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Portugiesische Offiziere 1917 in Breesen

Breesen: Fado-Töne im  norddeutschen Moor
Vor 100 Jahren wurden portugiesische Offiziere in deutschem Lager inhaftiert von Andreas Lausen

Wer heute auf der Bundesstraße 208 von Ratzeburg nach Gadebusch fährt, kommt durch die kleine Ortschaft Breesen-Chaussee. Nichts deutet darauf hin, dass diese unscheinbare Siedlung  einmal Teil europäischer Geschichte war − ein Schauplatz deutscher und portugiesischer Geschichte im I. Weltkrieg.

Die DPG hat 2003 ein Stück portugiesischer Vergangenheit aufgespürt. Hier, am Rande des Breesener Moors, stand von 1917 bis 1919 das einzige Kriegsgefangenen-Lager für portugiesische Offiziere, das es jemals in Europa gegeben hat.

Das Deutsche Reich hatte am 9. März 1916 Portugal den Krieg erklärt, nachdem Portugal 72 deutsche Handelsschiffe beschlagnahmt hatte, die sich in Häfen des neutralen Portugal geflüchtet hatten. Zuvor hatten deutsche U-Boote die Versorgung Portugals mit Lebensmitteln und englischer Kohle stark beeinträchtigt.

Deutsche Truppen drangen bald da­rauf  von der deutschen Kolonie Tanganyika in das portugiesische Moçambique ein. Ab Februar 1917 schickte Portugal ein Expeditionskorps nach Frankreich und bestand dort auf einen eigenen Frontabschnitt gegen die Deutschen, der bis zu 18 Kilometer breit war. In blutigen Kämpfen fielen 2.424 Portugiesen, 7000 gerieten in deutsche Gefangenschaft. Von den 285 gefangenen Offizieren kamen 262 in das abgelegene Lager Breesen.

Dem Großherzogtum Mecklenburg- Schwerin fiel die Aufgabe zu, die portugiesischen Offiziere unterzubringen und zu versorgen. Das deutsche Kommando wählte dazu dieses einsame Lager Breesen, das direkt an der Landesgrenze zum preußischen Herzogtum Lauenburg lag. Mit dessen Hauptstadt Ratzeburg verband es eine Bahnlinie, die die Transporte einfach machte.

Während Mannschaftsdienstgrade nach der Haager Landkriegsordnung in der Gefangenschaft zur Arbeit verpflichtet waren, galt dies nicht für Offiziere. Sie hatten »Anspruch auf die landesübliche Verpflegung«. Diese bestand zu dieser Zeit meist aus Steckrüben, Kartoffeln und wässeriger Grütze. »Die Deutschen haben selbst nichts zwischen den Zähnen«, schrieb ein Portugiese nach Hause. Und so war der Hunger ständiger Begleiter im Lageralltag.

Der Alltag der Portugiesen war ­geprägt von Gedanken an die Heimat, an ihre ­Familien und von Langeweile. Einige ­Offiziere meldeten sich freiwillig zur Arbeit im Forst oder im Moor. Gelegentlich wurden sie mit einer Bahnfahrt ­unter ­Bewachung in die nächstgelegene katholische Kirche nach Ratzeburg ­belohnt.

Das Verhältnis zu den deutschen Bewachern − meist verwundete Soldaten oder ältere Reservisten − wird als gut beschrieben. Schwieriger war das Verhältnis zu den 17 portugiesischen Gefreiten, die den Offizieren für allerlei unliebsame Arbeiten zugeteilt waren. Sie wurden »standesgemäß« von den meist besser gestellten Offizieren schikaniert und beleidigt. Die Gefreiten setzten sich schließlich mit einer wüsten Prügelattacke auf eine Offiziersstube zur Wehr, was den entsetzten deutschen Kommandanten zu einem Appell an die Ehre der portugiesischen Soldaten veranlasste.

Ganz wichtig war die Post. Die Gefangenen durften einen Brief pro Woche nach Hause schicken, und aus dem ebenfalls hungernden Portugal kamen Päckchen mit Lebensmitteln. So mancher ­Bacalhau, mancher Bolo do Rei und manche Chouriço fand so seinen Weg ins Mecklenburger Moor − wenn er nicht vorher von hungrigen Deutschen gestohlen wurde. Auch Bücher und Musik­instrumente kamen per Post, dank der ­Bemühungen portugiesischer Frauenverbände und des Roten Kreuzes.

Als der Krieg im November 1918 mit der deutschen Niederlage endete, dauerte es noch einige Monate, bis die letzten Gefangenen im April 1919 nach Portugal heimkehrten. Trotz des Hungers kamen aus Breesen alle lebend zurück.

Der mit einer Mecklenburgerin verheiratete portugiesische Schriftsteller Aquilino Ribeiro begab sich 1920 auf Spurensuche in das Lager Breesen. Er fand nichts mehr vor: Selbst die Bretter der Baracken waren als Baumaterial und Brennholz verwendet worden. »Aus dem blinden Stolz der Deutschen und der Unvernunft der Briten und Franzosen wird schon bald ein neuer Krieg entstehen«, schrieb er − und behielt Recht.