Über das Treiben des Infante Dom Francisco, Duque de Beja (1691–1742) • von Andreas Lausen
»Das hier, das ist der königliche Palast von Lissabon«, sagte der sommersprossige Matrose zu seinen Kameraden, als der Dreimaster langsam den Tejo aufwärts segelte. »Geht weg hier!« fuhr der Bootsmann die Seeleute an, »wer nichts zu tun hat, geht nach Steuerbord rüber! Über diese Stelle im Tejo werden schlimme Geschichten erzählt!«
Da peitschte ein Schuss über die Kaikante, und im gleichen Moment stürzte ein Schiffsjunge aus dem Mast. Tot lag er auf den Planken. Wieder hatte Prinz Francisco seiner Mordlust nachgegeben.
Infant Francisco war der jüngere Bruder von König João V. (geboren 1689) aus dem Hause Bragança, der von 1706 bis 1750 regierte. Der König war einer der reichsten absoluten (»losgelösten«) Herrscher der Welt, denn die Einnahmen aus der riesigen Kolonie Brasilien sprudelten. Charakterlich waren die beiden Brüder wie Tag und Nacht.
Während der König im Grunde seines Herzens friedfertig war und sich den Künsten, der Architektur, der Malerei, der Musik, der Bildhauerei verschrieben hatte, konnte sein Bruder Francisco all dem nichts abgewinnen. Stattdessen grämte er sich über seinen zweiten Platz in der Thronfolge. Noch hatte der König mit seiner österreichischen Gemahlin Maria Ana keine Kinder. Prinz Francisco stand noch an erster Stelle der Thronfolge.
1711 gelobte der König feierlich, in Mafra ein großes Kloster mit Basilika und Königspalast zu bauen, wenn ihm und Königin Maria Ana ein Sohn geboren würde. Der Grund war nicht nur sein inständiger Wunsch, die Dynastie zu erhalten. Denn einen Thronfolger gab es − seinen Bruder Francisco. Der König kannte seinen zynischen, sadistischen Charakter, vor dem er Familie und Land bewahren wollte. So ist sein Gelübde zum Bau von Mafra nicht nur königlicher Größenwahn, sondern auch das Streben, Portugal vor einem Verbrecher auf dem Thron zu schützen.
Als 1714 Infant José geboren wurde, rückte Francisco in der Thronfolge nach hinten. Er sah seine Felle wegschwimmen. Also plante er, mit einem Putsch an die Macht zu kommen. Historiker meinen, dass er sogar die Ermordung seines königlichen Bruders plante.
Als dann der König 1715 schwer erkrankte, sah sein Bruder die Chance, auf den Thron zu kommen. Er konspirierte mit der Königin und bot ihr die Heirat an, falls der König sterben sollte. Maria Ana dachte nicht daran, ihren Schwager bei seinen finsteren Machenschaften zu unterstützen. Aber sie muss furchtbare Angst vor ihrem Schwager gehabt haben, denn sie überzeugte ihren Gatten, seine geplante Pilgerreise nach Rom abzusagen, um nicht die Kontrolle in Portugal zu verlieren. Der König schickte seinen Bruder als Kommandant der Flotte ins Mittelmeer, um im Bündnis mit Österreich und Venedig gegen die Türken zu kämpfen. Diese Aufgabe erledigte Francisco erfolgreich. Insgeheim mag König João gehofft haben, sein Bruder möge den Tod bei dieser Expedition finden …
Francisco begrub seine Hoffnung auf den Thron. Er führte ein Leben in Luxus. Seine üblen Charaktereigenschaften legte er nicht ab. Er war der Schrecken aller Bediensteten − und aller Nonnen. Mit einer von ihnen, Mariana da Silveira, hatte er zwei Söhne. Sein illegitimer Sprössling João de Bemposta brachte es mit seiner maritimen Begabung sogar zum Generalkapitän der Flotte. An den Infanten Francisco erinnert heute nur wenig. Fast scheint es, als wollten die Portugiesen diesen finsteren Typen aus dem kollektiven Gedächtnis verbannen. Seine Mordtaten wurden nie verfolgt. Nur im Lissabonner Vorort Caxias (sonst vor allem durch ein Gefängnis bekannt) findet sich ein Palast, den Francisco begonnen hatte. Er wurde erst 1770 fertig, sodass Francisco ihn nie bewohnt hat. Der Palast befindet sich heute in einem ruinösen Zustand. Der Eigentümer, das Verteidigungsministerium, hat keine Pläne für eine Sanierung.
Aber die Parkanlage wird gepflegt und ist öffentlich zugänglich. Hier kann der Besucher bei einem Spaziergang darüber nachdenken, dass den Portugiesen ein Wahnsinniger als Herrscher erspart geblieben ist. Dem Gelübde seines Bruders für den Bau von Mafra sei gedankt!