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Maria und Eusébio

Das Cover des Buches »Maria und Eusébio«

Bericht über die Lesung von Michael Longerich am 26.1.2022 in Berlin    von Michael W. Wirges

> Michael Longerich wurde 1959 in Freiburg im Breisgau geboren. Nach dem Abitur studierte er Geschichte, Germanistik sowie Politikwissenschaften. Er wohnt seit 1989 mit seiner Familie in Tønder (Dänemark) und arbeitet dort als Gymnasiallehrer. Seit einigen Jahren schreibt er Kurz­geschichten und Romane, wobei Maria und Eusébio als sein zweiter Roman veröffentlicht wurde.

Michael Longerich lud zur Lesung seines neuen Buches Maria und Eusébio ins Hotel Friedenau − das Literaturhotel in Berlin ein, in den gemütlichen Uwe-Johnson-Salon, dessen Interieur einen sofort an die Salons des neunzehnten Jahrhunderts erinnern ließ.

Foto von Michael Longerich bei der Lesung am 26.1.2022 in Berlin

Michael Longerich bei der Lesung am 26.1.2022 in Berlin · © Michael W. Wirges

Der Roman erzählt von dem Kindermädchen Maria, die 1960 auf dem Flug von Lourenço Marques (heute Maputo) nach Lissabon neben dem späteren portugiesischen Fußballstar Eusébio sitzt. Sie schätzt Eusébio sehr, auch für den Mut, fern von seiner Heimat neu anzufangen. Sie selber, die wie Eusébio aus Mosambik stammt, soll bei der Familie eines Bankdirektors als Kindermädchen arbeiten. Bald stellt sich heraus, dass nicht nur die Kinder sie als Afrikanerin ablehnen, und der Herr Bankdirektor mehr von ihr verlangt, als nur den täglichen Dienst in seinem Hause. Selbst ein katholischer Pfarrer, dem sie sich anvertraut, erweist sich als Verräter und lässt sie mit der Polizei wieder zu ihrer Herrschaft zurückbringen, wo sie weiterhin unter den sexuellen Übergriffen ihres Herrn leiden muss. Bei einem zweiten Fluchtversuch gelingt es der Afrikanerin, aus dem Hause zu fliehen, um selbstbewusst ein neues Leben zu beginnen.

Eusébio, in den sie sich verliebt hatte, begegnet sie nur einmal kurz bei einem Fußballspiel im Stadion, ansonsten verfolgt sie sein Leben über Presseartikel und bei Fußballspielen im Fernsehen, bis zu seinem Tode im Jahre 2014. Er bleibt jedoch in ihrem ganzen Leben präsent. Michael Longerich hatte meiner Meinung nach wohl nicht eine Liebesgeschichte zwischen Maria und Eusébio im Visier, sondern eher den Gedanken der persönlichen Freiheit und Entfaltung ­eines Menschen zu schwierigen Zeiten eines autoritären Regimes, das Portugal damals unter Salazar führte. Der Titel des Buches führt also eher in die Irre, besser wäre meiner Meinung nach Maria, Eusébio und der Gedanke der Freiheit. Es wird vorwiegend Marias Streben nach Glück und Freiheit beschrieben, Eusébio tritt eher als ihr Idol auf.

Ein näherer Bezug zu Portugal wird vor allem von KennerInnen des Landes vermisst.

Die Lesung war für den DPG-Landesverband Berlin / Brandenburg ein zum Jahresanfang gelungener Auftakt der DPG-Encontros. Für die Gäste der Lesung und die teilnehmenden Mitglieder der DPG war es ein schöner, gemütlicher Abend, begleitet von einem guten Glas Rotwein, in der gediegenen Atmosphäre des vorletzten Jahrhunderts.

Herrn Longerich wünsche ich alles Gute und viel Erfolg bei seinen künftigen schriftstellerischen Arbeiten!

Eine missglückte Liebeserklärung

Das Cover des Buches »Liebeserklärung an Portugal«

Buchvorstellung von Andreas Lausen

Die Vielfalt Portugals in einen schmalen Buchrücken zu quetschen, ist ein Kunststück. Viele Einzelheiten und wertvolle Hinweise müssen weggelassen werden, um den Umfang nicht zu sprengen. 

In diesem Buch stellt eine Reihe von Kapiteln einen durchaus gelungenen und nützlichen Reiseführer dar. So macht die Schilderung der Portwein-Kellereien in Vila Nova de Gaia neugierig auf einen Besuch. Eine Glanznummer ist auch die Beschreibung einer Bootsfahrt zu den Berlengas-­Inseln, die schon so manche Portugal-­BesucherIn wegen des Seegangs unterlassen hat.

Aber für eine Liebeserklärung reicht das nicht. So ist es fehl am Platz, wenn der Autor sieben Seiten lang über seinen einzigen Fallschirmsprung über dem Alentejo berichtet. Das Abenteuer hat wenig mit Portugal zu tun, denn der Sprung hätte genauso über der Altmark oder der Normandie stattfinden können. Ähnlich selbstbezogen ist die Beschreibung seines Surf-­Abenteu­ers an der Costa Vicentina.

Madeira kommt gar nicht erst vor, dafür aber unpassende Bemerkungen über die heilige Virgem do Leite. Auch die langatmige Wiederholung der Legende von der Steinsuppe muss nicht sein, denn sie ist auch in anderen Ländern verbreitet, also nicht typisch für Portugal. 

Fazit: Für eine Liebeserklärung hat der Autor das Thema verfehlt. 

Andreas Drouve: Liebeserklärung an ­Portugal
224 Seiten, 12,99€ · Stürtz-Verlag
ISBN: 978-3-8003-4760-5

Pássaros da morte

Foto des Buchcovers »Die Todesvögel Salazars«

Buchtipp von Andreas Lahn

> Miguel Oliveira ist 1979 in Hamburg geboren und u. a. durch seine Bücher über den amerikanischen Schriftsteller John Dos Passos bekannt. Die Todesvögel Salazars ist eine Tragödie in zwei Farcen, die den Opfern der portugiesischen Geheimpolizei PIDE gewidmet ist.

In der 1. Farce macht eine kleine Gruppe Dissidenten dem PIDE-­Spitzel Manuel Fernandes e Castro am 10.4.1974 im Tribunal da Boa Hora den Prozess und konfrontiert ihn mit den Gräueltaten des Kolonialkrieges und den Foltergefängnissen in Tarrafal, Peniche und Caxias: »Dieser Prozess ist der erste Schritt in eine neue Zeit.« (S. 50)

In der 2. Farce geht es um WiderstandskämpferInnen und deren Schicksal. Dann stürmt die Polizei das Gebäude, es fällt ein Schuss …

Miguel Oliveiras Text über die Todesvögel (pássaros da morte) ist eindringlich, seine Sprache ist direkt und voller Gewalt. Wie die Realität zur Zeit der Salazar-Diktatur. Dieses Buch ist nichts für Zartbesaitete. Wer sich darauf einlässt, lebt einen Nachmittag in längst vergangenen Zeiten. 

Miguel Oliveira: Pássaros da morte
Eine Tragödie in zwei Farcen
BoD – Books on Demand · 3.12.2021
Taschenbuch, 112 Seiten; 12,7 × 20,3 cm
ISBN 978-3755742203 · 14,95 €

Ruprecht Günther – Lisboa

Foto des Buch-Covers »Lisboa – Die melancholische Schöne«

Buch-Cover »Lisboa – Die melancholische Schöne« · © Salon Literatur Verlag

Das Schöne an der Melancholie

Fotobuch mit Bildern aus und kurzen Texten über Lisboa • von Andreas Lahn

Ruprecht Günther kommt Mitte der 1970er Jahre zum ersten Mal nach Lissabon. Auf den ersten Seiten des Buches schildert er seine ersten Eindrücke in der Alfama und im Bairro Alto. Dann sind Fotos zu sehen, in unterschiedlichen Formaten, oft quadratisch, aber auch doppelseitig oder horizontal, in Farbe oder Schwarzweiß. Klassische Motive aus dem Reiseführer spielen keine Rolle. Die Auswahl ist subjektiv, was ich zu schätzen weiß. Einigen Fotos hätte in meinen Augen eine kurze Beschreibung gutgetan, denn entgegen der verbreiten Meinung sagt ein Bild eben nicht mehr als tausend Worte. Das liegt vermutlich daran, dass Bilder normalerweise nicht sprechen können.
Der Fotograf meistert unterschiedliche Lichtsituationen und fängt die Stimmung in der Stadt so ein, wie er sie empfindet. Das ist am Aussichtspunkt St. Catarina so, bei einer telefonierenden Frau oder diskutierenden Männern, bei den verschiedenen Linienführungen von Gebäuden, dem roten Blütenmeer vor einem zugemauerten Balkon oder am Abend. Die Sortierung leuchtet mir nicht ein, ein paar Fotos sind mir zu gelb, aber alle zusammen lassen den Wunsch aufkommen, sofort einen Flug in ja auch meine Lieblingsstadt zu buchen.
Nach einigen Seiten mit Fotos sind Texte eingefügt − das zieht sich so durch das ganze Buch. Thematisiert werden nicht nur portugiesische Eigenarten, sondern auch Veränderungen in der Stadt durch die zunehmende Zahl der TouristInnen oder steigende Mieten. Es geht um die portugiesische Melancholie und den Fado, um Sardinen und die Sehnsucht: »So könnte man die Saudade auch beschreiben als Sehnsucht nach einem imaginären Ziel, das eigentlich niemals erreicht sein will, denn der scheinbare Erfolg würde ihr jeglichen Grund unter dem Boden entziehen.«
Es sind häufig Personen zu sehen auf Ruprechts Günthers Fotos: Sie sind jung oder alt, groß oder klein, sie arbeiten, essen, lesen, diskutieren oder sitzen in der Bar und schauen fern. Mir gefallen die eingestreuten Texte. Auch die beiden Seiten über bedeutsame Ereignisse der portugiesischen Geschichte sind sorgfältig formuliert. Schade, dass Ruprecht Günther die Bilder so nackt lässt. Trotzdem mag ich den Kiosk und die Möwe auf der anderen Seite des Tejo. Der Leuchturm und das Schiff dagegen erreichen mein Herz nicht, dafür dann aber wieder die beiden Laternen und die junge Frau am Brunnen auf dem Rossío. Den abendlichen Blick von der Graça über das Lichtermeer der Baixa hin zur beleuchteten Ponte 25 de Abril kenne ich selbst nur zu gut.
Wer diesen Foto-Band von Ruprecht Günther kauft, erhält einen subjektiven Blick auf Lisboa. Und wenn man fünf Menschen fragen würde, welche Bilder für sie die schönsten sind, bekäme man garantiert fünf verschiedene Antworten. Das ist der Vorteil einer Auswahl, die sich nicht am Mainstream orientiert, sondern an den Empfindungen eines feinfühlenden Fotografen.
»Seit meiner ersten Reise nach Portugal sind Jahrzehnte vergangen, und Lissabon, das so viel Freude und Leid gesehen hat, ist nicht mehr dasselbe wie damals.« schreibt Ruprecht Günther. Das empfinde ich auch so. Natürlich hat sich Lisboa im Laufe der Jahrzehnte verändert. Aber der Charme dieser Stadt ist in meinen Augen exakt derselbe wie vor einigen Jahrzehnten. Man muss nur etwas genauer hinsehen…

Ruprecht Günther − Lisboa, Die melancholische Schöne, Salon Literatur Verlag 2017, 21×21cm, 112 Seiten, Hardcover, ISBN: 9783947404018, 18,90€