Die Power der Garranos
Über eine Begegnung in den Bergen von Peneda-Gerês • von Andreas Lahn
Wild lebende Pferde im nordportugiesischen Minho: Über ein Jahr laufe ich mit der Erinnerung an den Film auf ARTE durchs Leben. Die Garranos sehen nicht nur wundervoll aus, sie haben eine würdevolle Ausstrahlung und etwas Geheimnisvolles, wenn sie in größeren oder kleineren Herden in der Abendsonne durch die Gegend ziehen. In der tiefstehenden Sonne leuchtet das Fell und die schwarze Mähne glitzert. Ich bin nicht vernarrt in irgendwelche Tiere. Doch diese Pferde sind von nun an in meinem Herzen und harren der leibhaftigen Begegnung. Eine Zeitlang schaffe ich es, dieses stärker werdende Gefühl zu ignorieren. Doch dann muss alles ganz schnell gehen: Auf meiner Reise nach Portugal in diesem Jahr plane ich einen Abstecher in den Minho ein. So komme ich auch in das von Eberhard Fedtke geführte »Casa do Javali« (Wildschweinhaus) in Caniçada und genieße diesen wunderschönen Blick auf den Rio Cávado und zwischen den Bergen hindurch bis nach Gerês.
Als wir an einem wunderschönen Sommertag gemeinsam aufbrechen, um Ausschau zu halten nach den Garranos, bin ich mir sicher, dass wir Glück haben und in den Bergen welchen begegnen. Die Landschaft wird von grünen Weiden, hohen Gebirgsformationen und riesigen Steinen dominiert. Vor allem die Steine beeindrucken mich, wie sie trotz ihrer oft gigantischen Ausmaße majestätisch auch auf höchsten Gipfeln thronen, ohne nach unten zu kugeln. Und auch die aus massiven Steinen gebauten Vorratsspeicher. Diese Gegend in und um den Nationalpark von Peneda-Gerês ist ein idealer Ort, um zu wandern, zur Ruhe zu kommen und um Tieren zu begegnen, die man sonst nirgends findet, den Garranos.
Diese Pferde sind im Minho seit über 20.000 Jahren ansässig, werden aber erst seit 1993 als eigenständige Rasse* staatlich anerkannt. Ihr Bestand wird aktuell auf 1.000 − 1.500 Pferde* geschätzt. Probleme gibt es, wenn die Garranos sich auf den Mais- und Gemüseackern der Bauern bedienen*. Wie ein Mensch diese wundervollen Tiere mit einem Jagdgewehr einfach abschießen kann, ist mir unbegreiflich. Garranos werden zudem von Wölfen bedroht und finden weniger Weideland infolge von Waldbränden.
Wir fahren einige Zeit durch die Berge, gar nicht mal lange, und dann es soweit: Circa 100 Meter von der Straße entfernt steht eine kleine Herde von sechs Tieren. Ich gehe über einen Feldweg auf die Pferde zu, was sie zunächst nicht stört, doch als ich näher komme, sind plötzlich alle Augen auf mich gerichtet. Und auch die Ohren scheinen jedes Geräusch wahrzunehmen. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich mich verhalte, wenn ich den Pferden nahekomme und gehe furchtlos auf die Herde zu. Ich halte ein paar Meter Abstand, werde weiterhin von allen gemustert, bis das Leitpferd auf mich zukommt. Ich strecke ihm meinen Arm entgegen und lasse meine Hand beschnuppern. Als das Pferd wahrnimmt, dass von mir keine Gefahr ausgeht, entspannen sich die anderen Pferde und fressen weiter in Ruhe die Gräser der Weide. Ich streichle dem Leitpferd über die Nüster und spüre die Energie dieses Tieres. Ich kann mich jetzt bewegen, ohne misstrauisch beäugt zu werden. So entstehen einige Fotos, die ich nie vergessen werde. Gerade das Leitpferd mit seiner Mähne, dem braunen und in der Sonne so schön leuchtenden Fell und vor allem die bis zum Knie schwarzen Beine erfüllen mich mit Glücksgefühlen, die sich kaum beschreiben lassen. Für mich ist dieses zehn-minütige Eintauchen in die Welt dieser sechs Garranos etwas Besonderes, weil es wieder zeigt, dass nicht die Dauer von Erlebnissen wichtig ist sondern die Intensität. Ich sehe mich verträumt an die halbe Stunde des ARTE-Filmes zurückdenken, als ich zum ersten Mal von der Existenz dieser Pferde höre. Und nun stehe ich hier im Nirgendwo des Minho mitten in den Bergen und kommuniziere auf eine freundliche Art und Weise mit den Garranos. Damit ist ein kleiner Traum Wirklichkeit geworden.
Auf der Weiterfahrt durch die Berge sehen wir in der Nähe eines Restaurants noch zwei weitere Garranos, eine Stute mit ihrem Fohlen. Ich glaube, das Fohlen möchte gerne näherkommen, um Kontakt aufzunehmen zu dem merkwürdigen Wesen, das ihm da gegenübersteht. Doch die Mutter schiebt einer weiteren Annäherung energisch einen Riegel vor. Pferde haben ihren eigenen Kopf. Und das ist ja auch gut so!
Es wird sich kaum vermeiden lassen, noch einmal in die Gegend von Gerês zu kommen. Zum einen habe ich mich ein wenig in die Pferde verliebt und möchte gerne mehr Zeit in ihrer Nähe verbringen, als das an diesem einen Tag möglich ist. Und zum anderen gilt das gleiche für’s Casa do Javali: Die wenigen Tage hier sind wunderschön, anregend und beruhigend zugleich, mit liebevollen Gastgebern, die diese Zeit im Minho für mich unvergesslich machen. Also Ana Carla, Rodrigo und Eberhard: Vielen Dank für die schönen Tage, die ich mit euch habe verbringen dürfen! Gern erinnere ich mich an die angenehme Ruhe bei euch und in den Bergen. Ich bin von den Festen für Santo António aus Lissabon gekommen und fahre weiter nach Porto zum Fest für São João, wo ich mindestens 100 Menschen mit dem Plastikhammer auf den Kopf haue. Dazwischen liegen Caniçada und die Garranos.
* nach Infos auf:
www.perlenfaenger.com/garrano-wildpferde/ und
www.portugalmania.de