Symbol für eine friedliche Koexistenz von Muslimen und Christen • von Dr. Ingolf Wernicke
> Mértola, eine Kleinstadt inklusive Landkreis von etwa 6000 EinwohnerInnen im Südosten des Alentejo an den Grenzen zu Spanien und der Algarve gelegen, ist heute aufgrund ihres geschichtlichen und kulturellen Erbes wie ein Freilichtmuseum. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören neben einer gewaltigen Befestigungsanlage mit dem einem Bergfried Torre de Menagem von 1292, eine von Mauern umschlossenen Altstadt, mit steilen und engen Gassen, ein Uhrenturm Torre do Relogio von 1593 und den Torre do Rio als Ruine am Fluss, der einst die Handelsschiffe schützte und die Stadt mit Wasser versorgt hat. Mértola besitzt verschiedene Museen und Ausgrabungen aus römischer Zeit sowie historische Wassermühlen und ein Bergwerksmuseum bei São Domingo im Umland der Stadt.
Die Ursprünge der an einem strategisch wichtigen Punkt auf einem Bergrücken am nördlichsten, noch schiffbaren Teil des Flusses Guadiana gegründeten Siedlung mit Hafenplatz gehen bis in die Zeit der Phönizier 750 v. Chr. zurück. Sie lieferten mit dem Schiff von hier aus neben landwirtschaftlichen Produkten vor allem Gold, Silber, Zinn aus nahegelegenen Bergwerken nach Südspanien und in den Mittelmeerraum.
Von den Römern weiter ausgebaut erhielt Mértola, Myrtilis Iulia, während der Herrschaft des Augustus Stadtrecht und wurde innerhalb der Provinz Lusitania an das Straßennetz angeschlossen und mit der Stadt Pax Iulia, dem heutigen Beja, verbunden.
Nach der Völkerwanderung und der Invasion der Sueben und Westgoten erfuhr die Stadt während der Zeit der Mauren vom 8. bis 12. Jahrhundert einen großen Aufschwung in Wirtschaft und Handel. Es wurden nordafrikanische und nahöstliche Techniken wie die Bewässerungskunst, die Glasproduktion oder die Webkunst von Berberstoffen, in der Landwirtschaft u.a. die Schaf- und Ziegenzucht und der Anbau von Feigen und Datteln eingeführt. Händler aus Mértola verkauften ihre Produkte im gesamten Mittelmeerraum und lieferten ihre Waren nach Pisa, Cartagena in Spanien bis nach Kairouan im heutigen Tunesien.
Das in Mértola bis heute noch existierende, eindrucksvollste architektonische Zeugnis der späten maurischen Zeit, entstanden unter der Herrschaft der Almohaden, ist die Moschee Mezquita, heute die Igreja de Nossa Senhora da Assunção Matriz. Sie wurde unterhalb der Burganlage in der Mitte des 12. Jahrhundert als quadratischer Bau mit einem Minarett errichtet, war fünfschiffig und hatte 20 Säulen im Innern. Der architektonische Grundriss war so angeordnet, das ein verbreitertes Mittelschiff im Zentrum und ein zusätzliches Querschiff vor der Quibla-Wand, der Seite der Moschee mit der vorgeschriebenen Gebetsrichtung nach Mekka, ein großes T bildeten. Eine bauhistorisch ähnlich Moschee existiert heute zum Beispiel in Tinmal im Westen des Hohen Atlas in Marokko.
Nach der Reconquista durch Sancho II., König von Portugal, im Jahre 1238 behielt die Mezquita von Mértola, dann durch einen kleinen Glockenturm auf dem Minarett ergänzt, noch knapp 300 Jahre ihre ursprüngliche Form. Eine Abbildung der Moschee ist auf einem Stich von Mértola von Duarte de Armas in seinem Buch Livro das Fortalezas von 1515 erhalten. 1532 wurde die Mezquita zur Kirche in ihrer heutigen Form umgebaut mit auffälligen kleinen Zinnen und Türmchen auf dem Dach im Mudejar-Stil, der maurischen Architektur vom 12. bis 16. Jahrhundert.
Die Igreja Matriz ist heute kleiner als die Mezquita, besitzt aber noch architektonische Zeugnisse im Innern, die von dem Ursprungsbau als Moschee erhalten geblieben sind. Sie wird nur noch von zwölf anstelle der zwanzig Originalsäulen mit verschiedenen Kapitellen aus spätantiker Zeit getragen und besitzt noch vier, für die maurische Architektur typische, Hufeisenbögen arco em ferradorua als Portale, drei wieder freigelegte an einer Seite und eine an der Gebetsmauer Quibla im Original.
Das bauhistorische Highlight ist die aus der Zeit der Mauren stammende, mit einem Flechtbandornament geschmückte Gebetsnische Mirhab, die sich direkt hinter dem heutigen Hauptaltar, an der Quibla-Wand befindet.
Der portugiesische Archäologe Cláudio Torres bezeichnet die kunsthistorisch einmalige Igreja Matriz als die gleichzeitig besterhaltene mittelalterliche Moschee Portugals. Die Kirche ist ein Ort, an dem die Christen seit Jahrhunderten in Richtung Mekka beten. Sie gilt als Beleg friedlicher Koexistenz von Christen und Muslimen.
Cláudio Torres, 2020 vom Staat die Medalha Mérito Cultural erhalten hat, schuf mit dem Campo Archeologico (http://www.camertola.pt) eine der heute bedeutendsten islamischen Kunstsammlungen, die Arte Islãmica, Portugals. Im Kontext dieser historischen Tradition findet alle zwei Jahre in Mértola ein großes Islamisches Fest statt, wo sich die gesamte Altstadt in einen Souk und die Straßen und Plätze in kleine Basare mit orientalischen Waren und Köstlichkeiten verwandeln.