Werner Tobias meint: »Immer neugierig sein!«

Foto der schwarzen Keramik aus PortugalPräsentation der Schwarzen Keramik · © Werner Tobias

Werner Tobias über sein Leben und seine Leidenschaften  Fragen von Andreas Lahn

> Du bist im ostpreußischen Nordenburg ­geboren. Warum bist du nach Osnabrück gezogen?
WERNER TOBIAS: Die Flucht hat meine Familie nach Osnabrück gebracht. Eine Schwester meines Vaters hatte nach ­Osnabrück geheiratet. Sonst wohnte die ganze Groß-Familie in Ostpreußen in verschiedenen Ortschaften. Ich war zur Zeit der Flucht im Januar 1945 fünf Jahre alt.

Erinnerst du dich noch, wann du zum ersten Mal nach Portugal gereist bist?
Das war 1983 mit einem Kollegen und zwei Studenten in einem Kleintransporter. Gewohnt haben wir in zwei kleinen Zelten, auch auf dem Lissaboner Campingplatz. Der damalige Direktor des Fliesenmuseums Madre de Deus, Rafael Calado, den wir in Osnabrück kennengelernt hatten, hatte uns eingeladen, finanziert wurde die Reise vom Klett-Verlag in Stuttgart. Wir haben ­einen Unterrichtsfilm über die Herstellung von Fliesen gedreht, vermarktet wurde er über den Klett-Verlag.
Mit Rafael Calado hatten wir einen Partner in Portugal, der uns das Land näher gebracht hat. Im nächsten Frühjahr bin ich dann mit meiner Frau ­Gisela und einem befreundeten Ehepaar nach Lissabon geflogen. Von da ab sind wir jedes Jahr mindestens einmal in Portugal gewesen, aber nicht nur, um Urlaub zu machen, sondern − das sieht man an der Liste der Veröffentlichungen (s. S. 6) − um das Land mit all seinen Facetten kennenzulernen. Dazu kamen alle zwei Jahre Studienreisen mit meinen Studenten nach Portugal. 1998 habe ich eine Konzertreise für den Universitätschor organisiert. Es wurden Konzerte in Vila Real, Vilarandello (bei Chaves), Peso da Régua, Porto, Coimbra, Lissabon und Évora gegeben.

Dein Lebensmotto lautet: »immer neugierig sein und auf Menschen zugehen«. Eine gute Herangehensweise für Portugal und die eher zurückhaltenden PortugiesInnen?
Ja, wir haben sehr viele Freunde in dem Land gefunden. Viele Kontakte sind bis heute lebendig. 1990 haben wir das ersten mal Mario Soares, den Präsidenten Portugals, in Vila Real, der Partnerstadt von Osnabrück, persönlich kennen­gelernt. Ich konnte ihn dazu gewinnen, die Schirmherrschaft über die Ausstellung Arte Portuguesa 1992 zu übernehmen, die ich mit zwei Freunden in ­Osnabrück organisiert hatte. Zur Eröffnung der Ausstellung am 13. Juni ist Mario Soares nach Osnabrück gekommen. Zudem hat er die Ehrendoktorwürde der Osnabrücker Universität erhalten. 

Du beschäftigst dich schon seit den 1980er Jahren Jahren mit schwarzer Keramik. Was ist daran so besonders?
Die Schwarzbrand-Keramik gehört zu den ältesten Brennverfahren überhaupt. Nur in Portugal findet man noch viele Töpfer, die ausschließlich so brennen. 1988 hat mich die Universität in Vila Real eingeladen, eine Bestandsaufnahme der schwarzen Keramik Portugals zu machen. Vier Monate bin ich durch das Land gereist, um alle Töpfer, auch die, die rote Keramik machten, zu besuchen. Zudem habe ich Keramiken gesammelt, von jedem Töpfer typische Stücke, circa 750 Objekte. 

Vor allem im Norden Portugals wird auch heute noch der «Soenga» genannte offene Feldbrand von Keramik im feierlichen Rahmen zelebriert. Wie läuft das ab?
Die getrockneten Stücke werden mit der Öffnung nach unten auf dem Brennplatz gestapelt. Zwischen die Keramiken steckt man Holzscheite aus harzhaltigem Kiefernholz und deckt den Hügel mit Grasplaggen ab. An vier Stellen lässt man Löcher, um während des Brandes Holzscheite nachlegen zu können. Ist die Endtemperatur erreicht, wird der Hügel mit einem Erde-Asche-­Gemisch dicht abgedeckt, so dass kein Sauerstoff mehr in den Hügel eindringen kann. So setzt sich der Kohlenstoff auf dem Scherben ab. Das geschieht bei circa 600 bis 700 Grad Celsius. 

Du hast deine Sammlung schwarzer Keramik aus Portugal, Mexiko und Indien dem «Museu de Etnologia» in Lissabon und dem «Museu de Oleria» in Barcelos vermacht. Ist dir die Trennung schwergefallen?
Nein, da die Sammlungen in Museen jedermann zugänglich sind.

Wofür hast du am 16.11.1992 das »Komturkreuz des Ordens Infante D. Henrique« erhalten?
Ich war Vorsitzender der Gesellschaft Contemporâneo, die die Ausstellung 100 Werke zeitgenössischer Kunst aus Portugal in Osnabrück organisiert hat.  

Wer die Lissabonner Metro-Station «Entre­campos» betritt, sieht an den Wänden eine Bibliothek, die der Künstler Bartolomeu Cid dos Santos (1931–2008) durch das Ätzen von Marmor erschuf. Beeindruckend, oder?
Ja, sehr sogar. Auf 500 qm finden sich im Eingangsbereich eine Bibliothek und am Bahnsteig Szenen aus der Geschichte Portugals und von den portugiesischen Entdeckungsreisen. Solche Arbeiten von Bartolomeu gibt es noch in der Metro von Tokio. Bartolomeu war ein sehr guter Freund von mir, wir haben uns regelmäßig getroffen.

In einem deiner Reiseführer über Lissabon lässt sich verfolgen, an welchen Orten der Film »Nachtzug nach Lissabon« gedreht wurde. Magst du den Roman von Pascal Mercier und weißt du, ob sich viele Leute für die Drehorte interessieren?
Ich denke »nein«. Man sollte den Film gesehen oder mindestens das Buch gelesen haben, um einen Kontakt zu den Drehorten zu erhalten.

Foto der Metro-Station Parque (Lissabon)

Fliesenkunst in der Metro-Station Parque (Lissabon)

Viele DPG-Mitglieder haben 2015 an einer beeindruckenden Führung durch die «Fá­brica Sant ’Anna» teilgenommen. Was ist für dich das besondere an der Lissabonner Fliesenfabrik?
Sie ist die älteste noch existierende Fliesenfabrik Portugals. Bei meinem ersten Besuch dort − 1983 − wurde ausschließlich in Holzöfen gebrannt, jetzt ist auf Elektrizität umgestellt. Aber die Fliesen werden immer noch handwerklich hergestellt und einzeln gemalt. Bei dem Besuch 2015 hat jeder eine Fliese mit seinem Namen erhalten. 

Das «Museu Nacional do Azulejos» in der Rua de Madre de Deus zählt über 1 Million Fliesen. Wer Azulejos mag, liebt diesen außergewöhnlichen Ort, nicht wahr?
Für Fliesenfreunde ist der Besuch dort ein »muss«. An keinem Ort wird die Geschichte der Fliesen so gut dargestellt. 

Das portugiesische Wort für Fliesen heißt «azulejos» und kommt vom arabischen ­Azzelij oder Al Zulaij, was flacher oder polierter Stein bedeutet. In Portugal gibt es Fliesen auf vielen Hauswänden. Ist das für dich eine interessante Art und Weise, Geschichte lebendig werden zu lassen?
Die Sitte, Hauswände mit Fliesen zu verkleiden, ist verhältnismäßig jung und hat auch zum Teil bautechnische Gründe als Schutz vor dem feuchten Klima. Fliesen bzw. Fliesenbilder wurden ursprünglich hauptsächlich in ­Palästen, Kirchen und öffentlichen ­Gebäuden angebracht. Die Brasilien-­Auswanderer nahmen die Fliesen mit, um ihre Häuser vor dem feuchtwarmen Klima zu schützen. Diese Sitte schwappte zurück ins Mutterland. Fliesen an Hauswänden sind meist von der Musterung her Einzelfliesen, so raffiniert verlegt, dass oft große Wände aus nur zwei bis vier Einzelmustern bestehen.  

Weißt du noch, wann und warum du zum ersten Mal nach Madeira gereist bist?
1989 über Neujahr mit einer Gruppe von der ländlichen Erwachsenenbildung.

Auf Madeira gibt es viel zu sehen. Was gefällt dir außer der Markthalle in Funchal (Mercado dos Lavradores) noch?
Die Wanderwege an den Levadas z.B. Ribeiro Frio, das Cabo Girão, Porto Moniz, Câmara de Lobos, Machico, Ribeira Brava.

Du hast auch ein Buch über Madeiras Nachbarinsel Porto Santo geschrieben, auf der Christoph Columbus als Zuckerhändler lebte. Was fasziniert dich dort?
Die Ruhe − wir waren immer außerhalb der Saison dort −, der Strand, die Felsenküste.

Bisweilen reist du durchs Land und hältst Vorträge über die portugiesische Fliesenkunst. Sind die ZuhörerInnen erstaunt, was es zu diesem Thema alles zu erzählen gibt?
Wer noch nie in Portugal war, ist natürlich über die Vielfalt der Fliesenkultur erstaunt. 

Du bist unzählige Male in Portugal gewesen. Gibt es für dich einen Ort, der in deinem Herzen so präsent ist, dass du jedes Jahr dort hinreisen »musst«?
Da gibt es viele Orte: Lissabon steht an erster Stelle, Porto, Tavira, Tomar, Elvas…

Foto von Werner Tobias

DPG-Mitglied Werner Tobias · © Herbert Schlemmer

 

 

 

 

 

 

 

 

ZUR PERSON:

Werner Tobias ist 1939 in Nordenburg (Ostpreußen) geboren. Seine Familie muss 1940 fliehen. Und so landet er in Osnabrück, wo er auch heute noch lebt. Er ist verwitwet und hat zwei Kinder. Nach dem Studium der Allgemeinen Technikehre und Geografie wird er erst Assistent und dann Hochschuldozent an der Uni Osnabrück. 1988 reist er auf Einladung der Uni in Vila Real für vier Monate nach Portugal, um eine landesweite Bestandsaufnahme der schwarzen Keramik zu erstellen. 
Werner Tobias hat elf Bücher und zwei Aufsätze über Portugal, Fliesen und Keramik veröffentlicht (siehe rechts). Er versucht, die Dinge immer von allen Seiten zu sehen, hat zehntausende Fotos in Portugal gemacht, Ausstellungen zur schwarzen Keramik und zur zeitgenössischen portugiesischen Kunst organisiert und hält Diavorträge über die Geschichte der portugiesischen Fliesenkunst.
Sein Lebensmotto lautet: Immer neugierig sein und auf die Menschen zugehen. Er ist seit über 20 Jahren Mitglied der DPG. Seine Hob­bys sind Kajak fahren und reisen.

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