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Fremdherrschaft

Gemälde von João IV, König von Portugal (1640–1656)

1580–1640: Die spanischen Habsburger herrschen in Portugal • von Andreas Lausen

> Aragon, Navarra, Galicia − können Sie mit diesen Begriffen etwas anfangen? Klar, es sind spanische ­Regionen, die gerade erst wegen ihrer Belastung mit dem Corona-Virus in die Schlagzeilen kamen. Weniger bekannt ist, dass diese Regionen einst selbstän­dige Königreiche waren, bevor sie im spanischen Staat aufgingen.
Diesen Weg hätte vielleicht auch Portugal genommen. Denn im 16. und 17. Jahrhundert waren die spanischen Könige auch Herrscher in Portugal. Aber wie spanisch war Portugal eigentlich, bevor die Portugiesen 1640 wieder ihren eigenen König auf den Thron brachten?
Sebastião, der jugendliche, verblendete König, hatte das portugiesische Heer auf einen sinnlosen Feldzug in Marokko geführt, der 1578 mit der katastrophalen Niederlage endete. Sebastião überlebte nicht. Sein kranker, hinfälliger Onkel Henrique, ein weltfremder Kardinal ohne Nachkommen, kam noch für zwei Jahre auf den Thron. Nach seinem Tod 1580 gab es keinen legitimen Nachfolger der Dynastie Aviz.
Aufgrund alter Übereinkünfte und der testamentarischen Bestimmung von König Henrique stand die Krone nun dem König von Spanien zu. Dort herrschte seit 1555 der strenge, asketische Felipe II. aus dem Hause Habsburg.
Er war eigentlich halber Portugiese, denn seine Mutter, Königin Isabel von Spanien und Kaiserin des Deutschen Reiches, war Portugiesin, Tochter des portugiesischen Königs Manuel I. (O Venturoso − der Glückliche). Felipe nahm die portugiesische Krone mit Freuden an, denn er konnte das spanische Weltreich mit den portugiesischen Kolonien und Stützpunkten in Brasilien, Indien, im Atlantik, in Afrika und Ostasien entscheidend ­abrunden und erweitern.
Auch für Portugals Adel und die Kirche war es kein Problem, ihm den Thron ­anzutragen. Felipe hatte allerdings mit Bestechungsgeldern nachgeholfen, um sich den nötigen Rückhalt in Portugal zu sichern. So beschlossen die Cortes (ein Gremium, das man entfernt mit einem Parlament vergleichen könnte), Felipe die Königswürde zu übergeben.
Das neue Doppel-Königreich war als Personalunion konzipiert. Diese Herrschaftsform bedeutete, dass ein König der Herrscher zweier selbständiger Staaten war. Das gab es damals häufig und ersparte Europa vielfach Feindschaften und Kriege. So war einst Kurfürst August der Starke auch König von Polen oder die dänischen Könige auch Herzöge von Schleswig und Holstein. Auch heute noch ist Elisabeth II. von England gleichzeitig Staatsoberhaupt von 15 souveränen Staaten, darunter Kanada, Jamaika, Austra­lien und Neuseeland.
1581 wurde Felipe im ehrwürdigen Kloster von Tomar gekrönt. Bereitwillig änderte er seinen Namen und akzeptierte die portugiesische Zählweise: So wurde aus dem spanischen Felipe II. der portugiesische König Filipe I.
Er schwor, alle Institutionen Portugals, alle Rechte und Gesetze anzuerkennen. Das tat er auch. Portugal behielt Namen, Währung, Wappen und Flagge sowie alle eigenen Einrichtungen. Portugiesisch wurde als einzige Sprache festgelegt. ­Filipe blieb jahrelang in Portugal, ließ den Ribeira-Palast am heutigen Praça do Comerçio ausbauen, erweiterte Klöster und Kirchen. Er akzeptierte die Cortes und ließ Portugiesen auf den wichtigen Posten. Zeitweise wurde Spanien von Lissabon aus regiert.
Dabei verzichteten die Portugiesen nicht auf Provokationen des neuen Herrschers. Seine Krönung fand zwar im Kloster von Tomar statt, allerdings auf dem Vorplatz zur Klosterkirche, der nur mit Segeltuch notdürftig dekoriert war.
Im Bürgertum und im Volk Portugals wurde Filipe nicht überall akzeptiert. War König Sebastião wirklich tot? Oder würde er im Triumph heimkehren und Portugals schwindende Macht zurückbringen?
Immer wieder tauchten falsche Sebastiane auf (mindestens sieben) und behaupteten, der verschollene König zu sein. Andere stritten den Habsburgern die legitime Nachfolge ab. António, Prior von Crato und prinzlicher Abkunft, konnte sogar ein Heer um sich scharen und König Filipe militärisch in Schwierigkeiten bringen.
Das Verhältnis von Portugal und Spanien verschlechterte sich, als Filipe im Jahre 1588 portugiesische Kriegsschiffe für den Krieg gegen England requirierte. Von den 31 portugiesischen Schiffen versanken viele im englischen Kanal.
Als Filipe I. 1598 starb, war Portugal immer noch portugiesisch, aber seine Bedeutung in der Welt sank. Dieser Prozess war zwar schon um das Jahr 1550 eingetreten, weil sich Portugal mit unzähligen Stützpunkten und Kolonien übernommen hatte, aber die Schuld am Abstieg Portugals wurde den habsburgischen Königen angelastet.
Filipe II. respektierte wie sein Vater die Unabhängigkeit Portugals, aber er stieß auf den Widerstand der spanischen Kronräte. Diese wollten Portugal genauso in Spanien einbinden wie Aragon, ­Granada und Navarra. Erst 1619 reiste Fili­pe II. für ein halbes Jahr in sein zweites Königreich. In Europa wurde Portugal kaum noch beachtet. Es war von Spanien in den Schatten geschoben worden.
Filipe III. (portugiesischer König von 1621 bis 1640) kümmerte sich wenig um Portugal und verstieß häufig gegen den Eid seines Großvaters. Sein Statthalter in Lissabon vermittelte den Portugiesen das Gefühl, nur noch ein Anhängsel Spaniens zu sein. Aufstände in den spanischen Niederlanden und in Katalonien machten den Portugiesen Mut, ebenfalls den Verbund mit Spanien zu verlassen.
1640 unternahmen die Verschwörer ­einen Aufstand, der die Spanier aus dem Land trieb und wieder einen eigenen König, João IV. aus dem Hause Bragança, an die Macht brachte. Der Bruch der luso-­spanischen Verträge wurde von Portugal mit spanischen Vertragsverletzungen gerechtfertigt. Außerdem seien die Herzöge von Bragança mit ihrer Abkunft aus königlich-portugiesischem Geblüt rechtmäßige Nachfolger der Dynastie Aviz.
Es dauerte Jahrzehnte voller Kämpfe und Intrigen, bis Spanien die erneuerte Monarchie in Portugal anerkannte. Portugal musste sich sehr mühen, um seinen Status als Seemacht zurückzugewinnen.
Aber in die Glanzzeit der Seefahrer und Entdecker führte kein Weg zurück. Holländer, Franzosen und auch die eigentlich verbündeten Briten hatten den Portugiesen profitträchtige Kolonien in Indien, Indonesien, Arabien und Afrika abgenommen und besetzten zeitweise auch Brasilien und Angola.
Noch heute ist der Jahrestag des Aufstandes vom 1. Dezember 1640 als Dia da Independência in Portugal ein staatlicher Feiertag. Genau genommen, gab es aber eine Dependência von Spanien gar nicht. Der portugiesische Anteil an der Inthronisierung der Habsburger wird von der eigenen Geschichtsschreibung gern verschwiegen.
Auch viele Menschen in Portugal vergessen, dass Spanien ihrem Land 1580 viele Rechte und Privilegien gelassen hatte. Der Verlust portugiesischer Weltgeltung wäre auch ohne die drei Felipes eingetreten. Und hätte Filipe III. die respektvolle Portugal-Politik seines Vaters und Großvaters fortgesetzt, wäre es womöglich nicht zum portugiesischen Aufstand von 1640 gekommen. Erst seine ­rigide Hispanisierung Portugals führte dazu, dass aus einer nostalgischen Sehnsucht nach den alten Zeiten eine handfeste Freiheitsbewegung entstand.