Luís Almeida Martins erzählt portugiesische Geschichte anders • Buchbesprechung von Gunthard Lichtenberg
> Der Autor Luís Almeida Martins ist Jahrgang 1949 und in Lissabon geboren. Er ist kein Geschichtswissenschaftler, was dem Buch vermutlich zum Vorteil gereicht, sondern von Haus aus Journalist. Er gießt den ursprünglich etwas trockenen Geschichtsstoff, wie wir ihn aus der Schule kennen, in eine unterhaltsame Erzählung der seinerzeitigen Umstände.
Laut Klappentext arbeitet Martins unter anderem als Journalist, Autor von Erzählungen und Drehbüchern sowie als Übersetzer. Er ist von Haus aus Romanist mit Abschluss an der Faculdade de Letras der Universität Lissabon. Seine »Andere Geschichte Portugals« erschien 2015.
Ich gestehe, dass ich das Buch nicht einfach von vorne nach hinten lese. Ich bin vielmehr dabei, mir einzelne Themen herauszupicken, wobei mir ein Inhaltsverzeichnis oder gar ein Schlagwortverzeichnis helfen würde − doch leider fehlt beides. So muss ich mich an die Überschriften halten, von denen es viele gibt, denn ein typisches Kapitel hat eine Länge von zwei Seiten − mehr oder weniger. Das sind also, wenn man es so sagen will, leicht verdauliche kleine Happen.
Die aber sind unterhaltsam, interessant, klärend. Besonders, wenn er hartnäckige Mythen aufdeckt wie den von der Seefahrerschule in Sagres, die möglicherweise Jahrhunderte später als Mythos kreiert wurde. Oder wenn er ausführt, dass der ewige Afonso Henriques wohl nicht der Sohn des Grafen Heinrich aus Burgund war und auch seine Mutter nicht geschlagen hat. Oder anmerkt, dass die Portugiesen, die 1385 die Unabhängigkeit von Portugal durch den Sieg in der Schlacht von Aljubarrota sicherten, eigentlich nichts anderes ein zusammengewürfelter Haufen waren, wo selbst deren Anführer, König João der Erste, soweit ging zu überlegen, ob er nicht auf die Seite des Feindes wechseln sollte. Oder die bemerkenswerte Tatsache erwähnt, dass der 15. Januar 1920 für immer in die Annalen der portugiesischen Geschichte steht, weil an diesem Tag gleich drei Regierungen ernannt wurden, die gleich wieder abgelöst wurden, eine davon schon nach fünf Minuten.
Und sicher ist auch in Deutschland wenig bekannt, dass Portugal nach der Schweiz und Frankreich bereits 1910 die dritte Republik in Europa ausrief, lange vor allen anderen Ländern Europas (erst um 1918). Das wiederum wurde für Estoril zum Vorteil, denn mancher abgesetzter König flüchtete damals dorthin.
Manchmal allerdings − das muss man anmerken − setzt der Autor einfach Basiskenntnisse der Geschichte Portugals voraus. Diese werden dann nur angetippt. Aber auch so ist das Buch sehr lesenswert. «A maneira diferente de contar tudo o que aconteceu», zu Deutsch: »Die andere Art, alles das zu erzählen, was passiert ist«. Und diese andere Sichtweise lohnt sich.
Leider gibt es weder eine deutsche noch eine englische Übersetzung. Immerhin kann man das Buch über das deutsche Amazon bestellen (Preis 29,90€).
Die pointierte Sichtweise von Almeida Martins auf die Vorgeschichte und Geschichte Portugals ist sicher auch für Leser außerhalb der Lusophonie interessant. Ob sich noch ein Übersetzer findet? Es wäre zu wünschen.
Luis Almeida Martíns hat vorher bereits ein anderes Buch über die Geschichte Portugals veröffentlicht: «365 Dias com Histórias da História de Portugal». Dort ist im Klappentext zu lesen: »Montags erfährt man die großen Fakten und kleinen Episoden, die die Geschichte Portugals auszeichnen. Dienstags werden seine Protagonisten vorgestellt. Mittwochs werden blutige Kriege geführt und siegreiche Schlachten geschlagen. Donnerstags ist man mitten in Revolutionen und Verschwörungen: Freitags gibt es Geschichten aus dem Alkoven, von Verrat und Untreue der Könige und Königinnen und nicht nur deren. Der Samstag überrascht mit Mythen, Legenden und eigenartigen Geheimnissen aus der Geschichte. Sonntags ist der Ruhetag, um in Episoden über große Schriftsteller, Künstler und Denkmäler Portugals einzutauchen.« Die Einladung kann nicht abgelehnt werden. Man braucht nur einige Minuten pro Tag, um eine unterhaltsame Reise durch die Geschichte Portugals in 3675 Tagen zu unternehmen.«
Die História Não Oficial de Portugal habe ich im Sommer auf der Feira do Livro in Porto erstanden. Diese Buchmesse im Park des Palácio de Cristal ist unbedingt einen Besuch wert − allerdings auch eine immense Versuchung: Denn jedes Mal, wenn wir dort zu Besuch waren, musste ich ein Extra-Paket mit den gekauften Büchern für viel Geld nach Deutschland schicken, weil die Mitnahme im Fluggepäck die von den Luftfahrtgesellschaften gesetzten Gewichtsgrenzen bei weitem gesprengt hätte. Wer es dennoch wagen möchte, dem seien die September-Termine empfohlen: In diesem Jahr findet die Messe vom 7. bis zum 23. September statt! Und der Park ist ja ohnehin einen Besuch wert − mit oder ohne Buchmesse!