Erfahrungen und Beobachtungen auf einer Reise nach Porto im Juni 2020 • von Gunthard Lichtenberg
> Sobald feststand, dass die Bundesregierung die Reisewarnung für EU-Länder per 15. Juni aufhebt und Portugal wieder für BesucherInnen offen ist, planten wir eine Reise nach Porto. Hinflug am 17.6., Rückflug am 1.7. Circa eine Woche vor Abflug informierte uns Lufthansa, dass der Rückflug um 12:10 Uhr gestrichen sei und wir auf den Flug um 16:30 Uhr umgebucht seien.
Wie immer hatten wir das Check-In bereits am Vortag elektronisch durchgeführt und waren der Einstiegsgruppe 3 zugeteilt. Die Kofferaufgabe am Flughafen Frankfurt klappte gut. Vor dem eigentlichen Einsteigen kam eine einzige Durchsage, man möge sich an die Abstandsregeln halten. Diese wurden aber nicht eingehalten, weil fast alle so drängelten wie sonst auch. Niemand kontrollierte, niemand griff ein. Auch wurde nicht, wie in unserer Bordkarte angegeben, nach Gruppen eingestiegen. Wir jedenfalls stiegen, um der mangelnden Abstandsdisziplin zu entgehen, erst gegen Ende ein, und stellten fest, dass unser Mittelplatz belegt war. Wir schlugen dem Mitpassagier vor, unseren Gangplatz einzunehmen, damit meine Frau und ich nebeneinander sitzen konnten. In der Gepäckablage über den Sitzen war kein Platz mehr für unser Handgepäck.
Glücklicherweise hustete oder nieste während des Fluges neben, vor und hinter uns niemand, so dass wir die Chance sahen, unbeschädigt in Porto anzukommen. Wie in Frankfurt waren auch die Hallen des Flughafens Francisco Sá Carneiro leer. Schnell hatten wir unsere Monatskarte für das ÖPNV-Netz andante aufgeladen und fuhren mit dem Taxi − ohne warten zu müssen − zu unserem Quartier an der Uferstraße am Atlantik.
Wie in Deutschland, so gab und gibt es in Portugal die Abstandspflicht untereinander und die Maskenpflicht in Geschäften, Cafés und Restaurants (bis man am Tisch sitzt), im Öffentlichen Nahverkehr usw. Überall an den Eingängen zu Geschäften, Cafés und Restaurants sind Spender für Desinfektionsmittel aufgestellt. Überall weisen Plakate auf die einschlägigen Regeln hin, mit der präzisen Angabe, wie viele Personen ein Geschäft, ein Kaufhaus, einen Supermarkt usw. betreten und wie viele Fahrgäste in Bus oder Zug der Metro mitfahren dürfen.
Porto bot sich dem derzeitigen Besucher vollkommen anders als sonst. Während sich um diese Zeit normalerweise viele TouristInnen an den üblichen Treffpunkten, Straßen und Plätzen einfinden, herrschten jetzt Leere und Ruhe auf Plätzen, Straßen, den Kaianlagen an der sonst überlaufenen Ribeira. Und sogar in unserem Lieblings-Café in der Nähe unseres Ferien-Quartiers, schon immer Touristen-frei, war jetzt immer ausreichend Platz, auch mit der weiträumigeren Bestuhlung. Für Porto-Fans wie uns eine Erholung, hatte doch der Tourismus und damit die Besucherzahlen in den letzten zehn Jahren in zweistelligen Prozentsätzen zugenommen, inklusive der Gäste aus Kreuzfahrtschiffen, die derzeit im Hafen nicht anlegen, und großen Douro Schiffe lagen vertäut am Kai.
In Bussen und Bahnen bekommt man − außer vielleicht zu Stoßzeiten − immer einen Sitzplatz. Sogar die Museums-Straßenbahn, seit Anfang Juni wieder in Betrieb, fährt häufig fast leer. Normalerweise ist die Bahn entlang des Douros bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Auch hier also ein sehr entspanntes Mitfahren.
Portugal hat sich bisher ähnlich wie Deutschland in der Corona-Krise wacker geschlagen. Die Infektionskurve war, besonders in Porto, stark abgeflacht, und für fast drei Wochen wurden keine neuen Infektionen gemeldet. Da war die Situation in Lissabon viel ernster.
Wie in Deutschland sind viele Menschen jedoch mit der Zweidimensionalität des Abstandhaltens überfordert. Nach vorne geht das gerade noch, doch seitwärts überhaupt nicht. Wir laufen häufig in Schlangenlinien, wechseln oft die Straßenseite, drücken uns in Nischen, bis die anderen weg sind. In Supermärkten: sieht es aus als gebe es keine Abstandsregel. Wie in Deutschland. Viele handeln anscheinend aus dem Glauben heraus, die Corona-Krise sei vorbei. Nichts ist falscher, in Portugal wie in Deutschland.
Trotzdem verlebten wir entspannte Tage, genossen den Atlantik, das portugiesische Essen und die Freundlichkeit der PortugiesInnen.