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Krippenlandschaften zu Weihnachten im Algarve

Foto der Krippenlandschaft von Castro Marim am Algarve (Portugal)

In den beiden Algarve-Städten Castro Marim und Vila Real de Santo António erleben Sie eine Weihnachtsstimmung der besonderen Art    von Catrin George Ponciano

> Die beiden Grenzstädte des Algarve, Vila Real de Santo António und Castro Marim, wappnen sich bereits seit Mitte Oktober für Weihnachten und bauen bis zum Nikolaustag zwei außergewöhn­liche Krippenlandschaften für Besucher auf.
Die Weihnachtskrippe im Algarve ist Familienbrauchtum. In jedem Haushalt steht sie ab dem 8. Dezember aufgebaut in einem zum Stall umfunktionierten Puppenhaus, gefüllt mit Stroh und Tierfiguren. Die Krippe bekommt einen Ehrenplatz, ist dekoriert mit Moos, Kerzen, Korkrinde, Weizen-Keimlingen und dem religiösen Figurenensemble. In den ­lokalen Pfarrkirchen herrscht ebenfalls reges Krippenspiel, man begegnet Krippen im Kreisverkehr, in Markthallen, den »Heiligen drei Königen« als lebensgroße Puppen ausgestopft mit Kamel auf der Straße, und in manchen Städten sogar lebenden Krippenfiguren. Mit von der Partie sind Akteure, die sich maskieren, verkleiden, als Pantomime eine Krippenfigur darstellen und so das Stadtbild animieren. Neben diesen ­bereits bekannten Ausdrucksformen kommen im Osten des Algarve noch zwei außergewöhnliche Krippen-­Kuli­s­sen hinzu: Die eine steht in Vila Real de Santo António, und die andere ist in Castro Marim aufgebaut.
Vila Real de Santo António liegt ganz im Osten des Algarve am Fluss Rio Guadiana. Nach der 16. Edition der Riesenkrippe presépio gigante in Vila Real Santo António in der Weihnachtssaison 2018/2019, begannen gleich nach dem Abbau der Exponate und dem Einlagern der über 5.000 von Hand gefertigten Figuren, die Vorbereitungen für die heurige Krippenausstellung Nummer 17. Schließlich wollen 220 Quadratmeter Ausstellungsfläche auch in diesem Jahr in weihnachtlich inspiriertem Licht glänzen und die Krippenlandschaft wohl gestaltet sein. Damit die Ausstellung in der ehemaligen Markthalle, in der heute das Kulturzentrum Centro Cultural de António Aleixo untergebracht ist, auch künftig die größte Krippenausstellung von Portugal bleibt, ist die Mithilfe etlicher Freiwilliger gefragt. 
Diese braucht die Stadt vor allem für das Sammeln von geeignetem Natur­material für die Landschaftsdekoration in der Krippe. Hier dominieren Kork, Moos und Sand. Etwa zwanzig Tonnen Sand, vier Tonnen Quarzsand und 2500 Kilogramm Kork bilden die Basis für die Riesenkrippe in der Grenzstadt. Dazu kommt Moos, eigenhändig gesammelt und abgegeben von Bauern, Jugend­lichen und Schülern, die sich eigenständig auf die Pirsch nach dem grünen ­Natur-Waldteppich machen, und ihre Ausbeute im Kulturzentrum abliefern. 
Allein für den Aufbau der Krippe sind fünf Handwerker zwei Monate lang beschäftigt, bis das letzte Lämpchen montiert ist und leuchtet, der letzte Hügel in Miniaturausgabe errichtet ist und das letzte Stück Moos und Kork an der richtigen Stelle liegt. Die auf einem Podest aufgebaute Riesenkrippe entsteht somit Stück für Stück, Szene für Szene. Einmal aufgestellt, erreichen die Mitarbeiter die Krippen-Kulisse nur noch von unten, in dem sie unter dem Podest auf allen Vieren über den Boden zu der Stelle kriechen, wo sie eine Glühlampe auswechseln oder eine umgefallene Figur aufrichten müssen. 

Foto der Krippenlandschaft von VR de Santo António am Algarve (Portugal)

Krippenlandschaft von Vila Real de Santo António am Algarve (Portugal) · © Catrin George Ponciano


Die Vorbereitungen für die diesjährige Krippenausstellung laufen bereits seit Anfang Oktober auf Hochtouren, und dauert so lange, bis die letzte Figur, das letzte Haus und das letzte schmückende Beiwerk auf seinem Platz stehen. Das Projekt Presépio gigante erfreut sich seit seiner Premiere enormer Besucherzahlen, Tendenz steigend. Im letzten Jahr kamen mehr als 30.000 BesucherInnen. Und natürlich hoffen alle in dieser Saison auf weiteren Zuwachs.
Die jüngste Stadt in der Lokalgeschichte des Algarve wurde nach dem Erdbeben 1755 unter der Ägide von König D. José I, und nach Plänen des Marqués de Pombal erbaut. Für Vila Real de Santo António ist die Presépio gigante ein echtes Aushängeschild. Keine andere Stadt in Portugal bietet ein größeres Krippen-Erlebnis als die hübsche Spätrenaissance-­Stadt am Ufer des Rio Guadiana mit ihrer pombalinisch angelegten Fußgängerzone, die an die Baixa in Lissabon erinnert. Das Zentrum bildet der Marktpatz Marquês de Pombal mit emblema­tischen Obelisken, gekrönt von den königlich Insignien. Die vier Türmchen mit grüner Kuppel der früheren Markthalle ragen über die Walmdach-­Landschaft hinaus und weisen dem Besucher den Weg zum Eingang in die weihnachtliche Wunderwelt. Decke und Wände glänzen nachtblau gestrichen, und werden von vielen hundert winzigen Glühbirnchen beleuchtet, die die gesamte Kulisse in ein Sterneparadies verwandeln. Weihnachtsmusik rieselt leise aus unsicht­baren Lautsprechern. Die Wirklichkeit bleibt ausgesperrt. Die Augen der Besucher funkeln glücklich, egal, ob sie groß sind oder klein, von Mädchen oder Jungen: Alle wandeln fasziniert um das Podest herum und finden 1001 magische Details inmitten der über 5.000 Figuren.
Kaum fünf Minuten Fahrtzeit von Vila Real de Santo António entfernt liegt die älteste Stadt des Algarve, Castro Marim. Gekrönt von zwei Ritterburgen, die Santiago-Burg und die Sebastian-Burg, liegt die einst mittelalterlich bedeutsame Stadt und größte Verteidigungsfeste im Süden des Landes an der Grenze zum antiken Hispanien, dem späteren al-Andaluz und heutigen Spanien, zwischen zwei Hügel gebettet und umgeben von Meersalz-Salinen. Ein Stück flussaufwärts, mit Blick auf Ayamonte am spanischen Ufer und inmitten der Salzmarsch im Mündungsgebiet des Rio ­Guadiana erbaut, wachten der Santiago-­Ritterorden und später der portugiesische Christus-Ritterorden mit seinen Ritterbrüdern über das Ein- und Auslaufen von Handelsschiffen, Lastkähnen und die Armada-Flotte und verteidigte den uralten Grenzposten gegen feind­liche Invasionsversuche zu Land und zu Wasser. Somit spielte Castro Marim beinahe zwei Jahrtausende lang − erst für die römischen, danach für die maurischen und später für die christlichen Herrscher − eine bedeutende Rolle als Militärposten an der Grenze zu Spanien. Und auch als Fluss- und Seehafen für die Schifffahrt flussaufwärts bis nach Mértola und zum Hafen von Pomarão im Alentejo, wo die Bodenschätze aus den Minen rund um Serpa, Beja und Almodovar verladen wurden. Aufgrund seiner geografischen Lage zählte Castro Marim außerdem in Portugal zum Hauptumschlagplatz für das weiße Gold der Antike − Salz.
Die Gewinnung von Meersalz in Cas­tro Marim läuft heute wie vor 2800 Jahren. Das Salzhandwerk machte in Castro Marim die Salinen-Besitzer reich und bescherte den Salzbauern Salär und Existenz. In dem ehemaligen Salzhaus Casa do Sal ist heute ein Salz-Museum untergebracht. Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte rund um die lokale Salzkultur Salinícola und veranschaulicht, wie die Salzgewinnung funktioniert und welche Arbeitsschritte erforderlich sind, bis das kristalline Meersalz Sal tradicional unsere Speisen würzt und die Salz-­Blüte Flor de Sal ­unsere Speisen veredelt. Das Salzhaus, genannt Balalaica, ist eine der original erhalten gebliebenen Salzlagerstätten aus dem vergangenen Jahrhundert. Das aufwendig sanierte Gebäude soll seit der Wiedereröffnung dem lokalen Kulturerhalt dienen. Neben der Dauerausstellung über die Meersalzgewinnung finden im Salzhaus kulturelle Veranstaltungen mit Schwerpunkt-Genres aus der Region statt. Seit dem letzten Weihnachten dient die Casa Balalaica außerdem als Ausstellungsfläche für die zweite und einzigartige Krippen-Idee O Presépio do Sal – die Salz-Krippe.
Salz und Castro Marim gehören zusammen wie das Meer zu Portugal. Somit war es bloß eine Frage der Zeit, bis jemand die grandiose Idee, eine Weihnachtskrippe mit Salz zu dekorieren, in die Tat umsetzte. Das Salzhaus glitzert wie eine Schatztruhe und das ausgestreute Salz als Untergrund für die fantastisch gestaltete Krippen-Landschaft lässt die Kulisse erstrahlen, als wäre eben frischer Schnee gefallen. Extra kühl ist es tatsächlich im Ausstellungsraum, damit das Salz nicht warm und feucht wird und die Kristalle verkleben. Auch hier sorgen mehrere tausend Figuren, Häuser, Wald, Flur, Tiere und Nutzgegenstände für ein echt weihnachtliches Krippen-Gefühl.
Wenn Sie mich fragen, ist es einerlei, welche der beiden Krippen der Besucher zuerst bestaunt. Ein Tag reicht prima, um sich beide Krippenausstellungen anzusehen und darüber hinaus beide Städte kennenzulernen. 
In Vila Real de Santo António (VRSA)locken die charmante Fußgängerzone mit hübschen Boutiquen, Cafés und Souvenirgeschäften zum Bummeln; die Flusspromenade zum Flanieren; das Fährboot nach Spanien zu einem Ausflug nach Ayamonte; der Leuchtturm immer mittwochs zu einem Aufstieg auf den Balkon rund um die Laterne in 45 luftigen Höhenmetern. Oder man geht im Nationalforst zwischen VRSA und Monte Gordo wandern. Lecker Mittagessen kann man besonders gut an der Flusspromenade in VRSA mit Blick über den Fluss auf die andere Seite des Rio Guadiana nach Spanien.
In Castro Marim wird der anstrengende Aufstieg zu Fuß zur Santiago Burg mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt auf die Flussmündung, das spanische Ufer, den Fluss, die Guadiana-­Brücke und auf die Salzmarschlandschaft rundherum. Die Santiago-Burg und das kleine Museum in der ehemaligen Santiago-Kapelle im Burginneren, bezeugen die über 2000-jährige Geschichte der Bastion und ihrer Herren. Die prächtige Märtyrer-Kirche im Zen­trum von Castro Marim überrascht mit Spätrenaissance, die Sebastian-Kirche auf dem Weg zum Salzhaus mit farbenfrohen, original erhaltenen Freskenbildern. Castro Marim zeigt sich gut erhalten mit kleinen Gassen, idyllischen Plätzen und typisch ländlich geprägten Häusern. An der Ortsausfahrt Richtung VRSA, laden der Aussichtspunkt Revelim de Santo António und der maurisch geprägte Wasser-Park am Hang davor zu einer Pause ein.
Die Krippenausstellungen öffnen um den Nikolaustag herum und schließen am Dreikönigstag ihre Pforten. Sie machen einen Ausflug im Dezember bis in den Osten des Algarve zu einem einmalig weihnachtlichem Erlebnis. Am besten fährt man zweimal hinüber bis an die Grenze zu Spanien, einmal vor und einmal nach Heiligabend. Denn in der Heiligen Nacht reitet die schwangere Maria auf ihrem Esel fort aus der Kulisse, und die Krippe mit dem neugeborenen Christkind findet seinen Platz im Stall. Und über allen leuchtet der Stern zu Betlehem. 
Feliz Natal − Bom ano novo!