Kork aus dem Biotop Alentejo
• von Ana Carla Gomes Fedtke und Eberhard Fedtke
> Wenn die Welt über Kork spricht, redet sie über Portugal und eines seiner bekanntesten Produkte: Kork. Die Korkeiche liefert den wertvollen Grundstoff für eine Anzahl von Gegenständen des industriellen und privaten Lebens. Kork lässt sich in vielfältigen Modalitäten verwenden. An erster Stelle rangiert mit 70% die Produktion von Flaschenkorken, sodann die Fertigung von Tapeten, Fussböden, Taschen, Geldbörsen, Schuhsohlen etc. Dieses Grundmaterial vereinigt wichtige Eigenschaften, ist ein besonders leichtes Produkt mit elektrisch und akustisch dämmenden Elementen. Selbst die astronautische Technik profitiert nachhaltig von diesen originären und nützlichen Vorzügen. Kork umrundet ständig in Satelliten die Erde.
Portugal produziert die Hälfte des Weltmarktes an Kork. Unter den Mittelmeerländern, welche Kork anbauen, steht unser Land in direktem Wettbewerb mit Spanien und Italien an erster Stelle. Auf einer Fläche von 800.000 ha im Biotop Alentejo zeigen sich die Korkeichen immer grün, selbst in extrem heissen Sommern mit bis über 40 Grad, wohingegen sie kalte Winter nicht mögen. Die berühmten «Montados» produzieren einen hochwertigen industriellen Grundstoff. Darüberhinaus bildet das blühende Alentejo ein ökologisches und waldbäuerliches Zentrum, solidarisch darin reiche Natur, menschliche Inspiration und Technik. Das luftsaubere Alentejo produziert jährlich circa 14 Millionen Tonnen an Kohlenstoffdioxid, in der Menge ausreichend zur Neutralisierung und Filterung des Kohlenmonoxids von drei Millionen Autos. Eine Freude für die Natur. Die Korkeiche lebt bescheiden, schont die Nährstoffe der Natur, sofern diese nicht kalkhaltig ist. Um harmonisch zu wachsen, genügen 500 bis 700 Millimeter Regen pro Jahr.
Korkeichen sind Einzelbäume, benötigen für ihre ausladenden Kronen große Flächen und viel Licht von allen Seiten. In dicht gedrängten Waldformationen vermögen sie nicht zu leben. Beim Durchqueren des Alentejos sieht man ihre majestätischen Einzelstände, ein Anblick, der vielfach bis an den Horizont reicht.
Die Korkeiche existiert seit 30 Millionen Jahren. Im Gebiet des Alentejos findet man an die 200 Arten an Fauna, einige Exemplare nur hier heimisch. Die Korkeiche, eine Ikone Portugals, bildet das Hauptwappen vieler Gemeinden. Im Jahr 2007 gab die Bank von Portugal ein 2-Euro-Geldstück zu Ehren der Korkeiche heraus, um an die Präsidentschaft Portugals in der Europäischen Gemeinschaft zu erinnern.
Die Ernte des Korks ist ein Unterfangen von Hand mit der Axt, durchgeführt zwischen den Monaten Mai bis August, eine Tätigkeit, die nicht der Fertigkeit eines jeden entspricht, denn es ist viel Erfahrung und Einfühlung aufzubieten, nicht das Innere des Baums zu verletzen, lediglich die wertvolle »Haut«, den Kork in einer Breite von 2,7 bis 4 Zentimetern, abzuschälen. Nur alle neun Jahre kann Kork geerntet werden, erstmals nach 12 bis 15 Jahren. Ab der dritten Ernte kommt zum ersten Mal ein optimales Ergebnis heraus. Jeder Baum liefert zwischen 100 und 200 kg Kork, bezogen auf 5 bis 10 Ernten. Ein Hektar kann 200 bis 500 kg/pro Jahr erzielen. Der Baum hat eine durchschnittliche Lebensdauer von 200 Jahren. Korkeichen dürfen gemäß öffentlicher Regeln nicht gefällt werden, bevor sie nicht vollständig abgestorben sind. Menschlicher Respekt vor der Schöpfung Natur.
Die Korkreiche wurde zum »Europäischen Baum des Jahres 2018« auserwählt, eine außerordentliche Ehre und Auszeichnung für einen Baum, dessen kultureller Wert Portugals Einordnung im zentralen Blick der gesamten Welt repräsentiert. Die berühmte Korkeiche
«O Assobiador» in Águas de Moura in der Gemeinde Palmela, im Jahr 1783 gepflanzt, zählt heute 235 Jahre, umfasst eine majestätische Höhe von 17 Metern und weist 30 Meter Umfang in der Krone aus. Sie lieferte zwanzig Mal Korkeiche. Ihre Ausnahmestellung als »größte Korkeiche der Welt« ist im Guinness Buch der Rekorde festgehalten. In einem europäischen Wettbewerb im März 2018 in Brüssel mit online-Abstimmung gewann das «O Assobiador»-Exemplar den Wettbewerb zum europäischen Baum gegen einen spanischen Baum auf dem zweiten Platz und einem russischen auf dem dritten. Das portugiesische Volk gab dem «Assobiador» wegen der zahllosen Vogelscharen, die in seiner barocken Krone ein harmonisches und ausgedehntes Gezwitscher veranstalten, liebevoll den Namen »pfeifende Korkeiche«.
Ein aktuelles Thema stellt die Zukunft der Korkindustrie dar, für Portugal ein wirtschaftliches Problem grosser Bedeutung. Der Korken stösst auf beachtliche Wettbewerber technischer Applikationen. Bekanntlich bevorzugen viele Produzenten, Flaschen mit künstlichen Korken oder Drehkapseln zu verschliessen. Eine andere Form der Aufbewahrung des Produktes, wie es an Weinboxen in Supermärkten erkennbar ist, stellt der synthetische Behälter mit Plastikverschluss dar. Wissenschaftliche Versuche ergaben, dass für die Haltbarkeit des Weines der Korken eindeutig die schwächste Wirkung gegenüber den drei anderen Alternativen entfaltet. Einfache Begründung ist, dass der Korken gemäß seiner natürlicher Beschaffenheit nicht hermetisch schliesst und stets luftdurchlässig beleibt. Statistisch ist belegt, dass zwei bis fünf Prozent der jährlichen Ernte wegen bakterieller Infektion der Korken gefährdet ist, ein Umstand, welcher die minutiöse Kontrolle bei der Endfertigung des Produktes erklärt. Das klassische Verfahren, Flaschen horizontal zu lagern, damit die Korken immer feucht bleiben, stellt nicht die absolute Lösung zur Absicherung des Produkts dar.
Auf Anfrage beim Korkverband zu diesen Gegebenheiten erwidert das Unternehmen gelassen, dass diese Fakten bekannt und ständig unter Beobachtung seien. Was eine ausgewogene Zukunft des Korkens anbetrifft, so sind die Verantwortlichen überzeugt, dass guter Stil, Tradition und Weinkultur die Oberhand behalten. Argument: Kein Gast offeriert eine Flasche mit einem Kunstkorken oder Schraubverschluss oder Wein in Plastikabfüllung. Qualitäts- und Spitzenweine für den nationalen und internationalen Markt seien mit der nicht in Frage zu stellenden Wertigkeit des Naturkorkens verknüpft, ungeachtet der geschilderten Gefahr des Befalls mit Bakterien, ein einkalkuliertes Risiko. Um das Risiko einer Verunreinigung zu verringern, stellt die Herstellung der Korken eine äußerst kritische Aufgabe mit profunder Kontrolle dar, wobei nur beste Ergebnisse die Endphase überstehen.
Die Zukunft des Korkens berührt die Existenz von etwa 700 Firmen dieser Sparte und bildet einen wirtschaftlichen Pfeiler des Landes, vor allem für das Alentejo, indem es die Lebensbasis für ungezählte Familien bildet, welche in der Produktion, Verarbeitung und im Verkauf dieser Ware arbeiten. Befragte Arbeitnehmer der Korkbranche sind gleichfalls wenig besorgt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und betonen, dass der Sektor dieses industriellen Reichtums unantastbar bleibt.
Innerhalb dieser angesprochenen Aspekte müssen Produzenten auf umsichtige Art und Weise vorausschauen, den Bestand für die Herstellung dieses wertvollen Grundstoffs vernunftgerecht zu erweitern, nicht nur abgestorbene Bäume zu ersetzen, sondern gezielt neue Bäume zu pflanzen, um Umwelt- und Ökologiestandards zu erhalten, einbezogen eine intelligente Forststrategie auf der Grundlage, dass der Korkbaum resistent gegen Feuer ist. Mit Blick auf ökonomische Ergebnisse geschieht die Anpflanzung für die nächste Generation. Diese wird in der modernen Welt Kork benötigen, hoffen wir sehr.
Stoßen wir mit einer guten Flasche auf die Zukunft des Korkens an.