Die gemütlichste Zeit des Jahres in Portugal
Um Weihnachten ist überall im Land eine besondere Stimmung · Weihnachtsbräuche von Ana Paula Goyke
Immer wenn ich an Weihnachten denke, reise ich durch die Zeit und empfinde ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit. Es war immer – und ist noch heute – eine große Freude zu überlegen, wie wir dieses Jahr die Wohnung dekorieren, wie groß der Tannenbaum wird, welche Farben die Kugeln haben, wo die Krippe stehen wird etc. Es fängt alles um den 6. Dezember herum an: mit dem Kauf des Baumes und der Vorbereitung der Krippe, die jeden Tag ein bisschen größer wird. Der Kranz hängt an der Tür, die Kerzen werden verteilt, es riecht schon so gut nach Tanne. Der 24. Dezember rückt immer näher und wir müssen anfangen, die Lebensmittel zu besorgen, zu backen und zu kochen – alle gemeinsam!
Die Geschenke wurden gut versteckt – so dachten jedenfalls unsere Eltern. Doch mein Bruder und ich haben sie fast immer vorher gefunden. Um Mitternacht wurden sie dann vom Weihnachtsmann bzw. Christkind unter den Baum gelegt. Wir haben das Spiel immer mit Freude mitgespielt.
Ich habe als kleines Kind immer ein Weihnachtslied am Klavier gespielt. »Der arme Weihnachtsmann braucht ein bisschen Musik, um nach so viel Arbeit richtig in Stimmung zu kommen.« Das Fenster wurde weit geöffnet, und Opa und Mama schauten, ob er schon da war… Und dann kam die Freude über die bunten Pakete!
Erst waren wir in der wunderschönen Mitternachtsmesse Missa do Galo. Sie heißt der Legende nach »Hahn-Messe«, weil ein Hahn in dem Moment der Geburt Jesus sang.
Traditionell treffen sich die Familien am 24. Dezember. Zum Abendessen werden Stockfischgerichte serviert, meistens mit Kartoffeln, portugiesischem Kohl, Möhren und manchmal mit Eiern. Alles wird gekocht – Bacalhau com todos. Eine Leckerei!!! Am 25. Dezember wird dann die gefüllte und gebackene Pute verspeist.
Zum Nachtisch darf der Bolo Rei (Königskuchen) nicht fehlen. Er wird gefüllt mit kristallisierten Früchten oder Trockenfrüchten, neben den traditionellen frittierten Leckerbissen wie Filhós, Sonhos und Rabanadas. Die Rabanadas (ähnlich wie »Arme Ritter«) habe ich immer mit meiner Mama zusammen gebacken und – seit ich selbst Mama geworden bin – backe ich sie jedes Jahr mit meiner Tochter. Ein Fest! Noch heute ist diese Zeit für mich und meine Familie eine Zeit voller Magie und Wärme!
Gastronomisch gibt es vom Norden Portugals bis in den Süden einige Unterschiede. Im Norden – Minho, Trás-os-Montes, Douro, Beiras – essen die Menschen zu Weihnachten gerne Tintenfischreis (Arroz de Polvo) und Zicklein (Cabrito Assado). Im Alentejo und im Algarve werden Azevias serviert – ein mit Süßkartoffeln oder Kichererbsen gefülltes Gebäck. Ach, die Azevias von meiner Mutter – himmlisch! Und auch die Broas de Milho (Maisküchlein) und die Broas de Mel e Nozes (Honig- und Wallnuss-Küchlein).
Einige Kuriositäten: In einigen Regionen, wie in Bragança, Guarda oder Castelo Branco, verbrennt man auf dem Vorplatz der Kirche während der Nacht noch Brennholz zu einem großen Feuer. Der Platz dient als Treffpunkt, um mit Freunden und Nachbarn zusammenzukommen und sich frohe Weihnachten zu wünschen. Das nennt man die queima do madeiro.
Die Weihnachtszeit bietet auch spezielle Musikprogramme und sehr viel Unterhaltung in den historischen Zentren der Städte. Am 6. Januar, am Tag der Heiligen Drei Könige, enden die Feierlichkeiten mit den »Janeiras«, die seit dem 1. Januar gesungen werden. Auf der Straße oder in Monumenten und Kirchen, auch an Wohnungstüren, werden diese traditionellen Lieder gesungen, um sich ein gutes neues Jahr zu wünschen. Man bekommt dazu Reste der Weihnachtsspeisen, die man später mit allen Teilnehmern teilt, und sogar Geld.