Licht und Schatten im Reiseland Portugal
Nachhaltigkeit heißt das große Ziel bei der Verteilung von immer mehr TouristInnen • von Gert Peuckert
Wie steht es eigentlich um die nachhaltige Entwicklung des portugiesischen Tourismus-Sektors? Manch deutscher Urlauber wird sich diese Frage stellen, wenn er Reisepläne für einen Urlaub mit Strand und Sonne in den südlichen Gefilden schmiedet.
Die Tourismuswirtschaft in Portugal wächst in jüngster Zeit rasant. Man zählt schon über 20 Millionen Touristen im Jahr. Das entspricht dem Doppelten der Einwohnerzahl des Landes. Und ein Ende des Booms scheint nicht in Sicht. Wo soll das in Zukunft hinführen und welche Folgen hat der ungezügelte Touristenstrom schon heute für Umwelt, Land und Leute? Das Konzept für die Zukunft heißt Entwicklung und Ausbau eines sanften und nachhaltigen Tourismus.
Die steigenden Touristenzahlen sind zweifelsohne ein Motor des portugiesischen Wirtschaftswachstums, haben aber auch eine Kehrseite mit Folgen, die mir besonders bei meinem letzten Besuch in Lissabon ins Auge gefallen sind. Die Stadt platzt in den Sommermonaten aus allen Nähten. Und sollte bei einem Bummel durch die Altstadt gerade eines der großen Kreuzfahrtschiffe im Hafen vor Anker gegangen sein, sind Baixa, Alfama und Bairro Alto von Touristenmassen verstopft. Dann bahnen sich die knatternden und lärmenden Tuk Tuks in einer endlosen Reihe ihren Weg durch die engen Gassen der Stadt. Zahlreiche Restaurants und Cafés sind mit Gästen überfüllt. Und in den Supermärkten müssen auch die »Alfacinhas« Schlange stehen, um ihre alltäglichen Einkäufe zu erledigen …
Der anhaltende Boom hat bei weiten Teilen der einheimischen Bevölkerung eine Stimmung erzeugt, die sich gegen die Auswüchse eines ungebremsten Massentourismus richtet, der schon längst die Grenzen der Nachhaltigkeit überschreitet und negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt hat.
Es ist an der Zeit, wirksame Maßnahmen zur Förderung eines ausgewogenen und sanften Tourismus zu realisieren, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass die Tourismuswirtschaft in Portugal zukünftig stagnieren und eine rückläufige Entwicklung nehmen wird. Noch immer gilt die Erkenntnis: Wo ein extensiver Tourismus zunehmend Probleme schafft, bleiben die Gäste fern, da sie vor Ort ein intakte Natur und Umwelt erwarten.
Der Tourismus ist eine der größten Einnahmequellen Portugals. Ein Rückgang würde große Einbußen in der gesamten Wirtschaft des Landes bedeuten. Das hat auch die Führung des Landes erkannt und setzt auf die Entwicklung eines sanften und nachhaltigen Tourismus als Ergänzung zum klassischem »Strand, Meer und Sonne«-Tourismus.
Natur- und Öko-Tourismus, Gesundheits-, Wellness- und Senioren-Tourismus sollen ausgebaut werden, um damit eine Ergänzung zum gegenwärtigen saisonalen Massentourismus zu schaffen.
Viel Gutes wurde in punkto Nachhaltigkeit und Umwelt in Portugal in den letzten Jahren erreicht. Das konnte ich hautnah mitverfolgen, weil ich von 1993 bis 2003 als Umweltberater in Portugal tätig war. Anfang der 1990er Jahre stand Portugal noch ganz am Anfang in Bezug auf Natur- und Umweltschutz und zählte zu den rückständigsten Ländern in Europa. Damals gab es noch keine funktionierende Abfall- und Abwasserentsorgung, ganz zu schweigen von Recycling oder der Nutzung erneuerbarer Energien. Auch Naturparks und geschützte Zonen entstanden erst in dieser Zeit.
1993 wurde mit dem Gesetzesdekret Nr. 19/93172 das Nationale Netz der Schutzgebiete (Rede Nacional de Áreas Protegidas – RNAP) geschaffen, zu dem der Nationalpark Peneda Gerês im Norden, 14 Naturparks, 7 Naturdenkmäler, 11 Naturschutzgebiete und 11 Landschaftsschutzgebiete gehören.
Portugal konnte im Verlaufe der letzten drei Jahrzehnte in allen wichtigen Bereichen die EU-Umweltstandards erreichen und zählt heute in der Solar- und Windenergie-Erzeugung sogar zu den Spitzenreitern in der EU.
Trotz dieser Fortschritte im Natur und Umweltschutz in den zurückliegenden 30 Jahren bleibt für die Entwicklung eines sanften und nachhaltigen Tourismus in Portugal noch Vieles zu tun. Anknüpfend an die guten Erfahrungen bei der Förderung des Turismo rural müssen für den Ausbau des Ökotourismus vor allem die wirtschaftlich schwächsten Regionen erschlossen werden, wobei im Zuge eines sanften Tourismus die Nachhaltigkeit gewahrt bleiben muss. Zu diesen Gebieten zählen Naturparks wie der Parque Natural Ria Formosa, Reserva Natural do Sapal, Reserva Natural Castro Marim, Reserva Natural Vila Real de Santo António, Parque Natural do Sudoeste Alentejano, der Parque Natural da Costa Vicentina, die Bergregionen und Schieferdörfer im Inneren des Landes sowie der Alentejo.
Dabei kann und muss die Tourismuswirtschaft zur Verbesserung des Schutzes der Wälder beitragen. Die verheerenden Waldbrände der letzten Jahre haben außer dem menschlichen Leid und den Umweltschäden auch negative Folgen für die Entwicklung des Öko-Tourismus in diesen Regionen gebracht.
Die Azoren sind ein positives Beispiel für die Entwicklung eines nachhaltigen regionalen Tourismus. Ein Gremium von 500 internationalen Reise- und Umweltfachleuten wählte die Inselgruppe der Azoren in der Kategorie »Nachhaltiger Tourismus in Insellage« auf Platz zwei weltweit, übertroffen nur von den Färöer.
In den letzten Jahren wurden viele der traditionellen Schieferdörfer des Pinhal Interior zwischen Coimbra und der spanischen Grenze zur Förderung des ruralen Tourismus aufwändig restauriert und so wieder mit Leben gefüllt.
Die Stadt Oeiras westlich von Lissabon gehört zu den Vorreitern in Sachen Umwelt. Oeiras und die Gemeinde Maia im Norden waren in den 90er Jahren die ersten Städte in Portugal, die eine getrennte Abfallentsorgung und das Recycling einführten. Sie gehören dem Europäischen Netzwerk der Städte mit nachhaltigem Tourismus an.
Reiseveranstalter wie Sonae Turismo legen bei der Ferienanlage Troia Resort auf der Halbinsel bei Setúbal internationale Maßstäbe an bei der Verbindung von Fünf-Sterne-Tourismus und Umweltschutz. Dazu gehört die Einbindung des Vogelschutzgebietes am Rio Sado.
Eine Vielzahl von Hotels und Tourismus-Einrichtungen am Algarve und auf Madeira beteiligen sich an Umweltmanagement-Systemen der EU und Umwelt-Zertifizierungen im Rahmen der ISO 14001-Norm für die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus. Verbessert werden sollen so z.B. die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Durch die Nutzung von Regenwasser für die Bewässerung der Golfanlagen wird ein schonender Umgang mit Wasserreserven erreicht. Darüber hinaus soll verstärkt Solarenergie für die Klimaanlagen und Pools benutzt werden.
Die Situation an den Stränden hat sich in den letzten Jahren verbessert. Fast überall findet man inzwischen die farbigen Plastiksäcke für die Abfallentsorgung und die Bandeira azul. Weht die blaue Flagge am Strand, können Badegäste sicher sein, dass die Kriterien für einen sauberen und attraktiven Strand gewährleistet sind. 29 Kriterien müssen erfüllt sein, um dieses Umweltzeichen der EU zu erhalten.
Großes Entwicklungspotenzial für den nachhaltigen Tourismus hat der Alentejo. Wer im Frühjahr das Glück hat, diese einmalige Landschaft in voller Blüte zu erleben, wird sich immer wieder an den Anblick des Blumenteppichs erinnern und sich dort hingezogen fühlen. Hier bestimmen unendliche Weiten das Land. Es gibt sanfte Hügel, malerische Dörfer, Getreidefelder, Korkeichen und Olivenhaine − so weit das Auge reicht. Der Alentejo umfasst ein Drittel des gesamten Landes und ist ein beliebtes Ziel für Weinliebhaber. Im Vergleich zu anderen Regionen leben hier relativ wenig Menschen. Die vermeintliche Einsamkeit und Abgeschiedenheit machen den Charme dieser Region aus.
Portugal ist im nachhaltigen Tourismus auf dem Vormarsch. Das ist kein Wunder bei diesen traumhaften und oft naturbelassenen Gegenden, die nicht nur Erholung sondern gleichzeitig auch Abenteuer möglich machen.
In den nächsten Jahren will Portugal ein noch vielfältigeres Tourismus-Programm anbieten − auch in der Region des Alentejo. Mein Wunsch ist, dass zukünftig auch mehr deutsche Urlauber in den Monaten vor und nach der Hauptreisezeit kommen, um den Tourismus im wunderschönen Portugal das ganze Jahr über noch sanfter werden zu lassen.