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Portugal in Leipzig 2022

Illustration zur Leipziger Buchmesse von Tamara Budnikova

Trotz Absage der Buchmesse: Leipzig liest vier Tage lang portugiesischsprachige Bücher • von Iris Köhler-Fritsch

Den Auftakt machte das Literaturhaus am Donnerstag, den 17. März. Kurze Ansprachen, eine Ausstellungseröffnung mit Texten von José Saramago, Petiscos und 5 anwesende Autorinnen und Autoren aus Portugal, die auf dem Podium Rede und Antwort standen: ein echtes Erlebnis also. Besonders beeindruckte das Buch O retorno (Die Rückkehr) von Dulce Maria Cardoso. 1964 in Portugal geboren, in Angola aufgewachsen kehrte die Autorin im Alter von elf Jahren mit 500.000 anderen retornados ins Mutterland Portugal zurück.

José Luís Peixoto wiederum beschäftigt sich in seinem gleichnamigen Roman mit seinem Heimatdorf Galveias im Alentejo.

Und schließlich ging es um die Zuflucht am Rande Europas von Irene Pimentel und Christa Heinrich. Viele KünstlerInnen wie Hannah Arendt, Lion Feuchtwanger und circa 50.000 andere fanden in Lissabon Zuflucht vor den Nazis; höchste Zeit also, den Forschungsergebnissen darüber mehr Beachtung zu schenken.

Am folgenden Tag fanden in der Schaubühne Lindenfels fünf weitere faszinierende Lesungen im Rahmen des Gastlandauftrittes Portugal statt.

Der Portugiesische Salon folgte am Samstag im sympathischen Leipziger Literaturverlag in der Brockhausstraße. Dort wurde unter anderem Abdulai Sila vorgestellt, ein Schriftsteller aus Guinea Bissau. Sein Buch entführte die gebannt lauschende Zuhörerschaft in die unbekannten Welten des lusophonischen Sprachraumes.

Foto von Rodrigo Leão und seiner Band beim Auftritt in Leipzig

Rodrigo Leão und seine Band beim Auftritt in Leipzig · Foto: Iris Köhler-Fritsch

Den krönenden Abschluss der vier portugiesischsprachigen Tage bildete das Konzert von Rodrigo Leão und seiner Band in der Schaubühne Lindenfels. Sphärische Klänge mit intensiven Rhythmen kombiniert mit Videoprojektionen boten ein intensives Hörerlebnis.

Fazit: Wenn Absagen so aussehen, dann sind wir einverstanden.

Weltfrauentag

Foto auf einer Demonstration zum Weltfrauentag

Gedanken zum 8. März    von Catrin Ponciano

> Die Lebensverwirklichung für Frauen ähnelt einem Hindernislauf, sagt ein indischer Multimillionär. Er hatte für vierzehn Tage mit seiner Tochter die Rollen getauscht. Seine Quintessenz über seine Erfahrung als temporäre Mutter und berufstätige Frau mit Familie und Kindern findet Ausdruck in seinem Bildnis Hindernislauf (https://m.facebook.com/741593119884853). Ein Modellversuch für die Schärfung der Sichtweise gegenüber der Wirklichkeit im Leben einer Frau.

Was allerdings mehrere Jahrtausende lang gepredigt wurde, kann sich nicht in einem Jahrhundert ändern. Die Rolle der Frau war in den meisten Völkern dieser Erde, mit Ausnahme einer Handvoll Naturvölker, in denen das Matriarchat heute noch dominiert, eben patriarchalisch besetzt und definiert. Die Crux daran ist die Tatsache, dass sämtliche Regeln für Frauen von Männern entschieden und niedergeschrieben worden sind. Regeln, die erst in einer Art Stammesordnung Ausübung fanden und später in Gesetzbüchern und Verfassungen. Und, nicht zu vergessen, in der Bibel.

In sämtlichen Schriften der Spätantike, des späten Mittelalters bis zur Schwelle zur Neuzeit mit aufkeimenden liberalistischen Denkansätzen, existierten Frauen in der Gesellschaft lediglich als Ehefrau oder Tochter von Sowieso, als Magd oder als Hure. Als Mensch mit Gedanken, Gefühlen und Rechten wurden Frauen nicht wahrgenommen, sondern zu etwas Verklärtem erhoben − oder gänzlich unterdrückt.

In Portugal war das nicht anders. Die Frau diente dem Mann, der Familie, der Kirche und dem Nachwuchs. Tat sie das nicht, diskriminierte die Konvention sie zum Frauenzimmer, und sie war gefährdet, von Moralwächtern verhaftet und entmündigt zu werden, auf dem Schafott zu landen oder in einem geschlossenen Heim zwecks Umerziehung. Frauen ihren Willen und eigenen Geist zuzugestehen, gar Handlungsspielraum, stand selbst noch zur vorvorherigen Jahrhundertwende und speziell während der über vierzig Jahre lang währenden Diktatur Salazars außer Frage. 

Trotz der Nelkenrevolution ist es traurig, dass der 8. März auch 2022 wieder daran gedenken muss, wie ungleich verteilt die Rechte und Chancen zur Verwirklichung des eigenen Lebensplans zwischen Frauen und Männern sind, heißt es unisono aus Portugal, doch ­gemeint ist die Lebenswirklichkeit für Frauen weltweit. Deswegen ziehen Portugals Frauen kritisch Bilanz über 50 Jahre nationale Zeitgeschichte.

Der Sozialisierungsprozess sei ihrer Meinung nach ins Stocken geraten. Frauen leisten nach wie vor mehr Lebensarbeit als Männer, sobald sie Mutter sind. Verantwortlich dafür sei die in Portugal nach wie vor seitens der Politik finanziell beschränkte Möglichkeit für Frauen, länger als fünf Monate Mutterschaftsurlaub zu Hause zu bleiben, um sich um den Nachwuchs zu kümmern − oder als Alternativmodell der Vater. Ohne ein zweites Gehalt sichert nämlich in über der Hälfte aller Familienhaushalte ein Gehalt plus das Kindergeld bei Weitem nicht die Existenz. Aus diesem Grund existieren in Portugal bereits seit etlichen Jahren immer weniger Single-Haushalte. Nebenbei bemerkt: Denn ein Gehalt im Mindestlohnbereich reicht generell nicht für die Existenz auf eigenen Füßen. Deswegen sind besonders junge Frauen dazu gezwungen, bei ihren Eltern zu wohnen.

Fotos von Frauen dieser Welt

Frauen dieser Welt · © Gerd Altmann from Pixabay

Sich finanziell auf bessere Füße zu stellen, bleibt einem Großteil der Frauen verwehrt, denn sie arbeiten in Bereichen, in denen Männern selten oder gar nicht tätig sind. Als Beispiel dienen berufliche Tätigkeiten wie Zimmermädchen, Kassiererin, Spülkraft, Krankenschwester, Pflegerin. Berufe, die im Mindestlohnbereich liegen und eine eigenständige Lebensgrundlage unmöglich machen. Männer trifft man in diesen Berufsfeldern gar nicht oder nur selten an, was die nächste Diskrepanz aufblättert. Die Kategorisierung von Berufen in weiblich oder männlich. Es gibt keinen Grund, warum es nicht auch Zimmerjungs geben kann, wird einstimmig bekräftigt.

Die Lohnschere in der Privatwirtschaft spiegelt die nächste Diskrepanz. Gehälter für weibliche Fachkräfte liegen bis zu vierzig Prozent unter denen der männlichen Kollegen in gleicher Position und mit gleichem Anforderungsprofil an die berufliche Kompetenz. Eine Quotenregelung wird kritisch betrachtet. Führungspositionen sollten nach Qualifikation besetzt werden und nicht 1 : 1 zwischen den Geschlechtern. Wichtig sei vielmehr die gleichwertige monetär adäquate Würdigung der gleichen erbrachten Leistung.

Ein paar Worte zur hiesig praktizierten Würdigung von Frauen. Einig sind sich Portugiesinnen darin, dass der Weg zur Akzeptanz der Frau als gleichgestellte, gleich qualifizierte, gleich bezahlte und chancengleich behandelte Partner familiär und beruflich auch künftig hindernisreich bleibt. 

Dass Frauen sich seit dem Arbeiterinnenaufstand in einer Textilfabrik 1908 in New York überall auf der Welt zusammenraufen und seither organisiert für ihre Rechte als Frau, als Mutter, als Ehefrau und im Beruf kämpfen, blickt gerade einmal auf 113 Jahre Frauenrechtlerinnen-Geschichte zurück. Auch Portugals Frauen waren von Anfang an mit dabei und mussten während ihres Hindernislaufes zusätzlich die 42 Jahre andauernde Hürde der faschistischen Diktatur Salazars nehmen.

Düstere Jahre für Frauen. Degradiert zum Schoß der Nation, ein Dasein für die Familie, Kinder und Kirche zu fristen. Ohne Legitimation zur Selbstbestimmung durften Frauen in Portugal während der Diktatur kein eigenes Konto führen, keinen Arbeitsvertrag ohne die Zustimmung der Familie oder, als Ehefrau des Ehemannes unterschreiben. Frauen durften nicht wählen (es sein denn sie waren Witwe und damit vor dem Gesetz das Familienoberhaupt) und ohne Zustimmung des Ehemannes auch keinen Beruf ausüben. In völlige finanzielle und soziale Abhängigkeit gedrängt, erduldeten Hunderttausende Frauen zusätzlich häusliche Gewalt (bis 1974 kein Strafbestand), gegen die sie weder Anzeige erstatten noch sich scheiden lassen konnten. Darüber hinaus waltete das Moral Gesetz über die Sittenwahrung des weiblichen Geschlechts. Sollte ein Mann, oder Eltern, das sittliche Verhalten seiner Frau, ihrer Tochter, in Frage stellen, griffen Sittenwächter ein. Eine individuelle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit für Frauen war gänzlich ausgeschlossen. Auf diese Weise moralisch überwacht, wurden Frauen, die für ihre Individualität einstanden, reihenweise in Umerziehungsanstalten eingewiesen − oder sie wurden entmündigt.

Plakat zum Weltfrauentag

Plakat zum Weltfrauentag · © Vane from Pixabay

Seit der April-Revolution und den ersten freien Wahlen mit Wahlrecht für Frauen ist zwar bald ein halbes Jahrhundert vergangen, und Frauen dürfen laut Gesetz längst selbst über ihr Leben bestimmen, besitzen freien Zugang zu Bildungseinrichtungen, können häusliche Gewalt zur Strafanzeige bringen und sich scheiden lassen, aber die persönliche Aufopferung für eine eigene Familie, für eine Ehe und gegen einen Beruf mit höherer Laufbahn bleibt für sie ungleich hoch, in Relation zur Entscheidungsfreiheit der Männer.

Summa summarum tragen auch in Portugal weiterhin Frauen den Löwen­anteil zur gesellschaftlichen und − selbstredend − zur demografischen Entwicklung bei.

»Vieles hat sich für uns Frauen in Portugal seit 1974 verbessert«, sagt eine Geschichtsforscherin. »Doch die größte Hürde für ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Mütter bleibt bestehen, solange die Politik junge Familien nicht angemessen finanziell unterstützt − und solange die Akzeptanz der Frau als Partnerin Mensch durch die nach wie vor starre patriarchalische Denkweise verwehrt wird.«

Portugals Frauen kämpfen in alle Richtungen. Sie meistern ihr Leben trotzdem. Ergo kämpfen Portugals Frauen weiter. Jeden Tag.

Lisboa, cidade triste e alegre

Cover des Buches «Lisboa – cidade triste e alegre«

Victor Palla zum hundertsten Geburtstag    von Jörg Hahn

> Wie kann man «Lisboa, cidade triste e alegre», also Lissabon als traurig-fröhliche Stadt, am besten verstehen? Es ist leicht mit Hilfe von Victor Palla.

Die ersten Hinweise auf Palla, den vor einhundert Jahren geborenen künstlerischen Tausendsassa, erhalte ich ausgerechnet in Frankfurt am Main im Fotografie Forum. In einer Retrospektive des amerikanischen Fotografen Peter Fink ist ein Raum Aufnahmen aus dem Portugal der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts gewidmet, eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Foto aus Lissabon, Nazaré, dem Alentejo. Ein Kontaktbogen zeigt den Empfang von Soldaten aus den ­Kolonien im Lissaboner Hafen. Kinder, Frauen und Männer liegen sich in den Armen, die Gefühle aller sind sichtbar − und fast körperlich spürbar. 

Von den vielfältigen, spontanen Aufnahmen Finks von Straßen, Landstrichen, Situationen und Menschen, mit denen er Einblicke in neue Kulturen eröffnete, ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Victor Palla, der zu derselben Zeit in einem sehr vergleichbaren modernen Schnappschuss-Stil − aus der Hand heraus ohne jede Vorbereitung − fotografiert hat. Im Fink-Ausstellungskatalog wird neben anderen inspirierenden Kollegen und Kolleginnen gerade auch Victor Palla genannt, und dabei vor allem dessen zusammen mit dem Designer Costa Martins im Jahr 1959 entstandenes Buch Lisboa, cidade triste e alegre. Fink hat seinen Plan, einen eigenen Fotoband über Portugal und die iberische Halbinsel herauszugeben, nie realisiert. Über Portugal schrieb der Amerikaner, der sein Geld als Artdirector für bekannte Modemarken verdiente, in einem Artikel für die Dallas Morning News im Mai 1956: »Glücklicherweise ist hier wenig, um Touristen anzuziehen, und deshalb kann man einen wahren Unterschied kennenlernen zu dem, was wir in Amerika haben.« Das klingt zunächst etwas herablassend, doch Fink bewunderte Portugal für seine Geschichte, ­seine Authentizität, seine Menschen und deren Hand-Arbeit.

Palla war wie Fink auch ein Chronist in Sachen Schönheit: Das Buch Lisboa, cidade triste e alegre gilt es wiederzuentdecken. Die schwarz-weißen Fotografien zeigen respektvolle Empathie für die ­aufgenommenen Menschen (die den ­Fotografen meist nicht einmal bemerkt haben werden) sowie eine geradezu poetische Bildsprache. Denkt man sich aus dem heutigen Straßenbild die Menschen in der Kleidung von 2022 weg, sieht man in dem Band noch immer auch große Teile des aktuellen Lissabon. Das gehört zur Faszination, die von Palla und seinen Bildern ausgeht.

Die Last harter Arbeit, die nächtlichen Lichter der Großstadt, das Leben der Frauen, reich oder arm, dazwischen immer wieder Aufnahmen von Kindern − vertieft ins Spiel, neugierig aus dem Fenster schauend, begeistert auf dem Rummelplatz. Die junge Generation scheint für den Fotografen Ausdruck von Hoffnung und Lebensfreude in der Diktatur zu sein. Den Alten, mit zerfurchten oder besorgten Gesichtern, begegnet er mit Würde. Und immer lohnt es sich für den Betrachter, die Details in den Blick zu nehmen: einen Schirm im Arm einer jungen Dame, eine Hausfassade mit Wäscheleinen, aus einem Versteck lugende Katzenaugen, ein noch nicht abgeräumter Tisch im Café, ein auf dem Kopf ­getragener Lastenkorb. Themen sind Einsamkeit und Gemeinschaft, Nachdenklichkeit, Zuversicht und Verzweiflung. Zitate von zwanzig Autoren, u.a. Mário de Sá-Carneiro, Fernando Pessoa und Alvaro de Campos, machen diesen monochromen Band bunt. Nehmen wir diese Zeilen von Sidónio Muralha: «Meninos de olhos adultos/Fundos como dois segredos» (»Jungen mit Erwachsenenaugen/Tief wie zwei Geheimnisse«). 

Studien der Architektur und der Schönen Künste in Porto und in Lissabon hatten Palla früh seinen großen Aktionsraum eröffnet. Zwischen 1946 und 1973 hatte er ein Architekturbüro. Aus der Partnerschaft mit Joaquim Bento d’ Almeida resultiert eine beeindruckende Zahl von Arbeiten, herauszuheben sind die ersten Snackbars in Lissabon, darunter das Galeto, dazu aber gleich mehr. Einfamilienhäuser, Büro- und Wohngebäude, Industrieanlagen oder öffentliche Gebäude wie die Escola do Vale-Escuro in Lissabon gehörten ebenfalls zum Portfolio des Architektenduos; sie wurden 2017 in einer umfangreichen Ausstellung im Centro Cultural de Belém gewürdigt.

Der Beruf als Architekt stand nie alleine, in allen anderen Künsten hat Palla stets experimentiert. Er hatte einen ein Jahr jüngeren Bruder, den Schriftsteller José Palla e Carmo, literarisch auch als José Sesinando bekannt. Mit ihm zusammen übersetzte er etwa Werke von H. G. Wells und Somerset Maugham. Und tatsächlich, so ist überliefert, verbringt er in den fünfziger Jahren mehr Zeit mit der Fotografie. Mit Costa Martins machte er sich nach Studium und einer längeren Berufstätigkeit daran, die Stadt (besonders Bairro Alto und Alfama) methodisch zu erkunden, Orte und Menschen einzufangen. Zwischen 1956 und 1958 hörten die beiden praktisch auf zu arbeiten und wanderten Tag und Nacht durch die Stadt, fotografierten. Sie kamen nur nach Hause, um die Negative zu entwickeln und zu vergrößern. So wurden sie Pioniere der zeitgenössischen Fotografie. Aus einer Auswahl von 200 Fotografien unter den 6.000 Bildern, die bei den Wanderungen durch Lissabon entstanden, resultierte 1958 eine Ausstellung. Darauf folgte im Jahr danach schließlich das Buch Lisboa, cidade triste e alegre.

Für die Autoren selbst war dieses Werk «das Porträt des menschlichen und lebendigen Lissabons durch seine Bewohner − bei Tag, bei Nacht, in ihren Vierteln, in Baixa, am Tejo − eine manchmal glückliche, manchmal traurige Offenbarung, aber immer und gefühlt vom Leben einer Stadt. Vielleicht wäre es deshalb angebrachter, es ein ›grafisches Gedicht‹ zu nennen.« Ein Gedicht im Übrigen, für das man (zunächst) noch nicht Portugiesisch können muss.

Nach der wirtschaftlich erfolglosen Erstausgabe geriet das aufwändig produzierte Buch praktisch in Vergessenheit, erst im 21. Jahrhundert erfuhr es die verdiente weltweite Anerkennung. Das Lissabon-Buch mit Costa Martins war nur ein Projekt unter vielen; Porträts und Versuche mit Figuren, Form, Licht ergeben eine bemerkenswerte Sammlung unwiederholbarer Aufnahmen. Die Calouste Gulbenkian Stiftung hat das mitunter rastlos wirkende Schaffen Pallas schon 1992, zu seinem 70. Geburtstag, präsentiert. Von der Grafik bis zur Malerei, von der Architektur bis zur Fotografie − das sprunghafte wie ehrliche Interesse trieb ihn zu allen möglichen Herausforderungen. Er wurde auch, wenn auch nur für kurze Zeit, Galerist oder Keramiker. Seine Malerei und seine Fotoarbeiten sind in einigen der wichtigsten Sammlungen Portugals vertreten.

Die Kunsthistorikerin Lígia Afonso hat geschrieben: »Victor Palla, Protagonist ­einer der wichtigsten und vielseitigsten Reisen des portugiesischen 20. Jahrhunderts, verschwand (…), ohne dass die ­Dimension seines globalen Werks wirklich verstanden wurde.« Er habe die verschiedenen Medien sukzessive neu erfunden und neu interpretiert, mit einem experimentellen Verlangen. 

Wie kann man dieses Verlangen nachvollziehen? Ein guter Grund für einen Besuch in der Snackbar Galeto, als ob man wirklich einen bräuchte, ist es, eine Arbeit von Palla zu sehen, zu erleben ­(Avenida da República 14, nahe Campo Pequeno). Die kurvige, umlaufende Theke, an der die Gäste nebeneinander und gegenüber sitzen, dürfte in Lissabon einzigartig sein. Von frühen Vögeln am Morgen bis zu den Nachtschwärmern − für alle ist seit bald sechzig Jahren geöffnet. Das Geschäftsmodell beruhte zunächst auf dem Verkauf gegrillter Hähnchen − auf Italienisch als Galleto bekannt. Aus der italienischen Community in Brasilien kam die dort populäre und erfolgreiche Idee der Snackbar als Ort gleichermaßen für Konsum und Kommunikation, für Genuss und Gesellschaft nach Europa zurück.

Der rasche Erfolg des Galeto spiegelte die damalige Entwicklung der Stadt. Sie wurde moderner, und man experimentierte mit neuen Formen der Gestaltung von Räumen, Gebäuden und des öffentlichen Raums. Joaquim Bento d’ Almeida und Victor Palla waren also die Architekten, die diesen und andere ähnliche Räume entwarfen und damit das Konzept der Snackbar in Lissabon einführten. Das ungewöhnliche Design der Theken, das einer Art Labyrinth gleicht, wirkt so: Als Gast sitzt man womöglich einem anderem unbekannten Gast auf der anderen Seite gegenüber. Dies kreiert eine hybride Atmosphäre des Alleinseins mit vielen. Oder eine andere Vorstellung dazu: Man fühlt sich entweder als Darsteller auf einer Bühne, dem alle anderen zusehen können; oder man empfindet sich als Zuschauer des Spiels aller anderen. Jedenfalls entsteht eine Atmosphäre, die sich in klassischen Lokalen mit Tischen in Reih’ und Glied so nie und nimmer einstellt. 

Im Galeto kann man immer noch − am Tag wie in der Nacht − Stunden damit verbringen, seinen (Saudade-) Gedanken nachzuhängen, verbunden womöglich mit einigen nicht ganz so produktiven Getränken. Ein unverändert moderner Ort, die Farben und die Formen wirken wie aus einem Einkaufszentrum dieser Tage. Ein Ort, der effizient und zweckmäßig ist, aber Zeit gibt, ohne Druck und ohne Ziel zu sinnieren. Lisboa, cidade triste e alegre. In diesem Lokal ist sie zu finden − wie die Erinnerung an Victor Palla und dessen Gesamtwerk aus Gestaltung und Gefühl.

Foto von Victor Palla

Victor Palla · Foto: © Maria José Palla

VICTOR PALLA (13.3.1922–28.4.2006): in Lissabon geborener Architekt, Fotograf, Grafikdesigner, Maler, Lektor, Übersetzer, Autor.

PETER FINK (1907–1984): amerikanischer Artdirector und Modefotograf, geboren als Samuel Nelson Peter Finkelstein als Sohn russischer Auswanderer

BUCH: Lisboa, cidade triste e alegre/Die traurig-fröhliche Stadt, 1959 erstmals erschienen, 2009 Neuauflage, Reprint bei A Vida Portuguesa mit Shops in Lissabon und Online-Shop

LINKS: 

  • https://www.pierrevonkleist.com/products/lisboa-cidade-triste-e-alegre
  • https://www.avidaportuguesa.com/pt/loja/livraria

BEKANNTE SNACKBARS:

  • Galeto, Pique-Nique, Noite e Dia, Tique-Taque (nicht alle in der ursprünglichen Form erhalten).

LINK:

  • http://lojascomhistoria.pt/lojas/galeto

Ein wilder Ausflug auf fliegendem Pferd

Foto de caminho ao Caldeirão do Corvo (Açores)

Bericht von einer Reise nach Corvo (Azoren) • von Ana Carla Gomes Fedtke und Eberhard Fedtke

> Carlos, der Kapitän unseres fragilen, aber charmanten Bootes, scheint zutiefst berauscht zu sein von einer gewissen Inspiration an Geschwindigkeit und Schnelligkeit. Verantwortlich für etwa dreißig Passagiere, brilliert und spielt er mit seiner beruflichen, privilegiert anziehenden und mit ultra-expressiver Hingabe versehenen Beschäftigung, eines dieser eleganten Schlauchboote zu manövrieren und zu dirigieren, welche gleichsam in wahrhaftiger und wilder Bravour über das Wasser fliegen. Heute sind wir in seiner Hand. Seine gesamte Figur steht im Einklang mit seiner Bestimmung, seiner Beschäftigung und permanent überbordender Freude.

Indessen, Schritt für Schritt in chronologischer Reihenfolge: Wir befinden uns in den Ferien auf den Azoren, auf der Insel Flores, die Azoren sind nichts anderes als unser auserwählter Garten, und dies seit Jahren. Teil des unbedingt wichtigen und unvergleichlichen Programms ist ein Tagesausflug auf die Insel Corvo, kärgliche 23 Kilometer vom Blickpunkt  unseres blumigen Domizils entfernt.

Wir haben zwei Möglichkeiten, das Meer zu überqueren: entweder in einem Ferry-Boot in ruhiger und beschaulicher Seefahrt, in entspannten Gesprächen mit anderen Passagieren und in nautisch intimer Art und Weise einen Kaffee oder einen Champagner an der Schiffsbar oder mit profundem Erlebnis dieses kleine Wassergefährt zu nehmen. An die erste Möglichkeit ist gar nicht zu denken, nicht heute.

Die Möglichkeit, die sich uns also bietet, von uns seit langem beschlossen, viel schneller und entschieden riskanter, extrem verwegener und gleichzeitig waghalsiger, verbunden mit einem exzentrischen und ungestümen Programm, von Herrn Carlos dirigiert, ist die Wahl seines Schlauchbootes. Unsere unabänderliche und unwiderrufliche Entscheidung hat mit dem explosiven Erlebnis dieses Abenteuers zu tun, mit dem Boot auf den Kämmen der Wellen zu reiten. Wir fliegen gern, zu Wasser und zu Lande. Im nächsten Leben werden wir Piloten sein, diese unsere Entscheidung ist gefällt.

Im Hafen von Santa Cruz begrüßt uns Carlos graziös. Breitschultrig und mit gespreizten Beinen balanciert er, das eine auf der Kaimauer, das andere auf der Balustrade des vehement schwankenden Bootes, die einheimischen und ausländischen Passagiere ins Boot, einige unter ihnen schon mit sichtbarer Transpiration beim Einsteigeversuch mit wenig Gleichgewicht im Angesicht. Wir sind ob der Tatsache erstaunt, dass das kleine Gefährt voll besetzt ist. Uns gelingt es, zwei letzte Plätze direkt vor Carlos zu ergattern, welcher beide Hände am Steuer hält.

Sobald alle an ihren bestimmten Plätzen und die Sicherheitsgurte angeschnallt sind, lässt Carlos den Bootsmotor aufheulen und mit einem spektakulären Start und erstem hohem Bootsbug fährt er aus dem Hafen, mit einem gewitzten Lächeln sichtbar ab da auf seinem Gesicht. Unser seismographisches freiluftiges Abenteuer beginnt gut und furios. Hohe Gischt rechts wie links des Bootes, springt sie manchmal bebend über die Passagiere.  Die Zöpfe der Mädchen wehen waagerecht im starkem Wind, das Boot schlägt gegen die Wellen, tanzt mit Ungestüm, die Spitze mal nach oben, mal nach unten, als handele es sich um eine horizontale Berg- und Talbahn. Wir sind verblüfft und begeistert von diesem originellen Spektakel, ohne Rückgriff auf irgend etwas derart Erlebtes, gesund für unsere Seele.

Carlos muss jeden Quadratzentimeter vor der Küste kennen, die riskanten Manöver auf unglaublich hoher Geschwindigkeit zwischen den Felsen am Strand einzuschätzen. Abrupt macht er Andeutungen von Pirouetten, einige Passagiere in Angst versetzend, welche ihre Hände erschrocken an die Metallhalterungen klammern, die sich vor jedem Sitz befinden. Fehlt uns noch, bitte Herr Carlos, es zu machen, eine totale Pirouette. Die schüchternen Aufschreie einiger Passagiere hallen von den Schutthalden wider, als wir Grotten und Höhlen besuchen, dies bezahlter Teil des fulminanten Programms. Lediglich eine exorbitante Musik, welche von Wasserfällen direkt über uns kommt, macht einen signifikant höheren Lärm. Das einzigartige Spektakel könnte nicht größer sein, diese wunderbare Sinfonie von Wasser, Wind, Felsgestein und restlichen Naturwundern, nichts kann unseren passionierten Geschmack an diesem vulkanischen Ambiente mit dem starken und unverwechselbaren Geschmack aufgewühlten Meeres übertreffen. Hin und wieder droht eine große Welle, Gesichter und Rettungswesten nass zu machen. Einige Passagiere zittern. Aber dieses Risiko ist, ersehen wir an dem vergnügten Gesicht von Carlos, Teil eines ausgewählten Programms unseres exzentrischen Kapitäns mit äußerst extravaganten Einfällen, sobald er mit dem wildem Meer konfrontiert wird. Wir sind sehr begeistert, applaudieren laut mit unseren erhobenen  Händen, aber nicht alle Passagiere fühlen sich wohl, wie an ihren eingekrümmten Figuren zu sehen. 

Nach unseren kurzen Einfall in die Küste »von der Wasserseite her« mit ihren Kuriositäten an Grotten, Wasserfällen und Sehenswürdigkeiten überqueren wir das Meer in Richtung Corvo, 20 Minuten schnellen Sprints mit romantischem Kampf gegen die Wellen, heute moderat, wie Carlos mir erklärt. Es gibt wenige Tage während eines ganzen Jahres, dass ein Ausflug Flores nach Corvo und zurück völlig ausgeschlossen ist, das heißt, sofern die atmosphärischen Bedingungen es nicht zulassen, das Risiko für dieses fragile Boot zu groß ist.

In Corvo angekommen, betreten wir in eine indigene und ursprüngliche Welt. Ein unvermittelter Kontrast, sofern wir uns an die 20 Minuten vorher erinnern. Alles erscheint uns in einem bezaubernden Rhythmus von Gemächlichkeit und Ermattung. Die Straßen schlummern, die Leute scheinen allesamt von jeglichen modernen Aktivitäten befreit. Hier, auf dem Festland ohne Bewegung, ermüdet die Hitze. Nur ein Gruppe, die Taxifahrer, zeigen eine gewisse Neigung zu Aktivität, Geld zu verdienen. Zumindest reagieren sie wenige Male mit diesem Ritual an Lebendigkeit, wenn täglich einmal das Ferry-Boot und zweimal der flinke Carlos mit seinem sprinter kommen, die Stille und Zurückhaltung der gelassen Insel zu unterbrechen, und dies in brutaler Form polyglotter Individuen. Mit Fotoapparaten bewaffnet, mit bunten Touristikhüten und Smartphonen im Anschlag, alles im Umkreis impertinent zu fotografieren, für, wie sie sagen, ihr eigenes dauerndes Archiv oder um ihren Nachkommen die Schönheiten zu zeigen, welche ein Teil des westlichsten Europas ist. Die Taxifahrer, kapriziös ohne Pause superaktiv, laden engagiert die Touristen ein, sie auf den Gipfel der Insel zu begleiten, die große Lagoa mit ihren 365 Grad magischen Horizonten und übersättigt mit unendlichen Fantasien zu besuchen. Wir mieten eines dieser Vehikel, der gross gewachsene Taxifahrer war ein wortreicher Erzähler über sein tektonisches Domizil.

Foto von Vila Nova do Corvo (Azoren)

Bela vista sobre a ilha de Corvo e a cidade Vila Nova do Corvo · © Ana Carla Gomes Fedtke

Die Lagoa, von enormer Ausdehnung und noch immer teilweise mit Wasser gefüllt, erläutert den Besuchern das Porträt und die Geschichte dieser kleinen glamorösen Insel, aktuell mit 383 Einwohnern gemäß amtlicher Angabe. Ein kleiner Flughafen neben einem blühenden Friedhof, eine innen und außen pittoreske Kirche mitten in der Stadt, nahe einem Arzt für die Gesunderhaltung der kleinen Bevölkerung, wobei dieser Doktor, wie wir erzählen hören, vom Kontinent stammt. Man betrachtet hier oben als ein außergewöhnliches Exemplar die typische und immer wieder beeindruckende Episode eines kumulativen geologischen Produkts: Ein roter Berg vom magischer Lava hat sich aus dem Meer erhoben und schuf das lichtvolle Panorama einer weiten Schüssel, von der nach allen Seiten Abhänge und Böschungen hinabfielen, heute mit Wiesen und unzähligen Kühen und Wiesenblumen bedeckt, dieselbe nützlich für die Fauna und Flora in reiner Monokultur. Uns grüßen auch kleine Weingärten um die hübsche Stadt herum, mit weißen Häuser ausgestattet: Die noble Einfachheit des gesamten natürlichen Ambientes tut gut, besänftigt und heilt die Seele. Es lässt uns darüber nachdenken und aufzeigen, dass in dieser so überzogenen heutigen Welt wenig wirklich notwendig ist, in gesunder maritimer Ruhe und spiritueller Beschau zu leben. Auch mit dem praktischen Vorbehalt eines modernen Lebens, die elegante Hilfe eines kleinen Motorflugzeuges zu nutzen: Dieses Gefährt ist gleichsam wie eine Nabelschnur, um gelegentlich in die laute Welt zu entfliehen, indes gut genesen in dieses Paradies mit der gesunden Stimmung exotischer Lava zurückzukehren.

Es  lohnt, zurück zu kommen und mit Nostalgie Corvo total zu erkunden,  nicht lediglich für einen schnellen Sprung einiger Stunden von Flores für ein minutiöses Intermezzo mit Carlos, welcher sich seinem lukrativen Geschäft zweimal pro Tag widmet, sondern wenigstens für ein paar Tage oder deren mehr, um besser und tiefer in die schönen Gemeinnisse dieses Mikrokosmos von anmutiger Fauna und Flora, diese kontemplativ und melancholisch, einzutauchen. Mithin bis bald, nach einem Zwischenaufenthalt auf dem Kontinent.

Luís Pipa begeistert in Baden-Württemberg

Foto von Luís Pipa, der sich über tosenden Applaus freut

Pianist aus Portugal beim Schlosskonzert in Dätzingen  von Jürgen Lotterer

> Trotz Corona und mit einem strengen Hygienekonzept machte es die DPG am 28. November 2021 einmal mehr möglich: Das inzwischen schon traditionelle Konzert im Schloss Dätzingen konnte stattfinden, und Luís Pipa aus Braga begeisterte Mitglieder und Freunde des Landesverbandes Baden-Württemberg mit einer sensiblen Interpretation deutscher und portugiesischer Klaviermusik. Auf dem Programm standen Werke von Wolfgang A. Mozart, Ludwig van Beethoven und den portugiesischen Komponisten José Viana da Motta und Óscar da Silva. Der Kreis der ZuhörerInnen war begrenzt, aber die kleine Gruppe lauschte dankbar dem Konzert im schmucken Malteser-Saal. Der Landesverband Baden-Württemberg veranstaltet hier regelmäßig Konzerte mit portugiesischen MusikerInnen, die Programme gewähren zugleich stets Einblick in die − häufig wenig beachtete − Kunstmusik Portugals. Der diesjährige Gast Luís Pipa, der zusätzlich zum Konzert auch für einen Meisterkurs in Tübingen gewonnen werden konnte, ist hierfür prädestiniert. Pipa kann auf einen internationalen musikalischen Werdegang zurückblicken. Nach dem Studium am Conservatório de Mùsica Calouste Gulbenkian in Braga und dem Conservatório de Música do Porto setzte er seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien fort. Neben der künstlerischen Praxis widmete er sich auch den Musikwissenschaften und erwarb an den britischen Universitäten Reading und Leeds Mastertitel und Promotion. Heute lehrt er als Professor für Klavier und Kammermustik an der Universidade do Minho.  

Foto von Luís Pipa inmitten von DPG-Mitgliedern

Luís Pipa inmitten von DPG-Mitgliedern · © Martin Ahrens

Luís Pipa führte sein Publikum in chronologischer Folge von der deutschen Klassik zur portugiesischen Spätromantik. Er beendete sein Programm mit einem Werk des auch von ihm selbst wiederentdeckten Berliner Komponisten Philipp Scharwenka, der ab 1882 Lehrer José Viana da Mottas war. Damit traf Pipa genau die Idee der Dätzinger Schlosskonzerte. Mit seiner Zugabe, einer eher nachdenklichen als heroischen Version der Hymne A Portuguesa, fand er einen ruhigen und zugleich emotionalen Abschluss für ein unvergessliches Konzert.

Europa. Deine Sprachen. Deine Musik.

Foto von Spela Pirnat, Barbara Tanze und Eduardo Raon

Galakonzert am 16.12.2021 in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche  von Michael W. Wirges

> Anlässlich des Abschlusses des Trios der EU-Ratspräsidentschaften 2020/ 2021 (Deutschland − Portugal − Slowenien) luden das Auswärtige Amt sowie die Botschafter der Republik Portugal und der Republik Slowenien zu einem abendlichen Galakonzert am 16. Dezember 2021 in die Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-­Kreuz­berg ausgewählte Gäste ein. Zusammen mit Gabi Baumgarten-Heinke hatten wir also die Ehre, in erster Reihe neben hochkarätigen Persönlichkeiten einem sensationellen Konzert mit drei MusikerInnen aus diesen drei Ländern zu lauschen. Unter dem Motto Working Together ­through Music sang Barbara Tanze (Sopran) für Deutschland, Eduardo Raon spielte an der Harfe für Portugal, Spela Pirnat an der Bratsche für Slowenien  − alles eigens arrangierte Stücke aus der Klassik und traditionelle Musik dieser Länder. Alle drei haben ein hohes Renommee, internationale Musikerfahrung und leben in Slowenien.

Foto von Portugals Botschafter S. E. Francisco Ribeira de Menezes, Sopranistin Barbara Tanze, Gabriele Baum­garten-Heinke und Michael W. Wirges

Portugals Botschafter S. E. Francisco Ribeira de Menezes, Sopranistin Barbara Tanze, Gabriele Baum­garten-Heinke und Michael W. Wirges (v. l.) · © DPG

Mit Beginn der EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland, Portugal und Slowenien wurde auf Initiative des Botschafters von Slowenien dieses wunderbare Trio gegründet. Die Aufgabe bestand darin, alle EU-Länder zu bereisen und auf Konzerten Grüße der Länder der Ratspräsidentschaft zu übermitteln. Die Sopranistin Barbara Tanze hat in jedem der Länder ein Lied in der entsprechenden Landessprache vorgetragen. In ihrer Moderation verriet sie, dass Portugiesisch für sie die schwerste Sprache gewesen sei. Nach dem Konzert erzählte sie uns, dass sich das Trio nun wieder auflöse, weil das Projekt beendet sei und neue Projekte auf sie warten. Wie schade für die Liebhaber klassischer Musik. Im Anschluss gab es bei Weinen und traditionellen Leckereien ein geselliges Beisammensein, Kennenlernen und interessante Gespräche mit Gästen und MusikerInnen.

Ein wahrhaftig gelungener Abend mit internationaler Beteiligung!

Vasco da Gama beim Samorim

Foto des Gemäldes «Vasco da Gama perante o Samorim de Calecute»

Über Anspruch und Wirklichkeit eines Gemäldes    von Andreas Lausen

> Dieses großformatige Gemälde heißt Vasco da Gama perante o Samorim de Calecute. Es hängt im Haus der ehrwürdigen Sociedade de Geografia de Lisboa (Rua das Portas de Santo Antão, 100) und ist dort frei zugänglich. Das Bild ist vielen Menschen in Portugal bekannt, denn es erschien vielfach in portugiesischen Schulbüchern. 

Es ist das Hauptwerk des Historien­malers José Maria Veloso Salgado aus dem Jahre 1898, als Portugals Ansehen als Kolonialmacht bei den großen europäischen Nationen einen Tiefpunkt erreicht hatte. 

Das Bild zeigt einen entscheidenden Moment in der Geschichte Portugals. Nach langer Seefahrt steht Vasco da Gama 1498 endlich vor dem Herrscher der südindischen Hafenstadt Calecute (heute Kozhikode).  

Bemerkenswert ist die Anordnung der beiden Titelpersonen: Vasco und der Samorim Manavikraman sind auf gleicher Augenhöhe. Es fehlt die bei Bildern dieser Art übliche koloniale Attitüde. Ein selbstbewusster, edel gekleideter Vasco da Gama, die Beglaubigungsurkunde von König Manuel I. in der rechten Hand, steht vor dem aufmerksamen Herrscher, der auf seinem Thron sitzt und sich die Erklärungen des Portugiesen interessiert und skeptisch anhört.

Mit der linken Hand weist Vasco erklärend auf das portugiesische Banner, während Männer seiner Besatzung eine Kanne und einen Stoffballen als Geschenke bereithalten.  Portugals großer Dichter Luis de Camões hat diese Szene in seinem Epos Os Lusíadas ausführlich beschrieben.

Aber diese Szene ist auf dem Gemälde patriotisch überhöht. 

Die Portugiesen hatten Belém am 8. Juli 1497 mit drei Schiffen und 160 Mann Besatzung verlassen. Über Mosselbaai am Kap der Guten Hoffnung und das ostafrikanische Mombasa erreichten sie am 20. (nach anderer Quelle am 18.) Mai 1498 Calecute. Die Verhältnisse auf den Schiffen waren erbärmlich. Nach mehr als 10 Monaten auf See waren die Vorräte längst verbraucht, und auch das Trinkwasser war knapp und faulig. 

Die Männer waren ungepflegt und verfilzt, ihre Kleidung von Motten und Nagetieren zerfressen, Wohl nur Vasco könnte einigermaßen würdig zum Samorim gekommen sein, keinesfalls aber in dem prunkvollen Hermelinmantel wie auf dem Bild. 

Die größte Schwierigkeit dürfte darin bestanden haben, überhaupt zum Samorim vorzudringen. Was wollten diese struppigen, übel riechenden, zerlumpten Fremden von ihrem Herrscher, dürften sich die Inder gefragt haben. Dass dieser sie doch empfing, dürfte mit den Beziehungen zu den im Indischen Ozean ­dominierenden Arabern zu tun gehabt haben.

Die arabischen Händler, gut bewaffnet und mit wendigen Dhaus ausgerüstet, beherrschten den Handel an der indischen Westküste. Dabei fühlten sich die indischen Partner nicht immer gerecht behandelt. Der Samorim, der der Hindu-­Religion angehörte, hatte wohl durchaus ein Interesse, mit den Konkurrenten aus Portugal Geschäfte zu machen, um den islamisch-arabischen Einfluss zurück zu drängen und ihrer Monopolstellung etwas entgegen zu setzen. Auch machten die portugiesischen Schiffe und ihre überlegene Bewaffnung durchaus Eindruck auf die Inder. 

Der Empfang Vascos bei Hofe verlief für die Inder enttäuschend. Die Geschenke der Portugiesen, Kupferwaren, einige Töpfe Alentejo-Honig, grobe Stoffe aus der Serra de Estrêla, Wein vom Douro und silberne Schmuckstücke und Glas, beeindruckten den Samorim nicht sonderlich. »Jeder Mekka-Pilger bringt bessere Geschenke mit als diese Fremden.«, bilanzierte ein Zeitgenosse (Joao de Barros nach Alvaro Velhos Roteiro). 

Schließlich durften die Portugiesen mit den Kaufleuten in Calecute handeln, ein Kontor errichten und sie traten mit voll beladenen Schiffen die Heimreise an. Nach ihrer triumphalen Rückkehr in Belém am 9. September 1499 kam König Manuel I. jedoch zu dem Schluss, dass sich Portugal besser auf Diu und Goa richten sollte und Calecute nicht der bevorzugte Handelsplatz sein sollte. 

Auch kam man in Lissabon zu der Überzeugung, dass Gewaltanwendung nötig sei, um die Araber zu vertreiben und den Handel mit Indien zu erzwingen. 

Für die folgenden Jahrzehnte blieb Portugal die vorherrschende Seemacht im Indischen Ozean. Etwa 1560 jedoch begann Portugals Stern zu sinken. Das Netz der Festungen, Faktoreien und Stützpunkte war zu groß geworden, die portugiesischen Abenteurer und Kaufleute zu gierig, Vizekönige und Gouverneure zu herrschsüchtig, um sich auf Dauer in Indien zu halten. 1961 schließlich holte sich Indien die letzten portugiesischen Kolonien auf indischem Boden zurück. 

Hinweis: In diesem Text wurde die portugiesische Schreibweise für Orts- und Eigennamen verwendet. 

Vasco da Gama in Hamburg

Foto der Statue von Vasco da Gama in Hamburg

Vasco da Gama in Hamburg · © Andreas Lausen

An der Zufahrt zum früheren Freihafen ließ die Stadt Hamburg 1903 Standbilder von vier Entdeckern aufstellen, die auf den Brückenpfeilern der Kornhausbrücke platziert wurden. Drei davon überstanden die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg. Eines davon zeigt Vasco da Gama. Geschaffen wurde es von dem Eisenacher Bildhauer Hermann Hosaeus. Vasco ist hier nicht besonders vorteilhaft glatzköpfig, grimmig und mit Hörrohr zu sehen, das er wegen seiner Schwerhörigkeit benutzte.

DPG begeistert – Vorhaben 2022

Illustration »Nur gemeinsam kommen wir weiter«

Neues Jahr – neue Ideen – neue Hoffnungen    von Gabriele Baumgarten-Heinke

> Liebe Mitglieder, liebe FreundInnen Portugals, wenn Sie diesen Portugal Report in Händen halten, sind bereits zwei Monate des neuen Jahres vergangen. »Was für ein Glück!« werden vielleicht etliche von ihnen sagen, denn das nasskalte und regnerische Wetter der vergangenen Wochen in vielen Regionen Deutschlands war nicht besonders aufbauend. So hoffen wir auf einen baldigen Frühling, und wir hoffen natürlich alle auf eine wiederkehrende Normalität in unserem Leben. Die Pandemie hat jeden von uns in den vergangenen Monaten viel Kraft gekostet und vor allem Kontakte in allen Bereichen stark eingeschränkt. 

Dennoch waren wir in der DPG trotz Corona im vergangenen Jahr aktiv, konnten in einzelnen Landesverbänden Treffen mit Mitgliedern durchführen und administrative Aufgaben lösen. Seit dem DPG-Strategieworkshop im Juni 2021 (Portugal Report 84) treffen sich die Verantwortlichen der DPG − das sind das Präsidium und die Vorsitzenden der Landesverbände und Stadtsektionen − regelmäßig an jedem ersten Montag eines ­Monats in einem ZOOM-Meeting, um wichtige Themen der Verbandsarbeit zu besprechen. Eine Übersicht der Verantwortlichen finden Sie übrigens in jedem Portugal Report auf der vorletzten Umschlagseite im Impressum, ausführlicher (mit Erreichbarkeit) auf der DPG-Web­site https://dpg.berlin unter der Rubrik DPG–Struktur. 

Auf der Mitgliederversammlung 2021 in Porto wurde durch Falk Zirnstein und Matias Lima de Walter ein Brainstorming initiiert, in dem Aufgaben der DPG und Ideen für Veranstaltungen zusammengetragen werden, die später umgesetzt werden sollen. Hier sind auch Ihre Ideen und Wünsche gefragt − wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

Voller Optimismus schauen wir auf die kommenden Monate. Was gibt es Neues, was ist in Planung? 

Um die Arbeit der DPG im Norden Deutschlands zu aktivieren bzw. kleinere Stadtsektionen zu bündeln, wurde im ­Januar der Landesverband DPG Nord gegründet: Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen. Die bisher eingesetzten Vorsitzenden bleiben selbstverständlich als Ansprechpartner im Amt. Koordiniert wird der Landesverband DPG Nord von Matias Lima de Walter. Er hat alle Mitglieder per Telefon und Mail kontaktiert und über die Neuerung informiert. Durchgängig begrüßten die Mitglieder diese Initiative, und vor allem freuen sich die meisten über einen netten Austausch mit Matias. Geplant sind von ihm Kennenlern-Encontros in Hannover und Hamburg im Mai / Juni 2022. 

Der Landesverband Berlin–Brandenburg startete bereits am 26. Januar mit dem Besuch der Lesung des Schriftstellers Michael Longerich aus seinem Buch Maria und Eusébio im Literaturhotel ­Berlin Friedenau. Über diese Lesung ­berichtet Michael W. Wirges ausführlich in dieser Ausgabe. 

Nach langem Suchen wurde nun endlich in Berlin eine neue Location für die beliebte Sardinhada gefunden. Geplant ist diese Ende Juni in der Heilig-Kreuz-­Kirche in Berlin-Kreuzberg, die zu einer Eventkirche umgestaltet wurde und deren Garten beste Voraussetzung für einen gemütlichen Grillabend bietet. 

Michael W. Wirges hat übrigens mit Beginn des Jahres − nach dem Rücktritt von Ricardo Schäfermeier aus persönlichen Gründen − kommissarisch den Vorsitz des Landesverbandes Berlin-Brandenburg übernommen. An dieser Stelle danken wir Ricardo Schäfermeier für seine engagierte Arbeit in der DPG und wünschen ihm alles Gute. 

Foto der DPG-Fahne

Die DPG hat im Jahre 2022 viel vor · © Herbert Schlemmer

Im September wird unser Mitglied und Verantwortliche für die Algarve, die Schriftstellerin Catrin George Ponciano, ihren neuen Kriminalroman am Schauplatz Lissabon und Alentejo in Berlin und Leipzig vorstellen. Bereits im September 2021 begeisterte Catrin in Berlin Mitglieder und Portugal-Interessierte mit einer Lesung aus ihrem neu erschienenen Buch Das Lissabon des Fernando Pessoa in Berlin in der MondoLibro Buchhandlung. Catrin, wir freuen uns auf diesen Termin und sind sehr gespannt auf dein neues Buch! 

Am 8. Dezember plant Catrin gemeinsam mit der Historienforscherin Paula Villares Pires in Silves an der Algarve im O Templo do Tempo einen zweisprachigen »Poesie spricht«-Abend über die Portugiesische Dichterin Florbela Espanca. Der Abend ist eine lyrische Einladung in das Werk der Poetin und wird von Fado-Musik begleitet. Des Weiteren planen Catrin und Neu-Mitglied Jörg Hahn im Sommer/Herbst eine DPG-Aktivität rund um Kultur und Literatur an der Algarve mit ­kulinarisch-geselligem Beisammensein. Der Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.

In Leipzig wird sich Gastland Portugal trotz Absage der Buchmesse auf verschiedenen Veranstaltungen präsentieren. Catrin George Ponciano wird aus Portugal anreisen, und es gibt für sie verschiedene Ideen, die DPG auf einer der Veranstaltungen zu präsentieren. 

Die Stadtsektion Leipzig plant für das Jahr 2022 die Etablierung eines vierteljährlichen Stammtisches, im Mai wird es in diesem Zusammenhang ein Treffen mit den portugiesischen Fachkräften in den Helios-Kliniken geben. Die Leipziger Städtischen Bibliotheken werden in bewährter Weise wieder Partner einer Konzertveranstaltung sein.

Hans-Heinrich Kriegel ist der Verantwortliche für den Landesverband Nordrhein-Westfalen. Er plant in der Region ebenfalls mehrere Stammtische. Diese sind auch in der Stadtsektion Köln, die unter der Leitung von Joaquim Guima­rães geführt wird, zu erwarten. Maria de Fátima Veiga − sie ist nicht nur stellvertretende Präsidentin, sondern auch verantwortlich für die Mitglieder in Hessen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz − setzt auf Treffen zu Stammtischen mit verschiedenen Schwerpunktthemen. Sie erhält zukünftig von unserem neuen Mitglied Jörg Hahn, der beruflich eng mit Portugal verknüpft ist, Unterstützung. Durch seinen regelmäßigen Aufenthalt an der Algarve wird er, wie bereits beschrieben, auch Catrin George Ponciano in ihrer Arbeit an der Algarve unterstützen. Corona hatte auch den Landesverband Baden-Württemberg in seinem eisernen Griff, vor allem auch im Herbst 2021. Es war ungewiss, ob das anvisierte Advents-Konzert im schönen Malteser-­Saal des Schlosses Dätzingen mit dem Pianisten Luís Pipa überhaupt würde stattfinden können. Schließlich wurde im Vorfeld beschlossen, es doch, wenn auch mit allen Corona-Auflagen, durchzuführen. So lernte der Vorstand was es heißt, eine Veranstaltung in diesen Zeiten vorzubereiten und dann durchzuziehen. Wenn auch mit deutlich verringerter Zuhörerzahl war das Konzert doch ein schöner Erfolg. Bedauerlich nur, dass das zwei Tage später vorgesehene Konzert mit dem Künstler in Leipzig kurzfristig abgesagt werden und der Künstler vorzeitig die Heimreise antreten musste. Es wird an anderer Stelle in diesem Portugal Report ausführlich darüber berichtet. Auch für 2022 ist, neben anderen Treffen, ein Adventskonzert mit einem portugiesischen Künstler geplant. 

Auch in Lissabon wird es in diesem Jahr sicherlich erstmals Treffen der DPG-­Mitglieder mit Oliver Wedekind, Ariane Reipke, Madalena de Faria und Freunden der DPG geben.

Die DPG-Jahrestagung wird in diesem Jahr in Berlin vom 28.10. bis 30.10.2022 stattfinden. Merken Sie sich bitte schon jetzt den Termin vor. Sie dürfen auf das Tagungsprogramm gespannt sein! Die Mitgliederversammlung mit Wahlen des Präsidiums findet am Samstag, dem 29.10.2022, statt. Genaue Informationen zum Programm und zum Ablauf der Mitgliederversammlung erfahren Sie im nächsten Portugal Report. 

Grandiose Aktivitäten, die uns und unsere Mitglieder sowie Portugal-Interessierte und eventuell künftige Mitglieder samt Freundeskreis im Laufe dieses Jahres erwarten. Und sicher kommt das eine oder andere Event noch spontan dazu.

Noch mehr über Veranstaltungen der DPG erfahren Sie im Facebook Account der DPG. Und sollten Sie in einem Ort wohnen, in dem es bisher keine Treffen der DPG gibt, dann laden wir Sie zu unseren digitalen ZOOM-Treffen mit interessanten Themen ein. Wir freuen uns auf Sie und auf Ihre Vorschläge und Ideen für weitere Treffen. 

Wir wünschen uns allen ein gesundes und erfolgreiches Jahr unter dem Thema DPG begeistert!

Klein-Portugal in Frankfurt am Main

Foto von Manuel Cardoso Amaral in seinem Lebensmittelgeschäft in Frankfurt

Über das Lebensmittelgeschäft von Familie Amaral in der Kalmitstraße  von Jörg Hahn

> Als vor über vier Jahrzehnten das erste portugiesische Lebensmittelgeschäft in Frankfurt am Main eröffnete, im südlichen Stadtteil Niederrad in der Triftstraße, da waren die Betreiber blutjung. Fernanda Cruz Amaral war 17, ihr Mann Manuel Cardoso Amaral 20 Jahre alt. M.C. Amaral heißt der bis heute florierende Laden, der seit 1993 in größeren Räumen in der Kalmitstraße beheimatet ist. Man könnte fast sagen, dass die Straßenbahnlinie 15 zwar offiziell am Haardt­waldplatz endet, eigentlich aber in Klein-­Portugal. Denn neben dem Lebensmittelgeschäft betreibt Sohn Cristian seit einigen Jahren erfolgreich das Lokal Der Portugiese, ein Name, der auch von zahlreichen Frankfurter Straßen- und Volksfesten bekannt ist.

Fernanda und Manuel Amaral haben schon früh ausprobiert, wie offen die Frankfurter Gesellschaft für neue Geschmacksrichtungen ist − 1986 hatten sie ihre Premiere mit einem Grillstand auf dem Wäldchestag − so etwas wie der Frankfurter Nationalfeiertag − im Stadtwald. Doch zunächst wurden sie für »stinkende Sardinen« beschimpft. Längst aber kommen die Menschen regelmäßig und auch von weit her, um Köstlichkeiten wie Bifana (ein traditionelles Brötchen mit hauchdünnem Schweinerückensteak), Sepia oder eben Sardinen zu genießen. Seit 2002 findet man das portugiesische Paar mit seinen Mitarbeitern auch beim Museumsuferfest, am nördlichen Ufer neben dem Nizza unterhalb der Untermainbrücke. Leider hat die Pandemie diese Auftritte seit 2020 verhindert.

Fernanda und Manuel waren einst aus Portugal ihren Eltern gefolgt, die in Frankfurt Arbeit gefunden hatten. Nach der Schule arbeiteten beide als Angestellte mit Lebensmitteln, sie in einem Unternehmen auf der Zeil, er auf der Münchner Straße. Der Spaß an der Branche war da, der Mut zur Selbständigkeit auch. So entstand der inzwischen 43 Jahre alte Laden, in dem die Waren dicht an dicht aufgereiht sind; über 200 Weine und Sekte aus allen Regionen Portugals, sämtliche landes-typischen portugiesischen Lebensmittel, etwa Bacalhau (Stockfisch, also Kabeljau), frisch und tiefgefroren. Dass es 365 Arten gebe, Stockfisch zuzubereiten, wird mitunter behauptet. Das ist natürlich falsch, es gibt viel mehr Möglichkeiten, denn jede Familie hat ihr Spezialrezept. Frau Amaral sagt, sie finde alles, was sie selbst zum Kochen brauche, im eigenen Geschäft: »Wenn ich Knoblauch habe, Zwiebeln, Tomaten, gutes Olivenöl und gute Gewürze kann ich immer etwas machen.« 

Blick auf eines der Weinregale in Manuel Cardoso Amarals Lebensmittelgeschäft in Frankfurt

Blick auf eines der Weinregale in Manuel Cardoso Amarals Lebensmittelgeschäft in Frankfurt · © Jörg Hahn

Alle zwei Monate kommt ein 25-Tonner-Lastwagen aus Portugal nach Niederrad mit neuer Ware. Die kleinen Bierfläschchen von Sagres oder Superbock sind dabei, Portwein in weiß und rot, der Kräuterlikör Beirão, Ucal, der bei Kinder beliebte Schokotrunk, die Limonade Sumol, diverse Käse, Oliven, Lupinenkerne, Pasteis de Nata und anderes Gebäck, Meeresfrüchte, die scharfe Wurst Chorizo, diverse Konserven, Öle von Oliveira da Serra, Essig, Delta-Cafe (im Übrigen die Lieblingssorte des portugiesischen Literatur-Nobelpreisträgers José Saramago) und und und. »Wir haben Weine von zwei bis 50 Euro die Flasche«, sagt das Paar, das sich für Kundengespräche immer viel Zeit nimmt. Viele Portugiesen sind darunter, aber anders als in den Anfangsjahren haben auch die Deutschen, die Frankfurter, die portugiesische Küche für sich entdeckt, nicht zuletzt durch immer mehr Urlaubsreisen auf die iberische Halbinsel. Fernanda und Manuel Amaral stammen aus Viseu, südöstlich von Porto. Ihre beiden Kinder, Sohn und Tochter, haben für sich (und für die Enkel) entschieden, nur die portugiesische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Sie führen also Familientraditionen fort. 

Ein Laden wie M.C. Amaral, das bedeutet eine Sechs-Tage-Woche mit weit mehr als 40 Stunden. »Wir wollten auch leben und für die Familie da sein, deshalb haben wir selbst nie ein Restaurant eröffnet.«, sagt Frau Amaral, die sich nicht gerne fotografieren lassen möchte. Umso mehr freut sie sich, dass der Sohn es gewagt hat − und sich damit auch durchsetzt, bei einer Lage im Stadtteil Niederrad, die eher Kenner als Laufkundschaft anzieht. 

Der Laden hat eine treue Stammklientel, »zum Teil kommen schon die Enkel unserer ersten Kunden, also die dritte Generation«, sagt Frau Amaral. Sie und ihr Mann stehen gerne beratend zur Seite und geben leckere Rezept- und Koch-Tipps. Die beste Fischsuppe? Kein Problem, es ist alles im Laden vorrätig, und Frau Amaral hat keine Geheimnisse. Gerade samstags stehen Portugiesen im hinteren Teil des Ladens nahe der Kühltheke an einem alten Weinfass und tauschen sich in ihrer Muttersprache aus (was in der Pandemie natürlich auch häufig ausfallen musste). Der perfekte Ort, einfach Portugal Pequeno, um sich einzuhören in diese klangvolle wie komplizierte Sprache − und zu träumen von der nächsten Reise ins Land des Lichts am Rand von Europa.

Um passeio furioso num cavalo volante

Foto von Vila Nova do Corvo (Azoren)

Uma viagem á ilha de Corvo (Açores)  de Eberhard Fedtke e Ana Carla Gomes Fedtke

> Carlos, o capitão do nosso frágil, mas charmoso barco, parece ser profundamente embriagado perante uma certa inspiração de velocidade e rapidez. Responsável para uns cerca de trinta passageiros, brilha e brinca com a sua ocupação profissional, de preferência de forma atraente e com uma paixão ultra expressiva: manobrar e dirigir um destes elegantes barcos pneumáticos que quase voam em cima da água, com bravura pura e salvagem. Hoje, estamos nas suas mãos. Toda a sua figura está em consonância com a dedicação ao seu ­trabalho, em alegria permanentemente furiosa. O seu trabalho tem rituais autóctones. Será, para nós, no dia de hoje, um evento fascinante único.

Entretanto, passo a passo, em modo cronológico: encontramo-nos de férias nos Açores, na ilha das Flores, sendo os Açores não mais que o nosso jardim ­escolhido, há muitos anos.

Parte do programa absolutamente necessário e incomparável é o de fazer um passeio diário para a ilha do Corvo, a uns parcos 23 quilómetros de distância e à vista de perto, do nosso domicílio florido. 

Temos duas possibilidades de fazer a travessia do mar: ou com um ferry-boat, numa viagem de calma e contemplatividade marítima, com conversas relaxantes com outros passageiros e tomar, em jeito de intimidade náutica, um café ou um champanhe, no bar do barco ou em profunda aventura como a que oferece esta pequena embarcação. Nem pensar na primeira hipótese, não hoje!

A possibilidade que nos é oferecida e por nós há muito decidida, muito mais rápida e devidamente arriscada, extremamente intrépida e ousada, concomitantemente, num programa excêntrico e impetuoso, dirigido pelo senhor Carlos, assim como a escolha do seu barco pneumático. A nossa decisão inalterável e irrevogável prende-se com a vivência explosiva desta aventura, com o barco a saltar na crista das ondas. Gostamos de voar, no ar e no mar. Na próxima vida vamos ser pilotos, já fizemos essa decisão.

No porto de Santa Cruz de Flores, Carlos cumprimenta-nos graciosamente. De ombros largos e com as pernas abertas balança com um pé no cais e com o outro no balaústre do barco que abana veementemente, apoiando os passageiros nacionais e internacionais, alguns já com transpiração visível na cara, na tentativa de entrar, com um fraco equilíbrio, no barco. Estamos surpreendidos com o facto de a pequena embarcação estar cheia. Nós conseguimos os dois últimos lugares nos bancos, diretamente na frente do Carlos, que apoia ambas as mãos na roda do lemo.

Como todos estão nos seus devidos lugares e os cintos colocados, Carlos deixa rebuliçar o motor do barco e com um primeiro arranque espetacular, numa onda de proa alta, sai do porto, um sorriso matreiro é desde logo arrancado do seu rosto. A nossa aventura sismográfica, ao ar livre, começa bem e furiosamente. A espuma alta quer da direita quer da esquerda do barco, salta, trepidante, de vez em quando para cima dos passageiros. As tranças das meninas voam no vento forte de frente, o barco bate contra as ondas, dança com arrebatamento, uma ponta uma vez em cima, outra vez em baixo, é como se se tratasse de uma montanha russa horizontal. Estamos atónitos e encantados com este espetáculo original, sem o recurso a quaisquer artefactos, e saudável para a nossa anima.

Carlos deve conhecer todos os centímetros quadrados, frente à costa, a avaliar pelas arriscadas manobras que faz, à pala de uma incrível velocidade, dentro das rochas da praia. Bruscamente faz ­simulações de piruetas, angustiando alguns passageiros que arrancam, assustados, as mãos das barras de apoio frente a cada lugar. Falta-nos uma pirueta total do barco, faça o favor, caro Senhor Carlos. Os gritos tímidos de alguns dos passageiros têm eco nos escombros, quando visitámos as grutas e as cavernas, parte paga do fulminante programa. Apenas a música exorbitante advinda das cascatas brilhantes, exatamente em cima de nós, teve um barulho significativamente mais alto. Não pode ser maior este espetáculo único, esta maravilhosa sinfonia de água, do vento, das rochas e dos restantes milagres naturais, não pode revestir-se numa subida do nosso gosto passionato deste ambiente vulcânico, com um sabor forte e inconfundível do mar excitado. De vez em quando, uma grande onda ameaça o barco de invasão aquática rente às caras e às vestes. Alguns passageiros tremem. Mas este risco faz, podemos ver no rosto divertido de Carlos, parte dum ­escolhido cenário particular do nosso excêntrico capitão, com intenções altamente extravagantes, quando confrontado com o mar salvagem. Nós estamos muito entusiasmados e aplaudimos com as mãos veementes, em cima, mas nem ­todos os passageiros se sentem bem, como se vê pelas suas figuras curvadas.

Depois desbreve incursão pela costa, com as suas curiosidades de grutas, cascatas e monumentos do visual marítimo, atravessámos o mar na direção do Corvo, 20 minutos de alto sprint com uma luta romântica contra as ondas, moderadas de hoje, como Carlos me explica. Há poucos dias durante um ano inteiro, aquando de uma excursão Flores — Corvo ir e voltar, era absolutamente impossível até, ou seja, quando as condições atmosféricas não o permitirem, o risco para este barco frágil, é bem maior.

Chegados ao Corvo, encontrámos uma atmosfera indígena e afetuosa. Um contraste imediato se nos lembrarmos de há 20 minutos antes. Tudo parece em ritmo sedutor de lentidão e lassidão. Aqui parou o tempo, julgamos. As ruas dormitam, as gentes parecem estar suspensas em todas as suas atividades modernas, de forma unânime. Aqui, na terra sem movimento, o calor fatiga. Só um grupo, os taxistas, demostram uma certa vontade de atividade, para ganhar dinheiro. Pelo menos reagem poucas vezes, com este ritual vivo, quando chega o ferry-boat, uma vez por dia e duas vezes, no nosso  Carlos rápido com o seu sprinter, interrompendo o silêncio e o recato da serena ilha, dotada de forma brutal de indivíduos poliglotos, munidos de máquinas fotográficas, chapéus turísticos coloridos e de smartphones em punho, fotografando impertinentemente tudo em torno, para assim, dizem, o próprio arquivo eterno ou para mostrar aos descendentes, as belezas daquela que é a parte mais ocidental de europa. Os taxistas, sem pausa, caprichosamente superativos, convidam apaixonadamente os turistas de os acompanhar ao topo da ilha, para visitar a grande lagoa, de vistas largas em 365 graus dos horizontes mágicos e repletos de fantasias infinitas. Nós alugámos um destes veículos, o taxista de alta figura era um interlocutor falador, como uma brisa amigável. Durante os dez minutos de viagem até cima, sobre o seu domicílio tectónico.  

Foto de caminho ao Caldeirão do Corvo (Açores)

De caminho ao Caldeirão do Corvo · © Ana Carla Gomes Fedtke

A lagoa, de uma extensão enorme e ainda parcialmente coberta de água, explica aos visitantes o retrato e a história desta pequena ilha glamorosa, com atualmente 383 habitantes, conforme os Censos. Um pequeno aeroporto ao lado do cemitério florido, uma igreja pitoresca, quer da parte fora quer no seu interior, situa-se exatamente no centro, perto de um médico para a saúde da pequena população, sendo este doutor, segundo ouvimos falar, natural do continente. Vê-se aqui em cima, um episódio típico e sempre impressionante de um produto geológico cumulativo de um vulcão de categoria bem exemplar: um monte vermelho de lava mágica há-de ter-se levantado certamente do mar, criando um panorama lúcido duma larga travessa, onde caíram de todos os lados, escarpadas e declives, cobertos hoje, com doninhas, cheio de incontáveis vaquinhas e flores do prado, úteis para a fauna e para a flora, em puro regime de monocultura. Pequenas vinhas também nos saúdam, em torno da cidade pitoresca, vestida de brancas casas: a simplicidade nobre de todo ambiente natural faz bem, acalma e cura a alma. Faz-nos, ainda refletir e muito bem patentear que neste mundo contemporâneo, tão exigente, pouco é verdadeiramente necessário para viver em solidão saudável, marítima e em contemplação espiritual. Também com a reserva prática e de uma perspetiva atrativa da vida moderna, usufruindo do apoio elegante dum pequeno avião de motor; este aparelho é quase como um que um cordão umbilical cautelar, para fugir de quando em vez, no mundo ruidoso de fora, mas regressar, sempre bem curado, a este paraíso com a sua tensão saudável de lava exótica. 

Vale a pena voltar, para explorar com nostalgia Corvo total, não só para um salto veloz de umas horas de Flores e de um intermezzo minucioso com Carlos, que se dedica ao seu serviço lucrativo duas vezes por dia, mas pelo menos para alguns dias ou mais, é ótimo para entrar mais profundamente nos segredos lindos deste microcosmo de fauna e flora ameno, contemplativo e melancólico. Por isso: até breve, depois um intermezzo breve no continente.