ihrer Puppe. Zusammengenäht aus Flicken. Den Kopf gerollt aus Zeitungs­papier, eingeweicht in Wasser, verquirlt mit Staub, zwischen ihren Kinderhänden zu einer Kugel modelliert. Aber an jenem Tag im späten Sommer, die Getreidefelder standen trocken und rasiert, das Korn war längst gedroschen, die Sonne glühte senkrecht hoch, gab es wieder einmal kein Mehl, auch keine Puppe, nicht einmal mehr einen Traum. Das Kind saß vor der Tür des Bauernhauses, in dem sie mit ihren Eltern, ihren Großeltern und ihren Geschwistern schlief, und schaute der Sonne zu, bis sie den Tag verabschiedete, der Mond die heran­nahende Nacht begrüßte. Bis ihr kleiner zartgliedriger Körper, der Rücken bereits gekrümmt von der Arbeit auf dem Feld, einen Schatten warf. Catarina sah zum ersten Mal ihren Schatten, im Land ohne Schatten: Das Flämmchen Ich entfachte.
Geboren war sie an einem kalten Tag im Februar 1928, dem Jahr, als der Estado Novo unter Salazar gebar. Catarina Eufémia wuchs auf in Baleizão, einem kleinen Dorf mit dicht aneinander gedrängelten Häusern entlang der Dorfstraße im Land­kreis Beja, am Gutshof Monte Olival, einem Getreide-Latifundium, das sich rund um Beja und Serpa, an beiden Ufern des Guadiana-Flusses nach Norden und Süden, nach Osten und Westen erstreckt, bis dorthin, wo die Erde den Himmel küsst. Hunderte Landarbeiterinnen schufteten auf den Feldern des Patrão von Monte Olival mit ihren Händen in Mutter Erde, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, einzig freigestellt am Sonntagmorgen zur Frühmesse. Der karge Lohn reichte nicht für mehr als für eine Handvoll Brosamen. Mehr konnte der Patrão ihnen nicht zahlen, sagte er. Wegen der Rezession.
Der Zweite Weltkrieg, danach die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges. Die allgemein marode Wirtschaft nach Kriegsende in Europa und in Portugal besonders, verwandelten das an sich reich mit Naturressourcen ausgestattete Land in ein Armenhaus. Gnadenlos beutete das Salazar-Regime die Kornkammer des Alentejo aus, verschacherte das lebensnotwendige Getreide meistbietend ins Ausland, beteiligte die Latifundien an den horrenden Gewinnen der Kriegsmaschinerie und lobte das Volk für seinen selbstlosen Verzicht auf Wohlstand für das Mutterland.
Besonders die Frauen, speziell die Landarbeiterinnen, ernteten sein zweischneidiges Lob. Glück allein läge nicht im materiellen Lohn, sondern in der ­Bescheidenheit des eigenen Tuns. Ihre Arbeit bliebe nicht unbemerkt, ihre Arbeit sei ein wichtiger Teil im großen Staatsapparat, sie sollten stolz darauf sein, das Rad mit ihrer Körper Kraft und ihrer Liebe zu Portugal anzutreiben. Nicht wenige Arbeiter und Bauern sonnten sich in diesem sogenannten Lob, aber gerade im Alentejo kannten die Menschen die Grenze zwischen Bescheidenheit und Misere genau. Ihr Leid bot fruchtbaren Boden für die Aussaat einer zweiten politischen Idee, dem Kommunismus. Ein Riss vollzog sich. 
Die einen hielten an der staatlich indoktrinierten Misere fest und hofften auf die Einlösung eines Versprechens, die anderen wandten sich ab vom Ein-Mann-Staat. Sie rebellierten gegen die Knute des Gehorsams, die Prügelstrafen und den als solchen betitelten Mutterland-Dienst. Durchströmt von dem Wunsch nach leichteren Lebensumständen, getrieben von der Hoffnung auf Gleichstellung und Gerechtigkeit, folgte eine Hälfte des Volkes dem Ideal der PCP. Diese gesellschaftlich hochkochende Diskrepanz diente letztlich beiden politischen Lagern, emotional und existenziell, für politische Parolen und für Stimmenfänger. Die Lage der Nation teilte vor allem das arbeitende, größtenteils schulisch völlig benachteiligte Volk in zwei Teile, obwohl beide Seiten auch weiterhin in ihrer Armut steckenblieben.
Salazar reagierte. Er verbot die PCP, verhängte Zensur über sämtliche politisch kommunistisch orientierte Parolen, konfiszierte Presse-Material und verurteilte kommunistische Anhänger als Landesverräter. Die Propaganda seiner Partei wurde schärfer, unterlegt mit Bildern. Mit Rücksicht auf 75% Analphabeten im Land, visualisierte er ab sofort seine Ideologie. In einem eigens editierten Bilderbuch-Band namens «A Lição de Salazar» proklamierte der Regierungschef das portugiesische Ideal-Heim A Casa Portuguesa, und die drei Säulen des Staates zur obersten Aufgabe zur Erziehung der Nation: Gott, Mutterland, Familie − Deus, Patria, Família. 
Salazars Propaganda zielte auf den Nationalstolz der Portugiesen, auf ihr einstiges Imperium als Entdeckermacht und auf das Kolonialreich, rückte die Postion der Frauen in ein scheinbar glanzvolles Licht, doch gleichzeitig hinaus aus dem öffentlichen Leben, fort von gesellschaftlichen Aufgaben, weit ins verfassungsrechtliche Abseits. Salazar entmündigte die Frauen und raubte ihnen ihre Selbstbestimmung. 
Die eigens zu diesem einzigen Zweck aufgelegte Bilderbuch-Galerie »Lektion Salazar« bestärkte die Frau in ihrer einzigen, ihr ebenbürtigen Rolle als Schoß der Nation und fütterte sie mit Stolz. Genau hingeblickt, erkennt man deutlich die durchgehende Herabsetzung der Frau, dargestellt in Comic-ähnlichen Zeichnungen (siehe Abbildung S. 6). Auf der Kommode neben der Tür steht das Kreuz als Symbol für Gott. Vor dem geöffneten Fenster erkennt man ein Castelo, die Bastion Portugal, uneinnehmbar, unzerstörbar. Die Burg symbolisiert das Mutterland, gekrönt von der National­flagge. Die Frau steht in Landarbeiterkleidung, mit langem Rock und Schurz in der Kaminküche. In den Händen hält sie einen Topf und schaut zur Tür. Ihr Mann kommt von der Arbeit zurück, eine Ackerhacke über der Schulter. Sein Gesicht glänzt glücklich, denn Arbeit ist des Mannes Lohn. Die Tochter sitzt auf dem Boden und spielt mit Dingen, die ihr späteres Leben erfüllen werden − Töpfen und Pfannen. Der Sohn sitzt auf einem Schemel. Er arbeitet nicht, sondern er liest. Er trägt die Uniform der Moçidade portuguêsa, die Kleidung der portugiesischen Salazar-­Jugend, und erfährt von Kindesbeinen an die faschistische Erziehung samt faschistischem Denkmodell. Im Haus gibt es keinen Strom und kein einziges Haushaltsgerät, denn das Familienglück liegt allein in der Hände Arbeit der Frau.
Catarina Eufémia kannte also kein anderes Leben als das mit Feldarbeit und  Hausarbeit, seit sie neun Jahre alt war. Auch sie wächst auf mit der »Lektion ­Salazars« und lernt von Kindesbeinen an, wo ihr Platz ist. Sie darf nicht in die Schule und nicht ohne Begleitung der Mutter auf die Straße, sie darf kein Interesse zeigen für das Leben außerhalb dem ihr zugeteilten Raum, Haus und Heim. Von Geburt an war sie verdammt zu einem Leben in Lehnarbeit. Anonym, ein Weib von vielen, deren Existenz im Land ohne Schatten unter einem breitkrempigen Strohhut auf den Feldern des Monte ­Olival dahinschmilzt, und vorbei ist, ­bevor es je begonnen hat. 
Catarina wächst ­heran, ein bildhübsches Mädchen mit einem wunderschönen Gesicht und einem erhärteten Blick. Ihr Schatten, den sie jeden Abend wieder nach getaner Arbeit auf ihrem Lieblingsplatz vor der Haustür sieht, wird größer. Sie beginnt Fragen zu stellen. »Warum bin ich eine Frau, und nicht einfach weiblich?«, fragte Catarina den Gutsverwalter eines Tages und kassierte zur Strafe eine Tracht Prügel. 
»Warum verdienen Männer mehr als Frauen, warum verdient der Patrão noch mehr als zuvor und wir hungern  immer noch?«, fragte sie ihre Genossinnen eines Morgens im Mai 1954, als die Rezession längst vorbei war, als die Latifundien mehr Ernteertrag einfuhren als je zuvor, als der Getreidepreis höher stieg als je erträumt.
»Warum warst du nicht still, warum bist du nicht zurückgewichen, warum du?«, fragte die portugiesische Nationaldichterin Sophia de Melo Breyner Andresen in ihren Catarina Eufémia gewidmeten Zeilen «Dual». Diese Zeilen passen poetisch-­­tragisch perfekt zu Catarina ­Eufémia. >>>
Am 19. Mai 1954, als es wieder einmal kein Mehl für die Frauen zum Brot­backen gab, legen die Landarbeiter die Arbeit nieder und treten in den Streik. Catarina Eufémia führt die Landarbeiterinnen hinauf zum Gutshaus auf dem Monte Olival. Sie verlangt den Patrão Senhor Fernando Nuno Ribeiro zu sprechen. Sie verlangt eine Lohnerhöhung von 2 Centavos, 2/100 portugiesische Escudos, für die Frauen, damit diese ihren Kindern Milch kaufen können. 
Der Patrão war aber am Morgen des 19. Mai nicht zu Hause, und sein Stellvertreter, der Gutsverwalter José Vedor, mit der ­Situation restlos überfordert. Er rief die Guarda Nacional da República zu Hilfe gegen die streikenden Frauen und ihre Wortführerin Catarina Eufémia, die, wie bei jedem Schritt des Tages, ihren acht Monate alten Sohn auf dem Arm trug. Tenente Carrajola traf auf dem Gutshof mit einem Dutzend Polizisten ein. Nach kurzem Handgemenge hatten die Polizisten die Frauen im Griff. Der Tenente erfüllte kraft seines Amtes seine Pflicht, bestrafte Catarina Eufémia wegen Ungehorsams und Aufwiegelei und schlug zu. Er schlug, er trat, er schoss auf Catarina Eufémia, die längst zusammengebrochen wehrlos am Boden lag. Er schlug die 26-Jährige, bis sie sich nicht mehr rührte. Ihr Kind saß neben seiner Mutter im Staub, und weinte.
Die Landarbeiter und Landarbeiterinnen des Patrão, seine Knechte und Mägde, alle Kinder und Alten aus Baleizão standen wehrlos, stumm, gelähmt vor Schreck und Angst im Kreis um den Tatort herum, bezeugten jeden Tritt, jeden Schlag, jeden Schuss. 
War es die Brutalität des Tenente? Die Ermordung in aller Öffentlichkeit? Das weinende Kind neben der toten Mutter? Oder war es Catarinas Entscheidung, sich selbst für ein besseres Leben aller Frauen zu opfern? Catarina Eufémias brutaler Tod lässt viel Raum für Interpretation. Ihr Martyrium tränkte die Seele der Landarbeiter mit Zorn. Ihr Tod schrieb mit Blut ein Wort: Genug!
Ihr Martyrium war nicht das einzige im Alentejo, im Ribatejo, an der Algarve, und sie nicht das einzige Todesopfer der Salazar-Diktatur. Doch gerade ihr Tod löste die Starre der Menschen in Beja, in Serpa, in Grandola, in Évora. Wie bei einem Vulkanausbruch macht sich die Jahrzehnte lang angestaute Wut Luft. Die Ohnmacht, die Not, der Hunger, die Misere: Das Volk steht auf, es rebelliert.
Zwanzig Jahre später, am 25. April 1974 kam es zum Befreiungsschlag. Mit Kämpfern aus der Untergrundbewegung LUAR, mit militanten Aktivisten aus der PCP, mit Verbündeten im bewaffneten Militär, mit Hilfe erfahrener Militärs und letztlich mit Unterstützung des Volkes gelang die Revolution und der Sturz der Diktatur. Die Flamme der Rebellion brannte an vielen Orten in Portugal, vor allem aber in Orten wie Baleizão, seit dem Tag, als Catarina Eufémia ihren Schatten zum letzten Mal sah.
Zeca Afonso, der Komponist der Freiheitshymne Grandola Vila Morena schickte Catarinas Stimme nach ihrem Tod in Liedform auf den Weg: «Cantar Alentejano», »Sing, Alentejo, sing«. Die Autorin ­Clara Pinto Correa aus Baleizão schrieb Catarinas Geschichte auf: Adeus, Princesa. Die Dichterin Sophia de Melo Breyner Andresen schließt den Lebenskreis der 26-jährgen Landarbeiterin in ihrem Gedicht für sie mit den Worten: »Die Suche nach Gerechtigkeit hört nie auf.« 
 
Die Tyrannei ist glücklich, denn sie legitimiert zu Taten, die nicht erlaubt, nicht erwünscht, nicht vorstellbar sind.

360 Grad Wohlgefühl für die Augen

Foto von Monsaraz (Portugal)

von Ana Carla Gomes Fedtke und Eberhard Fedtke

> Vier sitzen zu vier Personen an einem kleinen Tisch eines Cafés am Fuße des Castelo de Monsaraz. Die Atmosphäre ist familiär und gediegen. Der Saal hat nur zehn Plätze, auf drei Tische aufgeteilt, ist gut ausgestattet, hat eine »Kinderecke«, bestehend aus einem Bänkchen, und eine »Wifi-Zone«. Wir leben im Einklang mit dem modernen Dasein: spärlicher Platz für Kinder, welche immer mehr in einer überwiegend technischen Umwelt fehlen, aber mit einer auf unergründliche Dimensionen geöffneten digitalen Welt. Die kleine Bartheke ist Teil des Raumes, ebenfalls die Miniküche, alles in funktionalem Ambiente gehalten.

Den Service versehen ein Mann, assistiert von einem jungen Mädchen. Augenscheinlich handelt es sich um Vater und Tochter. Sie ist reichlich groß gewachsen, erheblich größer als der Vater, hat blonde Haare, eine helle Haut und blaue Augen, ist froh gestimmt und von offener Liebenswürdigkeit. Dagegen ist das Verhalten des Vaters, einem »Braunhäutigen«, bei seiner Betätigung in der Küche diskret, würdevoll, schweigsam und bescheiden anzuschauen, sich an der Theke reserviert sowie in der Zusammenarbeit mit der Tochter mit gestischer Einfühlsamkeit zeigend, ohne seine Achtsamkeit zu mindern.

Wieso kommt ein Exemplar von so nordischer Schönheit in dieser Ecke der Welt vor, wollen wir die Meinung unserer beiden Tischgenossen dieses »Tages von Monsaraz« erfahren, sie, Natália, »eine Tochter aus Vinhas«, und er, »Sohn dos Foros da Fonte Seca«, Ortsteile der Gemarkung Redondo. Beider Gesten sowie ihre Erscheinungsform sind authentisch alentejanisch. Natália und Miguel geben uns eine ethnische Aufklärung über die Geschichte dieser Region Portugals: So erfahren wir, dass die nordische Schönheit keine vereinzelte Rarität ist. Es finden sich weit mehr bedeutsame Belege dieser Spezies. Das Alentejo erlebte in seiner Geschichte verschiedene ethnische Einflüsse, welche bedeutsame Fingerabdrücke in der Bevölkerung hinterliessen und sie als einzigartig formten. Zunächst waren es die Römer, die nachhaltig das Alentejo, zusammen mit anderen Teilen des Landes, bevölkerten und es zur Kolonie von Rom machten, wie die vielfältigen römischen Monumente, Brücken und antiken Säulen, römische Fußwege usw. belegen. Sodann erreichten die Westgoten die Halbinsel auf ihrer mittelalterlichen Wanderung, wobei die iberische Halbinsel das geographische Ende einer langandauernden und weiten Reise bildete. Das dritte Volk, das breite Merkmale in die Charaktere der Alentejaner versetzte, stellen die Araber dar, welche einen profunden Beitrag zur physischen Silhouette des alentejanischen Volkes beitrugen. Wenn wir in die Gesichter von alentejanischen Schönheiten blicken, können wir je ein wenig von diesen drei rassischen Typisierungen entdecken, elegante römische Nasen, schillernde blaue und grüne Augen der Westgoten sowie die braune Haut der Araber. Das portugiesische Volk hat viel Glück durch blutauffrischende Blüte-Epochen mit dominierenden Einflüssen dieser multiplen genetischen Ursprünge erfahren, was einzigartige Gesichtszüge kreierte. Spontan erinnere ich mich an eine Nachbarin mit puren grünen Augen. Wir meinen, dass eine Vielzahl der Portugiesen in sich ein Drittel römischer, ein Drittel westgotischer und ein Drittel muselmanischer Ausstaffierung vereinigt. »Es fehlt heute nur noch die Morgenröte afrikanischer Flüchtlinge«, wendet Natália ironisierend die Diskussion, »damit sie hier ihre Vorfahren, die Familien der vergangenen Jahrhunderte 1, 5 und 6 vor Christus besuchen.« »Eine gute Form der kulturellen Wiedergeburt«, sage ich. »Aber die Deutschen sind mit relevanter Präsenz und Effizienz hier«, hebt Miguel hervor, und ich neige mein Haupt zum Zeichen der Zustimmung. Sei es, wie es sei, wir leben in einem vereinten Europa, einer immer signifikantere und vielfältigere Mischung. Die besungene Geschichte des Alentejos mit seiner Folklore ist Teil dieses geographisch multifarbigen Europas.

Inzwischen beginnt die nordische Schönheit das Mittagessen zu servieren. Es gibt alentejanische Fischsuppe mit regionalen Spezialitäten, Schweinefleisch nach heimischer Art. Miguel sucht einen guten Wein aus und hat ersichtlich Schwierigkeiten, unter all den berühmten Produkten, die in der gesamten Region wachsen und nationale wie internationale Anerkennung genießen, einen diesem bevorzugten Tag angemessenen Tropfen zu finden. Letztlich entschließt er sich für einen roten Eugénio de Almeida, Jahrgang 2013, etliche Male prämiert. Wir haben Hunger und einen guten Appetit nach dem anstrengenden Aufstieg vom Parkplatz unten zum Eingang des Ortes Monsaraz, wir diesen durchschreiten und das Schloss besuchen, summa summarum drei Stunden voller Konzentration und Bewunderung antiker und mittelalterlicher Sehenswürdigkeiten, von Anspielungen an die blumengeschmückte Renaissance, vieles in manuelinischem Stil. Der Ort bildet eine erstaunliche Ansammlung von Farben in grauem Granit, rotem Mörtel und einer Mischung von Schiefer. Die Häuser wie alle Strassen strahlen eine Vielfalt sensibler Inspiration einfallsreicher Architektur aus, viele Teile in profunder Symbiose von Kunst und Religion sowie klassischer Planimetrie der Vergangenheit. Es ist ein anregendes Vergnügen, durch diese historische städtische Kostbarkeit zu gehen, voll auch von authentischen Kostümierungen und folkloristischen Verkleidungen. Die Porta da Vila, welche mit einem Spitzbogen die Besucher begrüßt und sie erstaunen lässt, zeigt sich geschmückt von zwei halbzylindrischen Cubelos-Figuren, deren eine einen schweigsamen Uhrenturm trägt.

Das Schloss, erbaut auf dem erhobenen Monte Monsaraz, ist ein prähistorisches Monument mit wertvollen mittelalterlichen Elementen und solchen aus dem 16. Jahrhundert, in viereckiger Grundstruktur, mit Mauern aus Schiefer und Türmen mit Kalkverputz In der Mitte befindet sich der große und imponierende Kampfplatz mit Tribünen, klug verbunden mit den Alkoven sowie dem Bergfried. Das Schloss wird von drei Bollwerken geschützt und ist mit einer Brüstung sowie einer Schutzmauer versehen, welche die gesamte Stadt umkreist und eine vollendete Einheit bis zum Eingang der Kirche Ermida de São Bento de Monsaraz bildet. Im Innern des Forts lebten durchgehend etwa 40 bis 50 Personen.

Der gute Wein setzt mehr und mehr Impulse frei: Natália und Miguel erläutern uns mit Begeisterung und Stolz die allgemeinen Charakteristika des Alentejos und der Region Monsaraz, bevor der Bau dieses fantastischen Sees von Alqueva begann, eine famose portugiesisch-spanische Komposition am Guadiana-Fluss. Diese Gemeinschaftsarbeit schuf den größten künstlichen See in ganz Westeuropa. »Die Leute lebten«, berichtet Miguel mit feierlicher Stimme über die Vergangenheit des Alentejos, »hauptsächlich von der Landwirtschaft, der Viehzucht, ein wenig Tourismus, stets mit viel Demut gegenüber den ärmlichen Bedingungen dieses Landesteils. Das Leben war hart, bescheiden in allem, authentisch im täglichen Kampf um das ›Brot auf dem Tisch‹ der Familie, gläubig in Entsprechung der Fürbitte des Vaterunsers«. Das Auftreten war glaubwürdig und die Hitze des Sommers für jede Art von Betätigung ein signifikantes Hindernis. Der soziale Rhythmus änderte sich mit der ersten Migrationswelle nach Zentraleuropa in den sechziger Jahren und der Einführung des Fernsehens in den Achtzigern. Mit dem See von Alqueva, beendet und in Funktion seit 2010, änderte sich die Situation bedeutsam, indem etwa 20.000 neue Arbeitsplätze, und etliche anhängende wirtschaftliche Aktivitäten geschaffen wurden.Die Bedingungen der Landwirtschaft verbesserten sich, die Monokultur der Weidewirtschaft wurde beendet. Der See nutzt mit seinen Wasserreserven der gesamten Region, schafft regelmässige Bewässerung und sichert die Versorgung mit elektrischer Energie. Der Tourismus nimmt zu, vor allem mit seinen bekannten Bootsreisen über den gesamten See. Heutzutage stellt die Region von Alqueva und Monsaraz für Portugal ein Beispiel dynamischen modernen Leistungsnachweises und einen Pfeiler der Zukunftsentwicklung des Landes dar. Das Gebiet ist Teil des Welterbes. »Es waren wir Alentejaner«, vervollständigt Natália stolz den Punkt über die alentejanische Migration, »welche die Azoren im 16. Jahrhundert kolonisierten«, was den unternehmerischen Charakter der Alentejaner offenbart.

Inzwischen hat meine Begleiterin mit den Personen am Nebentisch ein Gespräch angefangen, diese angezogen von unserem intensiven und emotionalen Gespräch bzw. den Beiträgen von Natália und Miguel. Unter den Tischnachbarn befand sich ein eleganter Herr mit feingliedrigen Händen und Fingern, nicht von alentejanischer Ausprägung, mit einer randlosen Brille, ein Archäologe, der, wie er uns mit wachsender Begeisterung erzählte, in der Planungsleitung für das »gloriose Projekt Alqueva«, wie er formulierte, gearbeitet hatte. Er kehrte heute hierhin zurück, um seiner Ehefrau und seien zwei Kindern zu zeigen, wo er einen guten Teil seines Arbeitswirkens zwischen 1993 bis 2005, also zwölf Jahre seines Lebens, zubrachte, alles um ihn herum »seine geliebte Heimat«, wo »er jeden Stein, jeden Grashalm, jede Straße ohne Kurven in den Feldern und jeden der Adler kenne, welche majestätisch um das Kastell kreisen.« »Es waren deren Urgroßväter«, unterbricht meine Partnerin, Alentejanerin aus Redondo, den Wissenschaftler der Wasserhydraulik und korrigiert ihm die Landkarte der alentejanischen Fauna. Er nickt vergnüglich mit dem Kopf und fährt fort, uns in begeisterten, farbigen und faszinierenden Ausführungen die Geschichte seines Arbeitsuniversums von 250 km2 und mehr als 1.000 km Strandlänge zu erzählen, das Vorhaben im Jahr 1968 durch die portugiesisch-spanische Übereinkunft zur Nutzung der internationalen Gewässer eröffnet. Vorarbeiten liefen 1976, dann kam eine Unterbrechung im Jahr 1978, die Wiederaufnahme setzte 1995 nach langen politisch-administrativen »Kämpfen« ein, die Verkehrsübergabe der Nationalstraße Portel—Moura geschah 2002. Am 12. Januar 2010 erreichte der Stau mit 152 Metern seine größte Höhe, was ein gestautes Volumen von 4.150 Hektometern ergab, 2013 die zentrale Hydroelektrikanlage eingeweiht wurde. Für uns waren es 30 kurze Minuten eines authentischen Films gemischter Zusammenhänge, illustriert von fröhlichen Episoden des Alltags in jener grössten Baustelle Portugals während viereinhalb Dekaden. Der Archäologe in seiner starken Emotion, zurückzublicken, versetzte den ganzen Saal in ein betäubtes Schweigen, die hübsche Blonde stellte ihren Service ein und der braunhäutige Vater, mit den Ellenbogen auf die Theke der Bar gestützt, applaudierte mit seinen Augen unentwegt dem enthusiastischen Ingenieur. Ein Szenario fertig für einen Filmdreh ohne geschriebenes Libretto.

Der Nachtisch – serviert wurde eine alentejanische «cericá da terra» – schloss den Tag in würdiger Form.

Bevor wir aufbrachen, lüftete der wortkarge Chef des Cafés sein Schweigen und sagte zu uns: »Es lohnt sich, auf den höchsten Punkt des Schlosses zurückzukehren, um den Sonnenuntergang zu genießen. Dieses einmalige Ereignis vergisst man nicht.«

Er sollte Recht behalten – ein Supererlebnis lyrischen Wohlbefindens für die Augen, diese eindringliche Mischung von Wasser und Landschaft mit aus unendlichen Ebenen heraufschwebenden Aromen – in der Tat ein malerisches, monströses und magisches Make-up.

Trezentos e sessenta graus de bem-estar para os olhos

Foto von Alqueva (Portugal)

de Ana Carla Gomes Fedtke e Eberhard Fedtke

> Estamos sentados, quatro pessoas numa pequena mesa dum café ao pé do Castelo de Monsaraz. A atmosfera é familiar e agradável. A sala tem apenas 10 lugares, distribuídos por três mesas, bem equipada, dispondo também de uma «área infantil», aliás, é um banquinho infantil e tem ainda uma «zona wi-fi». Vivemos em consonância com a realidade moderna: pouco espaço para as crianças, que faltam cada vez mais numa vida dominantemente téc­nica, mas com um mundo digital aberto a dimensões misteriosas. O pequeno balcão do bar faz parte da sala, também a minicozinha, tudo num ambiente muito funcional.
O serviço é feito por um homem que é assistido por uma menina. Trata-se obviamente de pai e filha. Ela é bastante alta, bem mais alta que o pai, tem cabelos loiros, uma pele branca e olhos azuis, é alegre e tem uma amabilidade aberta. O comportamento do pai, pelo contrário, um «moreno», e mais discreto, mas digno do seu trabalho, silencioso na cozinha, serve no balcão com impetuosa modéstia, reservado, fala utilizando uma sensibilidade gestual e sem nunca perder a concentração na colaboração com a filha. Ela domina a sala com 10 lugares, uma tarefa fácil.
Como é possível, um exemplar de beleza tão nórdico neste canto do mundo, queríamos saber a opinião dos nossos dois acompanhantes de mesa, neste «dia de Monsaraz», ela, Natália, uma «filha das Vinhas» e ele, Miguel, um «rapaz dos Foros da Fonte Seca», freguesias que pertencem ao concelho do Redondo. Todos os gestos de ambos assim como as suas figuras são autenticamente alentejanos. Natália e Miguel dão-nos uma lição de etnologia sobre a história desta região de Portugal: ficámos a saber que esta menina nórdica não é uma pura raridade. Encontram-se mais provas evidentes desta espécie. O próprio alentejano na sua história tinha várias influências étnicas que deixou marcas de ADN notáveis nesta população, tornando-a singular. No início foram os Romanos que expressivamente colonizaram o Alentejo, juntamente com outras partes do país, sendo uma colónia de Roma, como provam os múltiplos monumentos romanos, pontes e colunas antigas, caminhos de pedra romana, etc. Depois chegaram à Península os Visigodos na sua migração medieval, tendo sido a península ibérica o fim geográfico de um longo e comprido passeio. O terceiro povo que teve uma larga expressividade nas características dos alentejanos foram os Árabes que deram um profundo contributo para a silhueta física do povo alentejano. Se olharmos nas caras das belezas portuguesas, podemos descobrir um pouco de tudo destas tipificações raciais, narizes elegantes ­romanos, olhos irisando em azul e verde dos Visigodos e a pele castanha dos Árabes. O povo português teve muita sorte da florescência sanguinária e das infiltrações dominadoras destas múltiplas origens genéticas, formando caras ­únicas e singulares. Espontaneamente lembro-me de uma vizinha com olhos puramente verdes. Pensamos que muitos portugueses reuniram um terço da expressão romana, um terço visigodo e um terço muçulmano. «Só falta hoje a aurora dos refugiados africanos», vira a Natália ironicamente a conversa. «Para eles visitarem aqui os seus bisavôs, os familiares dos antepassados, dos séculos I DC, V DC e VI DC, respectivamente», «uma boa espécie de renascimento cultural», digo eu. «Mas os alemães estão aqui com relevante presença e eficácia», sublinha o Miguel e eu inclino a minha cabeça num sinal afirmativo. Seja como for, estamos na Europa unida, uma mistura de população cada vez mais significativa e misturada. A história cantada do Alentejo com o seu folclore faz parte desta geografia multicolorida europeia.
Entretanto a beleza nórdica começa a servir o almoço. Uma sopa de cação alentejana e umas especialidades regionais, carne de porco à alentejana. Miguel escolhe um bom vinho e visivelmente tem dificuldade em encontrar uma colheita digna para este dia preferido de todos, entre produtos famosos que crescem por toda a região e já com meritório reconhecimento nacional e internacional. Decidiu-se finalmente por um Eugénio de ­Almeida, tinto, colheita de 2013, várias vezes premiado. Temos fome e um bom apetite depois da escalada fatigante do parking em baixo, desde a entrada da freguesia de Monsaraz, atravessando toda a freguesia e depois a visita ao castelo, em suma perfazem três horas de concentração e admiração pelas características antigas e da época medieval, mas também alusivas ao florescimento renascentista, muitas em estilo manuelino. A freguesia é uma riqueza estupenda de cores de granito cinzento, argamassa de barro vermelho e uma espécie mesclada de xisto. As casas, assim como todas as ruas exibem uma palete de inspiração sensível de arquitectura engenhosa, muitas peças em profunda simbiose de arte com religião, com testemunhos impressionantes de uma forma lógica de planimetria clássica do passado. É um prazer estimulante de passar a par e passo esta preciosidade urbana histórica, cheia também de trajes autênticos e disfarces folclóricos. A Porta da Vila, saudando e surpreendendo os visitantes num arco ogival, ostenta-se decorado por dois cubelos semicilíndricos, um dos quais portando um campanil calado de relógio.
O próprio castelo, situado no elevado Monte de Monsaraz, é um monumento pré-histórico, transbordando de preciosos elementos medievais e seiscentistas com uma planta quadrangular, com muralhas de xisto e torres, reforçadas por cal. No meio situa-se a grande e imponente praça de armas com tribunas, ­inteligentemente toda combinada com as edificações da alcova e da torre de menagem. O castelo está protegido com três baluartes e decorado com um parapeito e uma coluna artificial que circunda toda a vila, fazendo uma união per­feita com as muralhas da porta da igreja Ermida de São Bento de Monsaraz. ­Viveram no forte inteiro continuamente cerca de 40 a 50 pessoas.
O bom vinho dá mais e mais impulsos: Natália e Miguel explicam-nos com entusiasmo, orgulhosos das características do Alentejo em geral e nesta região de Monsaraz, antes de começar a construção do fantástico lago do Alqueva, uma famosa composição luso-espanhola no rio Guadiana. Esta colaboração conjunta criou o maior lago artificial em toda a Europa Ocidental. «A gente», conta Miguel com voz solene sobre o passado do Alentejo, «viveu principalmente da agricultura, da criação do gado, com pouco do turismo, sempre com muita devoção face às pobres condições desta parte do país. A vida era dura, modesta em tudo, autêntica no cuidado confiante pela quotidiana luta para o ‹pão na mesa› da família, crente em correspondência na oração do Pai Nosso». Os hábitos eram fidedignos, e o calor do verão um bloqueio significativo para cada ramo de actividade. O ritmo social mudou com a primeira onda famosa de migração na europa central nos anos sessenta e a importação da televisão nos anos oitenta. Com o lago do ­Alqueva, terminado e em funcionamento em 2010, a situação mudou significativamente, criando em primeiro lugar cerca de 20.000 novos postos de trabalho e muitas actividades comerciais complementares, melhorando as condições da agricultura, acabando com a monocultura de agro-pastoril. O lago ajuda com as suas reservas de água toda a região, produzindo regas constantes e segurando um fornecimento de energia eléctrica. Aumenta o turismo em geral, nomeadamente com as famosas visitas de barco por todo o lago. Hoje em dia esta região do Alqueva e de Monsaraz significa para Portugal um exemplo de desempenho dinâmico, moderno e um estável pilar no desenvolvimento futuro do país. A região faz ­parte do património mundial. «Fomos nós alentejanos», Natália completa orgulhosamente a discussão sobre o ponto da ­migração alentejana, «que colonizámos os Açores no século XVI», a prova de um carácter alentejano empreendedor.
Entretanto a minha companheira ­meteu conversa com as pessoas que se encontravam na mesa ao lado, que atentaram na nossa conversa intensa e emocionada, respectivamente às intervenções de Natália e Miguel. Entre os nossos vizinhos do lado estava um senhor elegante, com mãos e dedos fininhos, não à maneira alentejana, e com óculos sem armação, um arqueólogo que trabalhou, como nos conta com êxtase crescente, na direcção e planeamento do «projeto glorioso do Alqueva», como formula. Voltou hoje aqui, para mostrar à sua mulher e aos seus dois filhos, onde passou boa parte do seu tempo laboral desde 1993 até 2005, aliás 12 anos da sua vida, sendo tudo à sua volta «a sua amada terra», onde ­conhece «cada pedra, cada erva, cada ‹estrada sem curvas› nos campos e cada águia que gira ainda hoje majestosamente em torno do castelo». «Foram os bisavôs deles», a minha companheira, também alentejana do Redondo, interrompe o cientista da hidráulica e corrige o mapa-mundi da fauna alentejana. Ele acena divertido com a cabeça e continua a contar-nos com palavras entusiastas, coloridas e fascinantes a história do seu universo laboral no Alqueva com 250 km2 e mais de 1.100 km de margens, tendo sido em 1968 estabelecido aquando da celebração do Convénio Luso-Espanhol a utilização dos rios internacionais. O início das obras preliminares ocorreu em 1976, depois veio a interrupção delas em 1978, o reinício dos trabalhos deu-se em 1995 depois de longas «lutas» político-­administrativas, a abertura ao trânsito da estrada nacional Portel-Moura chegou em 2002. Em 12 de Janeiro de 2010, a barragem atingiu o seu nível máximo de 152 m, dando origem a um volume de água armazenada de 4.150 hectómetros cúbicos, até à inauguração da central hidroeléctrica em 2013. Para nós representou uns curtos 30 minutos de autêntico cinema de uma coerência misturada, ilustrados com alegres episódios dos dias quotidianos neste maior terreno de construção em Portugal durante quatro décadas e meia. O arqueólogo numa intensa emoção de retrospectiva durante estes 30 minutos deixou toda a sala num silêncio ensurdecedor, a loira bonita parou o seu serviço e o pai moreno, com os cotovelos apoiados no balcão do bar, olhava continuamente aplaudindo o engenheiro entusiasta com os seus olhos. Um ­cenário pronto para filmar sem libreto escrito.
A sobremesa, servida num delicioso ­cericá da terra, encerrou de forma condigna e rematou o dia em boa companhia.
Antes de ir embora, o silencioso chef do café rompeu o seu silêncio e disse-nos: «Vale a pena voltar ao ponto mais alto do castelo para apreciar o pôr-do-sol. Não é para esquecer este cenário único», prometeu-nos.
Tinha razão – um super evento de bem-estar lírico para os nossos olhos, a combinação de águas e terra com intensos aromas enxameados das infindas planícies, manifestamente uma maquilhagem pitoresca, monstruosa e mágica.

 

Über die Zucht der Schwarzen Schweine

Fotos von Porcos Pretos im Alentejo

Porcos Pretos im Alentejo · © Catrin George

Die »Porcos Pretos« in Vale Açor de Baixo

José Luis Cravinho züchtet die Schwarzen Schweine mit Herz und Verstand · von Catrin George

Bei Senhor José Luis Cravinho und seiner Frau María Célia gibt es herzhafte hausgemachte Räucherwaren und mürbe gereiften Schinken zu kaufen − exklusiv vom Schwarzen Schwein aus eigener Zucht.
Die Casa Cravinho ist ein Familienbetrieb mit drei Geschäftsbereichen: Zucht, Fleischverarbeitung mit Hof-Verkauf und Gaststätte. Das urige Lokal mit Räucherei liegt direkt an der Nationalstraße N 122 im Dorfweiler Vale Açor de Baixo zwischen Mértola und Beja im Vale Guadiana im Baixo Alentejo. Ehefrau María Célia führt das Café mit Hofladen im Dezember 2017 seit dreißig Jahren. Zünftige dicke Scheiben Holzofenbrot mit großzügig von Hand geschnittenem Schinken vom Schwarzen Schwein belegt und als herzhaftes Sandwich serviert, stillt den Hunger von Bauern, Handwerkern und Durchfahrenden, und verführen zu weiteren Kostproben wie pikante Salami Linguiça, rohe Blutwurst Chouriça de Sangue, geräuchertes Filet Naco de Lombo, Nacken Paiola de Cachaço oder die kräftige Paprikawurst Salpicão. Die warm geräucherten und gut abgehangenen Enchidos-Würste in der üppig bestückten Vitrine verströmen den Duft von Lorbeer, Knoblauch und Pfeffer. Zum Mitnehmen im Ganzen eingewickelt oder vakuumiert zum Sofort-Verzehr als Petisco angerichtet, schmeckt ein bisschen hiervon und davon am besten mit Sauerteigbrot und Oliven. Neben der Vitrine hängt eine dunkelrote, zart mit Fett­fasern marmorierte, 12 bis 24 Monate lang behutsam in speziellen Trockenkammern gereifte, schlanke Schinkenkeule mit schwarzer Klaue am Knochen in ihrem Gestell − auf dem Schneidebrett darunter griffbereit das scharfe Messer mit schmaler Klinge.
Die Porco-Preto-Hausmacher-Wurst­fabrik ist ein Geheimtipp und Senhor José Luis berühmt für sein kulinarisches Talent, jedes Enchido lecker und anders zu würzen sowie für seine Geduld, den 14−16 Kilogramm schweren Schinken-­Keulen nach dem Salzen beim Lufttrocknen bis zur optimalen Reife zuzuschauen. Bestimmte Wurstsorten − allen voran Paiola und Salpicão − sind schnell ausverkauft, was an an der gewollt limitierten Menge der Porco-Preto-Spezialitäten im Hause Cravinho liegt. Die Nachfrage nach dem bekömmlichen Fleisch der ­gesetzlich vorgeschrieben, artgerecht gehaltenen Schweinerasse, wächst ­beständig. Das liegt am exquisiten ­Geschmack, an der gesunden Struktur des Fleisches und am Nährwert, technisch betrachtet an den mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Gesundes Fleisch von glücklich freilaufenden Schweinen! Trotzdem strebt Familie Cravinho keine industrielle Vergrößerung ihres Betriebes an und nennt solide kaufmännische und ideelle Gründe für diese Entscheidung: Damit der gewünschte Qualitätsanspruch gewahrt, die Kalkulation austariert und die Rendite stabil bleiben, reicht die momentane Produktion aus. »Unter ideellen Gesichtspunkten beleuchtet, macht eine Vergrößerung auch keinen Sinn, möchten wir die mehrere Jahrhunderte alte Nachhaltigkeit der Zucht und Haltung bewahren und nicht zwecks Gewinnoptimierung opfern«, erklärt Senhor José Luis. »Nur wenn die Tiere auch künftig artgerecht gehalten freilaufen und sich aus ihrem genuinen Umfeld gesund ernähren, bleiben Fleisch und Fett so gesund wie bisher und die Blutlinie unserer Schwarzen Schweine rein« Eine Einmischung in diesen natürlichen Kreislauf möchte Senhor José Luis vermeiden. »Als Landwirt kann man sein Land nicht eigennützig ausbeuten, man muss es lieben wie ein Kind, damit die Kinder des Kindes in Zukunft in diesem Land leben können.« Eine simple Lebenswahrheit, gesprochen von einem bodenständigen Unternehmer.
Zwei Herbste und Winter lang soll das Porco Preto Alentejano sich mit Eicheln von der Steineiche sattfressen, sagt eine alte Bauernregel, jeden Tag zwanzig ­Kilometer laufen, sich im Schlamm wälzen, im Teich baden, nach Würmern und Wildkräutern suchen, bevor es mit etwa zwanzig Monaten ausgewachsen und muskulös bepackt schlachtreif ist. Zum Freilauf-Gelände der Cravinhos sind es zwanzig Minuten Fahrt über Stock und Stein, bis die Rotte im Schatten einer ausladenden Steineiche auftaucht. Im durchsichtig klaren Licht der Nachmittagssonne heben sie sich optisch kaum von der herbstlich trockenen Umgebung ab. Erst als sie gemächlich in Reih und Glied loszuckeln, erkennt man, dass es weit mehr als fünfzig ausgewachsene Schwarze Schweine sind. Der Rottenchef fehlt, erkennt Senhor José Luis auf den ersten Blick. Aber man hört ihn näherkommen. Sein röhrendes Grunzen auf der Suche nach seiner Sippe echot hohl wie ein Zweitaktmotor durch die stille Weite des Alentejo. Der Eber ist unterwegs auf seiner Patrouille durch das sechzig Hektar große Territorium ­irgendwo falsch abgebogen und muss jetzt den Durchgang zwischen zwei Weiden wiederfinden. Sich ihm in den Weg stellen möchte niemand. Mit einem über 150 Kilogramm schweren muskelbepackten Eber ist nicht zu spaßen, vor allem dann nicht, wenn Sauen mit Frischlinge in der Nähe sind. Besser stillstehen und dem laut grunzenden Porco Preto hinterher staunen, wie elegant rhythmisch es durch das Gelände trabt. »Gut für den Schinken«, zwinkert Senhor José Luis und seine Augen strahlen: Züchter und Schlachter mit Herz und Verstand!